Für unsere jährliche Hüttentour haben wir (Walter und Werner) uns dieses Jahr die Tour rund um Sölden ausgesucht. Der Reiz hier war, das Höhenniveau (über 3000m üNN) und ein Gletscherübergang. Eine für uns neue Erfahrung. Auch der Titel „Söldens stille Seite“ war vielversprechend und zutreffend. Zu unserer Tourzeit (30.7-4.8.15) war es auf den Hütten ruhig und unterwegs hatte wir die Berge und das Panorama oft stundenlang für uns allein. Die Route ist gleichzeitig ein Teil des „Ötztal Trek“. Zum Glück hat sich dies nicht bewahrheitet und wir sind nicht als Ötzi-Gletscherleiche geendet – dazu später aber noch mehr.
Tag 1: Anreise und Aufstieg zur Kleblealm
Für die Anreise aus dem Rheinland nach Sölden sind knapp 700 km zu bewältigen. Sölden lässt sich in Österreich autobahnfrei über die B179 (Fernpassstraße) erreichen. Nach einer kleinen Stärkung in Sölden haben wir am Wanderparkplatz unser Auto abgestellt und uns auf den Weg zur Kleblealm (1983m) gemacht. Nach einem Tag im Auto die Gelegenheit sich noch für die kommenden Herausforderungen einzulaufen. Auf der Kleblealm wurden wir von der Wirtin freundlich begrüßt und bezogen unser einfaches Zimmer mit eigenem Waschbecken. Eine Duschgelegenheit gibt es auf Kleblealm nicht, dafür aber einen Begrüßungsschnaps von der Wirtin.
Tag2: Hoch hinauf zur Hochstubaihütte (3174m)
Wir waren die einzigen Übernachtungsgäste. Beim reichhaltigen Frühstücksbuffet (!) hatten wir Gesellschaft von zwei Damen aus Sölden, die auf dem Weg zum Söldenkögel bei der befreundeten Kleblealmwirtin eingekehrt sind. Dabei mussten wir feststellen, dass Deutsch in der österreichischen Variante auch ein fremde Sprache ist.
Bei schönem Wetter machten wir uns auf den Weg. Diese Tagesroute war im Vergleich zu den Folgenden gut frequentiert und wir konnten bei unserer Rast nicht nur Menschen beobachten.
Der idyllische Laubkarsee ist eine gute und gern genutzte Gelegenheit für eine ausgiebige Mittagspause
Dann ging es weiter, es mussten noch einige Höhenmeter bewältigt werden bis unser Tagesziel erreicht war. Die Hochstubaihütte ist eine Männerwirtschaft, der Ton direkt (vielleicht auch etwas rauer) und die Küche erinnerte mich an meine Studententage (einfach und macht satt ). Erwähnenswert ist noch, dass die Hütte von Fernreisenden (Kilimandscharo) für die Höhenakklimatisierung genutzt wurde.
Tag 3: Über den Gletscher zur Hildesheimer Hütte
Zunächst geht es steil abwärts über die „Himmelsleiter“, die aber gut gesichert ist und so für den geübten Hochgebirgswanderer gut zu bewältigen – ich hatte es mir dramatischer vorgestellt. Es geht dann weiter hinab am Seekarsee vorbei, auf zur Scharte am Windachferner. Unterwegs begegneten wir einem Wanderer, der sich stark angesäuert bitterlich über die schlechte bzw. nicht vorhandene Wegmarkierung auf dem Gletscher (Windacher Ferner/Gaiskarferner) beklagte und schilderte wie er sich verlaufen hatte. Wir waren gewarnt und haben dies zum Anlass genommen nochmal intensiv in die Wanderkarten zu schauen. Am Gletscher angekommen wurden die Grödeln bzw. Schuhketten angelegt – dies war auch zwingend notwendig - ohne diese Ausrüstung hätten wir früher oder später umkehren müssen. Nach Karte schien es zunächst einfach, geradeaus bis zum Skilift und diesem nach rechts folgen. Es wurde aber immer nebliger, wir hatten kaum noch Sicht und Wegmarkierungen waren, wie angekündigt, keine zu sehen. Wir konnten auch nicht wie wir dachten einfach den Lift entlang laufen, da sich dieser als unpassierbares Hindernis herausstellte(„sommerfest“ eingemottet, unter einer Plastikplane, mit Sandsäcken beschwert und auf einem Schneehügel). Als wir den beschwerlichen Aufstieg am Windacher Ferner und damit knapp die Hälfte unserer Gletschertour geschafft hatten, entdeckten wir zu unserer Überraschung Schilder, die vor Gletscherspalten warnten. Davon war in unserer Tourenbeschreibung nichts zu lesen. Erfreulicherweise haben wir dann auch keine Gletscherspalten gesehen und gar „erlebt“. Bei Nebel und ohne Wegmarkierung auf dem unbekannten und teilweise steilen Gletscher unterwegs, das fühlte sich nicht immer gut an. Wir mussten unbedingt den Ausstieg auf den markierten Weg im angrenzenden Fels finden. Dafür kam mir auf dem letzten Drittel des Gletscherweges, die eigentlich naheliegende rettende Idee: GPS-Ortung per Handy. Ergebnis war, dass wir haargenau auf dem richtigen Weg waren. Das war schon sehr beruhigend und die Erleichterung war vollkommen, als wir wieder auf felsigem Gelände standen. Das Abendessen auf der Hildesheimer Hütte hatten wir uns damit wohl verdient und das war richtig gut. Unseren Hinweis an die Hüttenwirtin bei der Ankunft zur schlechten Markierung war Anstoß (was wir aber erst beim Bezahlplausch mit dem Hüttenwirt erfahren haben), dass der Wirt sich noch am Abend auf dem Weg zum Gletscher machte und nachschaute, ob jemand im Nebel verloren gegangen war. Von dem Hüttenwirt haben wir dann auch noch gute Tipps zur weiteren Ausgestaltung unserer Tour erhalten.
Tag 4: Auf ins sonnige Italien
Bei bescheidenem Wetter (Nieselregen und weiterhin keine Sicht) machten wir uns auf den Weg. Auf die angepriesene tolle Aussicht auf dem Gamsplatzen mussten wir daher verzichten. Pünktlich zur Mittagszeit erreichten wir die Siegerlandhütte und konnten uns mit einer warmen Suppe stärken. Zwei Paare, die den Vormittag auf Grund des Wetters auf der Hütte verbrachten, nahmen unsere wetterunerschrockene Vorgehensweise zum Vorbild und begannen ihre Nachmittagstour zu planen. Wir zogen weiter und erreichten nach einigen Schneefeldern die Windachscharte. Hinter uns Österreich nass und nebelig und vor uns, man glaubt es nicht, Italien, Sonne und freie Sicht.
Es folgte der Abstieg zum großen Timmeler Schwarzsee. Dort angekommen (eine der wenigen stärker frequentierten Streckenabschnitte unserer Tour) galt es eine Entscheidung zu treffen. Alternative Tourenbeschreibung „Ötztal Trek“: Abstieg zum Gasthof Hochfirst, einfach und kürzer oder Alternative Tourenbeschreibung „Söldens stille Seite“ d.h. den längeren Weg zur Schneeberghütte . Wir entschieden uns für die Empfehlung des Hüttenwirtes und gingen weiter zur Schneeberghütte. Dort sind wir um 19 Uhr angekommen und bezogen das Matratzenlager: 33 Bette, die wir für uns alleine hatten. Die große Hütte war am Sonntagabend schlecht besucht und die restlichen Gäste, eine Gruppe von 8 Männern sowie zwei jungen Frauen, hatten sich nicht für das Matratzenlager entschieden.
Am Abend gab es noch riesige Nudelportionen - trotz unseres großen Hungers fast nicht zu packen - und die komfortabelste Dusche, die wir je auf einer Alpenvereinshütte gesehen haben. Diese war auch noch ohne den sonst obligatorischen Duschtaler zu nutzen.
Die Hütte ist Teil eines stillgelegten Bergwerks und dadurch Anziehungspunkt für Tagestouristen. Leider ermöglichte unser Zeitplan keine Bergwerkbesichtigung. Diese wäre sicher sehr interessant gewesen, die ausgestellten Bilder weckten jedenfalls unser Interesse.
Tag 5: Zum Abschluss unsere Königsetappe bei schönstem Wetter
Entsprechend der Empfehlung des Hüttenwirtes der Hildesheimer Hütte machten wir uns früh auf den Weg zu einem ca. 1 stündigen Abstieg zur Bushaltestelle Schneebergbrücke. Dort bestiegen wir den Linienbus, der uns für kleines Geld (gemessen an den ÖPNV-Preisen im Rheinland) durch wunderbares Bergpanorama hoch hinauf auf das Timmelsjoch brachte. An diesem Tag war nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich schönstes Wetter. Zunächst ging es durch Wiesengelände und vorbei an kleinen Bergseen. Der Aufstieg bis zum Wannakarsattel war mit gesicherter Kletterei verbunden. Von dort ging es den Höhengrat entlang, deutlich anspruchsvoller als die Bilder vermuten lassen, über vier Gipfel bis zum Brunnenkogelhaus. Dort angekommen genossen unsere Vorgänger in Feierabendstimmung Sonne, Panorama, Bier und Kaiserschmarrn.
Wir überlegten jedoch, nach Einnahme eines Kaltgetränkes noch abzusteigen. Die Befragung der Bedienung ergab, dass der Abstieg 3h dauert. Dies erschien mir als übertrieben. Ich vermutete, wir sollten als Übernachtungsgäste gewonnen werden. So zogen wir gegen 17 Uhr los, begleitet von Blicken der Bewunderung und des Mitleids. Ich musste leider feststellen, dass der Abstieg doch mehr Zeit in Anspruch nahm als von mir angenommen. 1400 Höhenmeter wollen auch abwärts überwunden werden, das braucht Zeit und ganz frisch waren wir auch nicht mehr. In Sölden angekommen, steuerten wir die erste Pension an und fragten nach Quartier. Die Wirtin musterte uns kritisch und war wenig erfreut als wir ihr mitteilen mussten, dass wir nur für eine Nacht ihre Gäste sein wollten. Doch dann konnten wir ihre Sympathie und/oder Mitleid gewinnen, wurden aufgenommen und gut mit Bier versorgt. Wir konnten also zum Abschluss unserer Bergtour den Luxus eines Doppelzimmers mit eigener Dusche genießen.