Es ist Nacht, dunkle kuschelig schöne Nacht. Ich höre den Regen unaufhörlich prasseln und den Donner rumoren. Aber alle um mich herum schlafen tief und fest, eingemummelt in ihre Hüttenschlafsäcke mit Decken und wahrscheinlich von den Erlebnissen der letzten Tage träumend. Mit ein bisschen Bange denke ich an den nächsten Morgen: hoffentlich werden wir bei unserem Rückweg ins Tal nicht tropfnass!
Dabei ist es das erste Mal in diesen Tagen, dass es regnet. Wir sind nämlich Engel, die reisen, und daher haben wir natürlich das absolute Sommer-Sonnen-Fenster erwischt.
Vor nicht ganz einem Jahr reifte unsere Idee: kleine Bergferien mit unseren Kindern in einer Selbstversorgerhütte in den Alpen, nicht zu weit entfernt und gut erreichbar. Diese Hütte war schnell gefunden und - wie sich herausstellte - ein absoluter Glücksgriff.
So kamen Sabine, Jan (8) und Simon (6) sowie Pia (8), Anna (11) und ich Ende Juli nach völlig entspannter Bahnanreise erst mal in Pfronten im Allgäu an. Ein Gästezimmer im Tal bei freundlichen und hilfsbereiten Leuten half uns über die erste Nacht. Am nächsten Morgen fuhren wir dann mit dem Bus nach Grän ins Tannheimer Tal und nutzten die Gondelbahn auf´s Füssener Jöchl. Eine knappe Stunde später kamen wir am Ziel an: die Willi-Merkl-Gedächtnishütte auf 1550 m.
Keine Ferienwohnung kann besser ausgestattet, sauberer und gemütlicher sein - hier war wirklich für alles gesorgt: Kaltes Quellwasser, holzbefeuerter Herd, Kicker im Keller, ordentliche und gemütliche Lager, ein Kühlschrank und eine sehr gut ausgestattete Küche. Dazu Lesestoff, Spiele und eine Gitarre. Was will man mehr?
Nachdem wir uns eingerichtet und die Rucksäcke geleert hatten, ging es zurück zum Füssener Jöchl, wo wir in der Sonnenalm freundlicherweise zwei Koffer lagern durften. Deren Inhalt (Kletterzeugs und Proviant) wurde in die Rucksäcke verpackt und von ECHT STARKEN Kindern und Erwachsenen zur Hütte getragen (und ich dachte, ich hätte schon schwere Rucksäcke gebuckelt…. pah!).
Jetzt war für die kommenden Tage die Logistik soweit erledigt und wir machten uns am nächsten Morgen nach einem ausgiebigen Sonnenfrühstück auf der Hüttenterrasse Richtung Friedberger Klettersteig und Rote Flüh auf.
Fesch sahen wir aus mit unseren Gurten und Helmen. Doch bis zum Einstieg zum Friedberger Klettersteig lag noch ein recht steiles Geröllfeld vor uns. Als wir auch das geschafft hatten, fanden wir uns auf einem schmalen Grat wieder und beäugten die gesicherte Gipfelroute zum Schartschrofen. Für die jüngeren drei Kinder war das zuviel des Guten, zumindest bei nur zwei begleitenden Erwachsenen. Also machten sich lediglich Sabine und Anna daran, den Klettersteig bis zum Gipfel zu begehen, während ich mit Simon, Jan und Pia auf dem Grat picknickte. Von unten gesehen, konnte man meinen, die beiden Mädels machten jeden Tag nichts anderes als Klettersteiggehen.
Anna erzählt:
Wir standen also am Einstieg des Friedberger Klettersteigs. Dieser war „nur für Geübte“. Wir beschlossen, dass ich mit Sabine kurz hoch klettere, um nachzuschauen, ob er auch für die anderen geeignet war. Also kletterten wir los. Der Klettersteig war wirklich nicht von Pappe, weil ich an manchen Stellen nicht weiter kam. Zum Glück war Sabine dabei und hat mir nützliche Tipps gegeben, z.B. „Guck mal, da ist ein Tritt“ oder „Hier kannst du dich nur am Seil entlang hangeln“.
Auf dem Weg nach oben sahen wir ein Edelweiß. Das war das erste Edelweiß, dass ich bisher mit eigenen Augen gesehen habe. Doch wir mussten schnell weiter, denn unten warteten ja die anderen. Das Ein- und Aushaken der Karabiner war manchmal echt ganz schön nervig. Andererseits hat es aber auch viel Spaß gemacht. Oben angekommen gönnten wir uns erst mal eine Verschnaufpause und tranken unsere Flaschen leer. Die Aussicht dort oben war echt einmalig, doch schon bald ging es abwärts zurück.
Der Abstieg war noch schwieriger als der Aufstieg, weil man die Tritte beim Hinabklettern nur mit Mühe sah. Unten bei den anderen angekommen, tranken wir wie die Kühe! Verschwitzt aber sehr stolz ging es dann gemeinsam weiter.
Als alle wieder heil unten waren, banden wir uns alle ins Seil ein und erstiegen gemeinsam die Rote Flüh. Dorthin führte ein gut gesicherter Steig, der zwar teilweise etwas ausgesetzt war und gigantische Tiefblicke ermöglichte, aber insgesamt auch (und vor allem!) für den Jüngsten der Truppe gut machbar war. Wir erreichten nach mehrmaligem Einsatz der Klettersteigsets die Rote Flüh (2111 m) und grinsten glücklich in die Kameralinse für´s Gipfelfoto.
Pia erzählt:
Nach dem Schartschrofen gingen wir zur Roten Flüh. Wir gingen in voller Klettersteigausrüstung und dazu noch am Seil. Kurz vor der Spitze der Roten Flüh kamen wir an eine Leiter. Eigentlich war es ja gar keine Leiter, sondern in den Fels gehauene Eisenklammern. Sabine meinte „Mit dem Simon gehe ich nicht hier hoch, da gehen die anderen alleine!“. Aber Simon schrie laut „NÖ!!!!“. Also hatten wir alles gemeinsam ausprobiert. Es war aber eigentlich ganz einfach. Später oben angekommen konnte man über eine ganz ganz weite Wolkendecke sehen. Es war traumhaft.
Für den Rückweg konnten wir das Seil wieder einpacken, denn abwärts führte das Gelände unschwierig unterhalb des Gimpels wieder durch Geröll, um dann später bis zur Nesselwängler Scharte noch mal ordentlich anzusteigen. Das kostete Kraft und nicht nur den Kindern manches Mal ein paar Nerven. Doch an der Scharte angekommen, sahen wir wieder unsere Hütte, nur gaaaanz tief unten! Egal, der Weg war zwar lang, aber das Ziel in Sicht. Abends an der Hütte angekommen, gab es noch ein schönes Lagerfeuer.
Der nächste Tag begann wieder mit Sonnenschein und lockte uns auf die Große Schlicke (2060 m). Ein einfaches, gemütliches Ziel mit einem fantastischen Rundumblick!
Durch Wiese und Wald ging es danach hinab bis zur Musauer Alm, in deren Nähe wir an einem Bach ausgiebig entspannten.
Am Mittwoch musste wieder ein bisschen organisiert werden: Kletterzubehör, Wäsche und alles, was man nicht mehr benötigte, wurde gemeinsam zur Sonnenalm auf´s Füssener Jöchle getragen und wieder sicher in die dort deponierten Koffer verpackt. Anschließend wollten wir die Läuferspitze und den Schartschrofen (von der anderen Seite) besteigen. Ein Schild an der Sonnenalm wies für den Aufstieg zur Läuferspitze eine Gehzeit von 45 Minuten aus. Wir brauchten mit Kind und Kegel eine gute Viertelstunde. Ich weiß gar nicht, wie wir das gemacht haben, schließlich gab es auch hier einige knifflige, seilgesicherte Kraxelstellen. Den Kindern (und natürlich auch uns) machte aber genau das so viel Spaß, dass alles spielerisch leicht ging. So entschieden wir uns auch beim Abstieg von der Läuferspitze für die schwierige Variante, die den Kindern und mir an einer Stelle doch ein wenig Mut abverlangte. Der Weiterweg zum Gipfel des Schartschrofen (1973 m) war dann nur noch ein Spaziergang vorbei an leuchtenden Blumenfeldern und über einfache Steige.
Der angekündigte Regen war hier am Gipfel zwar noch nicht angekommen, aber dennoch von weitem sichtbar. Deshalb zogen wir flott unsere Regenjacken über und machten uns an den Abstieg.
Wir hätten vielleicht noch 15 Minuten gebraucht, dann wären wir nicht mehr nass geworden. So aber erwischte uns das Gewitter doch noch kurz vor Erreichen der Hütte und wir trockneten unsere Sachen über dem holzbefeuerten Herd. Den weiteren Nachmittag verbrachten wir in der gemütlichen und warmen Hüttenstube bei Brettspielen, lesen, singen und Gitarrenbegleitung.
Es regnete sich jetzt richtig schön ein und wir bezogen früh unsere Lager. Auch am nächsten - unserem letzten - Morgen schien der Regen kein Ende nehmen zu wollen. Aber als wir um halb elf, ganz in Regenschutz verpackt, den Rückweg zum Füssener Jöchl antraten, hörte es schlagartig auf. An der Sonnenalm kam dann auch - nomen est omen - wieder die Sonne zum Vorschein. Da war doch was mit Engeln auf Reisen, oder so???
Unsere Reise war ein Abenteuer. Wir haben eine absolut traumhafte Zeit gemeinsam verbracht, mit viel Gipfelglück, anstrengenden und leichten Touren, abwechslungsreichem Kletter-, Kraxel- und Gehgelände und entspanntem Miteinander.
Hinweis an alle Interessierten: Absolut zur Nachahmung empfohlen !!!!!!!
Wer mehr über die Planung, Vorbereitung, die Hütte und das Umfeld erfahren möchte, kann sich gerne an uns wenden.