Gipfel: Alphubel, Weißmies, Allalinhorn und Signalkuppe
Der Sommer 2004 hat wie viele Sommer zuvor abwechslungsreiches Wetter beschert, damit ein wichtiger Faktor im Ablauf von Hochalpintouren, der zu beachten war. Berge oberhalb 4000m in der Mischabel-, Weißmies- und Monte-Rosa-Gruppe waren die Ziele.
Am 15.08. machten wir uns nach durchfahrener Nacht von Täsch auf zur Täschhütte (2701m), um von dort den Alphubel anzugehen. Der Aufstieg bei nahezu Kaiserwetter war zwar schweißtreibend, der häufig rückwärts gewandte Blick auf das Weißhorn ließ uns die Anstrengung vergessen. Nach nachmittäglicher Vorerkundung des Aufstiegweges am folgenden Tag wandten wir uns dem munteren Hüttentreiben zu. Die Hütte war voll belegt. Entsprechend chaotisch und kaum zufriedenstellend wurde das Abendessen angegangen; wenig Leistung für bekanntlich hohe Schweizer Preise sorgte für Missstimmung der Hüttengäste. Das Hüttenpersonal schien deutlich überfordert.
Der übliche Ablauf am folgenden Morgen um 3Uhr: ein schnelles Frühstück, die „Marschausrüstung“ angelegt und im Schein der Kopflampen machten sich etwa 15 Alpinisten auf ihr Weg zu Alphubel, Strahlhorn und Rimpfischhorn. Relativ zügig war der Alphubelgletscher in ca. 3300m Höhe erreicht. In morgendlicher Dämmerung ging es weiter auf das Alphubeljoch in 3772m Höhe. Die erste Verschnaufpause war fällig, bevor es auf dem Grat in Richtung Gipfel gehen sollte. Ohne weitere Unterbrechung erreichten wir das großflächige Gipfelplateau mit dem höchsten Punkt 4206m. Unser erstes Ziel war erreicht. Eine grandiose Rundumsicht bei geringer Bewölkung auf die alpine Bergwelt nah und fern entschädigte uns für die Leistungsanstrengung. Nach kurzer Rast und den üblichen zu machenden Fotos ging es den „Normalweg“ zurück zur Täschhütte und weiter ins Mattertal zum abgestellten Auto, bei einsetzendem Regen.
Nach erholsamer Nacht in Herbriggen (Insider kennen den „Bergfreund“) fuhren wir morgens mit dem Auto nach Almagell, um von dort zur Almageller Hütte aufzusteigen. Der Weißmies war das nächste Ziel. Die aufziehenden Wolken ließen nichts Gutes ahnen. Ab der Almageller Alpe begleiteten Regenschauer unseren weiteren Aufstieg durch das Almageller Tal. Auch durch dieses Wetter ist ein Durchkommen. Mit Eintreffen auf der Hütte in 2800m Höhe ließ der Regen nach. Der Nachmittag konnte für Erkundungstouren in der näheren Umgebung genutzt werden, wenngleich immer wieder Regenschauer nieder gingen. Die Kletterwand „Dri Horlini“ in unmittelbarer Nähe der Hütte wurde in Augenschein genommen, die Aufstiegsroute zum Zwischbergenpass (3287m) erkundet, um bessere Voraussetzungen am nächsten Morgen für den ersten Abschnitt mit Stirnlampen zu schaffen. Am Abend kreisten die Gespräche natürlich um die Wetterprognosen für den kommenden Tag, zumal Wetterleuchten aus dem Süden aufzog. Hüttenwirt Hugo konnte uns zumindest auf keine weitere Verschlechterung beruhigen. Verabredet wurde, dass er uns nur bei Gewitter oder Regen wie Bindfäden nicht wecken sollte.
Der erste Blick nach dem Wecken um 3°°Uhr fiel nach draußen: Es hatte nachts geregnet, die Terrasse war erkennbar nass, aber der Himmel schien aufgeklart. Also bereiteten sich mit uns etwa 20 Bergsteiger vor, um den Weißmies-Aufstieg anzugehen. Dichte Wolkennebel begleiteten zeitweise unseren Aufstieg zum Zwischbergenpass, im Süden war gelegentlich Wetterleuchten zu sehen. Nicht verwunderlich, dass mit uns einige im Aufstieg zunächst innehielten, um über die weitere Wetterentwicklung Klarheit zu erhalten. Da keine Verschlechterung erkennbar wurde, ging es zügig weiter. Im ersten Tageslicht erkannten wir, dass oberhalb von etwa 3500m Neuschnee gefallen war. Keine guten Bedingungen für den letzten Abschnitt, der uns über den Felsgrat zum Weißmiesgipfel führen sollte. Nach Passieren einiger steiler Schneefelder kam der Übergang zum Felsgrat, der erfreulicherweise nur auf der Westseite verschneit war. Äußerste Vorsicht war dennoch geboten. Gegen 11Uhr erreichten wir schließlich den Gipfel in 4017m Höhe, bei inzwischen relativ klaren Sichtverhältnissen. Auf dem Normalweg über Hohsaas das wohl bekannte Bild der Vielzahl von „Gipfelstürmern“, die die bequemere Route gewählt hatten. Diese Route wählten wir als Abstiegsroute, die sicher als reine Eis- bzw. Schneetour als einfacher anzusehen ist. Durch die riesigen Gletscherabbrüche ging es rasch nach unten, auf die Bergstation Hohsaas (3101m) zu. Wir nutzten u. a. deshalb die Seilbahn, weil wir noch an diesem Tag die Britanniahütte erreichen wollten. Die Hütte war für uns Ausgangspunkt für die Überschreitung des Allalinhorns.
Der Bus brachte uns von Saas-Grund nach Saas-Fee und mit viel Glück erreichten wir noch rechtzeitig eine der letzten Seilbahnen aufwärts nach Felskinn (2989m). Gegen 16Uhr stellen die Seilbahnen anscheinend unisono ihren Betrieb ein. Aber es hatte noch gereicht. Inzwischen hatte sich das Wetter wieder verschlechtert, die Sicht in dieser Höhe schwankte zwischen 200 und 50 Meter. Das erste Stück des Weges zum Egginerjoch war als breite Sulzschneepiste angelegt, danach Blockhalde auf Gletschergelände. Die Sicht- und Wegverhältnisse waren inzwischen so schlecht geworden, dass wir den Eindruck hatten, an der Hütte vorbeigelaufen zu sein. Erst der Hinweis auf eine Wegverschüttung kurz vor der Hütte brachte uns gegen 18Uhr ans Ziel.
Unverständlicherweise gibt es wohl Waschrauminfrastruktur auf der Britanniahütte, aber kein Wasser. Gründe hierfür sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen, denn überall rieselte es um die Hütte herum. Da sich wohl mitten in der Woche die Belegung in Grenzen hielt, was uns nach dem Desaster auf der Täschhütte entgegen kam. Gegen 22Uhr, nach relativ gutem Abendessen, war Bettzeit angesagt. Eine Vorerkundung des Einstiegweges zum Hohllaubgrat fiel wegen der schlechten Wetterverhältnisse aus.
Wir hatten uns wegen der unsicheren Wetterlage dieses Mal auf 4Uhr Aufsteh- bzw. Frühstückszeit verständigt. Der erste Blick am Morgen sagte uns, dass es keine Veränderung gegeben hatte. Der Nebel sollte zunächst unser Begleiter sein. Drei Italiener, die unschlüssig die Situation besprachen, waren dankbar für unsere Einladung, es zumindest erst einmal gemeinsam bis zum Grateinstieg anzugehen. Bei Erreichen des Gletschers kamen uns bereits zwei Bergkameraden aus Tschechien (?) entgegen, die den Einstieg verfehlt hatten. Nach kurzer Beratschlagung und Navigation erneuter gemeinsamer Versuch. So schnell wollten wir doch nicht aufgeben.
Inzwischen dämmerte es, so dass die Sichtverhältnisse sich verbesserten. Nach und nach löste sich der Nebel auf, wieder einmal hatten wir unverschämtes Glück. Wer den Hohllaubgrat kennt, weiß um die Felsbarriere dicht unterhalb des Gipfels (2er Stelle). Hier kommt die Stunde der Wahrheit. Ein heruntergelassenes Seil unterstützt den Aufschwung, so uns auch. Wir hatten den anderen den Vortritt gelassen, so dass wir letztlich den Gipfel (4027m) des Allalinhorns an diesem Tag allein für uns hatten.
Der Grund, warum die „Vorhut“ nicht länger am Gipfel (mit Gipfelkreuz!) verweilte, blies uns schon entgegen. Das Wetter hatte sich inzwischen wieder verschlechtert mit der Folge eines unangenehmen stark böigen Windes. Dunkle Regenwolken im Westen verhießen nichts Gutes, so dass wir ebenfalls auf die Gipfelrast verzichteten und uns schleunigst abwärts in Richtung Mittelallalin (3457m) bewegten.
Dank Felsbahn und Seilbahn war Saas-Fee schließlich gegen 15Uhr rasch erreicht; unterwegs ging der schon angedrohte Regenschauer nieder. In Saas-Fee nahm uns der Bus den Fußmarsch nach Almagell ab, schließlich wollten wir zu unserem Auto zurück. Bevor es zu unserem letzten Ziel Monte Rosa, Signalkuppe und Zumsteinspitze gehen sollte, war eine weitere Erholzeit mit Übernachtung in Herbriggen vorgesehen.
Am Freitagmorgen fuhr uns der „Bergfreund-Bus“ nach Zermatt. Nahezu die ganze Nacht hatte es geregnet, im Mattertal hingen dichte Wolken. Der Wetterbericht hatte wechselhaftes Wetter vorhergesagt, so dass es eigentlich nur besser werden konnte. Mit der Gornergratbahn fuhren wir zur Station Rotenboden, um von dort den Fußmarsch über den Gornergletscher zur Monte-Rosa-Hütte anzutreten. Und tatsächlich, ab 2500m Höhe zeigte sich bereits die Sonne. Die Spitze des Matterhorns war jedoch noch wolkenumkrönt, ebenso der Grenzgletscher, Teil unseres Aufstiegsweges am nächsten Tag.
Die dichte Traversierung über den Gletscher zur Hütte schien wohl vor allem wegen der Tagestouristen angelegt zu sein. Rasch war die Monte-Rosa-Hütte erreicht (2795m), so dass wir ausreichend Zeit für Erkundungen des Aufstiegsweges und der Hüttenumgebung hatten. Eine Vielzahl von Biwakierern oberhalb der Hütte hatte sich positioniert. Die Hütte war relativ schwach belegt, in Anbetracht des bevorstehenden Wochenendes und der Hauptsaison schon verwunderlich. Versorgung und Unterbringung waren in Ordnung, so dass wir insgesamt einen harmonischen Tagesausklang hatten. Dieses Mal war das Frühstück für 2Uhr angesagt, so dass ein zu Bett gehen gegen 22Uhr uns nur wenig Schlafzeit ließ.
Gegen 3Uhr in der Frühe verließen wir dieses gastliche Haus, um über Blockhalde den Einstiegsweg am Gletscher zu erreichen. Leichter Nebel hatte sich ausgebreitet, nicht ungewöhnlich. Dieses Mal machte sich der Vorteil der Vorerkundung mehr als bezahlt. Eine andere Gruppe von Ausländern, die zur Dufourspitze wollte, hatte sich hoffnungslos in der Dunkelheit verirrt. Dabei hätten sie nur der Lichterkette von Kopflampen aufwärts folgen brauchen! Nahezu zielgenau erreichten wir den Einstiegspunkt 3109m am Grenzgletscher. Im Dämmerlicht wurden die Eisen angelegt, eine längere Gletschertour von mehr als 1400m Höhenunterschied lag vor uns. Im unteren Teil galt unsere äußerste Aufmerksamkeit den Spalten und Abbrüchen, tückisch streckenweise.
Inzwischen hatten wir auch eine schöne Sicht auf die markanten Erhebungen und Gipfel um uns herum: Pollux und Castor, der Liskamm begleiteten uns ein Stück des Weges und die Parrotspitze grüßte als Nachbar der Signalkuppe bereits zu uns Aufsteigern. Ab einer Höhe von etwa 4000m wurde es dann ungemütlich.
Nicht nur, dass wir mit dem Aufstieg zu kämpfen hatten, sondern es blies ein unangenehmer kalter Wind aus Südwesten über den Gletscher. Die Sicht verschlechterte sich zunehmend. Wir waren auch nicht mehr sicher, ob es nicht zusätzlich schneite. So einsam es bisher im Aufstieg war, so zeigten sich inzwischen die Geher aus dem Aostatal, die über die verschiedenen Zugänge (Seser Joch, Piodejoch) ebenfalls der Signalkuppe als Ziel zustrebten. Wir waren nicht unfroh, als wir gegen Mittag die Signalkuppe und zugleich die Margherita-Hütte in 4554m Höhe erreichten. Höher liegt keine Hütte in den Alpen, so dass es für uns schon ein herausragendes Ereignis darstellte.
Stabiles Wetter stellte sich an diesem Samstag in der Höhe nicht mehr ein; gelegentliche Aufheiterungen gaben nur zeitweise den Blick frei ins Aostatal und auf die Nachbargipfel. Schade, aber wir waren dennoch nicht unzufrieden. Der Nachmittag zog sich etwas, Unterhaltungen mit anderen Gruppen und Kartenspiel vertrieben uns die Zeit. Das Essen war als ordentlich anzusehen in Anbetracht der widrigen Bedingungen. Alles wurde in/mit Plastik serviert, Wasser gibt es dort nicht. Mitgebrachte Feuchttücher mussten für die Körperwäsche herhalten.
Waren uns Schlafstörungen vorgesagt worden, so traf diese Prognose zumindest für uns kaum zu. Bei einer natürlichen Ruhestörung in der Nacht zeigte sich ein aufklarender Himmel. Der Blick fiel nach Süden zur Poebene, die als Lichtermeer zu uns herauf drang. Der Vergleich mit einer Sicht aus einem Flugzeug nach unten war nicht als abwegig anzusehen.
Am letzten Tag der Tour wollten wir unmittelbar nach dem Frühstück gegen 6Uhr die etwas höhere Zumsteinspitze (4563m) angehen. Der Himmel war vollkommen aufgeklart, jedoch blies wie am Vortag ein „erbärmlich“ kalter und böiger Wind aus Südwesten. Wir verzichteten daher auf dieses Ziel und machten uns an den wahrlich langen Abstieg über die Monte-Rosa-Hütte zurück zur Station Rotenboden. Herrliches Wetter, nahezu Kaiserwetter begleitete uns inzwischen. Im Nordwesten grüßte über eine längere Abstiegsstrecke das Matterhorn herüber.
Gegen Mittag hatten wir unser Ziel erreicht und gemütlich ging es mit der Gornergratbahn nach Zermatt. Da uns noch der Heimweg an diesem Sonntag bevorstand, verzichteten wir dort auf eine längere Verweilzeit und bestiegen unverzüglich den Zug nach Herbriggen, um dort unser abgestelltes Auto zu erreichen.
Eine anstrengende, aber abwechslungsreiche und lohnende Gipfelwoche war vorbei. Mit dem Wetter waren wir unter dem Strich zufrieden, es hätte schlechter kommen können. Schade, dass die Tour zu Ende war, aber bekanntlich kann man wieder kommen.