Zwei Alpenvereinsmitglieder steigen am 4.Oktober bei herrlichem Spätsommerwetter auf die Zugspitze. Hier berichten die beiden über ihre spannende Bergtour auf Deutschlands sicher höchsten und vielleicht schönsten Gipfel.
Hammersbach ruht noch. Kein Wunder, es ist kurz nach 05:30 Uhr, lediglich ein Fahrradfahrer tritt auf der Dorfstraße kräftig in die Pedale, sein Ziel bleibt sein Geheimnis. Unser Ziel nicht, denn wir wollen hoch hinauf, auf den höchsten Berg Deutschlands, die Zugspitze. 2962m ragt sie über der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen, ihr Gipfelhaus strahlt bei schönem Wetter weit nach Bayern und Tirol - ihren glanzvollen Ruf unter Bergsteigern hat sie aber anderswo her. Denn die berühmte Route durchs Höllental gilt als anspruchsvolle und aussichtsreiche Bergtour. Dazu gleich mehr.
In der frühmorgendlichen Finsternis führt uns das erste Wegstück vom Parkplatz Hammersbach gen Höllentalklamm. Nur die Sterne begleiten uns. Ruhig ist's im Wald, nur langsam schafft es das Ruaschen des Baches durch die dichten Nadelbäume zu uns. Schon bald wirds lauter, die Klamm ist nach 30 Minuten erreicht: Spannend, im Dunkeln durch dieses von Wassermassen kräftig durchspülte Felsmassiv zu laufen. Es soll heute schönes Wetter vorherrschen, doch jetzt kommt erst einmal viel Nass von oben. Nein, kein Regen, die Klamm tropft eben. Kein Problem, wir sind gut ausgestattet und wasserfest allemal. Nach einem doch länger als gedachten Marsch die Klamm hinauf, einem schönen Stück durchs Höllental, stehen wir kurz nach 07:00 Uhr an der Höllentalangerhütte. Zwei frühe Bergsteiger, sie haben wie viele andere hier übernachtet, genießen die Blicke hinauf auf das Ziel, das Gipfelkreuz. Mittlerweile ist der Tag auch optisch angebrochen, die ersten Sonnenstrahlen kommen hinter der Spitze hervor. Wir gönnen uns ein Frühstück, halten kurz Plausch mit dem Hüttenwirt und treten die Bergfahrt an. Zuvor noch kurze Action, ganz kostenlos: Zwei Bauarbeiter werden samt ihres Arbeitsgerätes, einem Bagger, per Hubschrauber direkt vor der Hütte abgesetzt. Kein schlechter Auftritt so früh am Morgen.
Wir gehen los. Vor uns laufen schon gut zehn Männer und Frauen, alles Hüttenschläfer, alle ein Ziel, den Gipfel. Es geht nach zehn Minuten schon bergan, gut eine Stunde führt der Weg auf schmalem Pfad durch Fels und Geröll. Nicht schwierig, aber lange. Die Sonne kommt immer mehr hervor, es wird wärmer, die Mützen und Handschuhe wandern in die Rucksäcke. Wassertrinken, immer wichtig, dazu ein Müsliriegel, gerastet wird erst unterhalb des Gletschers, den es dann zu queren gilt. Nach dem berühmten Brett und der Leiter, beides im Vorfeld als schwieriger beschrieben, sind die ersten Passagen des Klettersteiges gemeistert. Nach einem weiteren steilen Stück stehen wir kurz vor 10:00 Uhr am Fuße des Gletschers. Er ist zwar noch da, hat sich aber in den vergangenen Jahren gewaltig zurückgezogen, ob es nun die globale Erwärmung ist oder doch ein natürliches Phänomen, wir wissen es nicht. Was wir wissen: Wir ruhen uns 10 Minuten aus, denn dann geht's richtig los.
Steigeisen an, die Stöcke ausgefahren, traben wir langsam los. Plötzlich zeigt sich, wie gefährlich die Berge sein können - und wie gedankenlos macher Wanderfreund an sie herangeht. Ein Mann stürzt gut 100 Meter den Gletscher hinab, dreht sich mehrfach und bleibt verletzt vor unseren Augen liegen. Schock am Schneeferner. Er hatte nur Wanderschuhe an, leichte noch dazu. Keine Steigeisen, kein Grödel und keine Stöcke. Von Helm oder Kletterset ganz zu schweigen. Wo haben manche Menschen nur ihre Informationen über Touren her? Wenn sie denn überhaupt welche haben. Hier: Glück im Unglück. Der Mann blutet zwar an Armen und Hüfte, doch mit einem Verband kann ihm geholfen werden. Er tritt die Rückreise an. Unsere angebotene Hilfe, ihn zu begleiten, lehnt er ab.
Dann queren wir ganz vorsichtig den Gletscher, es glänzt blankes Eis unter unseren Füßen, die Steigeisen wirken, mit harten Schritten sichern wir uns den Weg zum Fels. Ein Blick in die Gletscherspalten verdeutlicht, welche Gefahren hier drohen. Und wie schön die Natur sich ihre Formen erarbeitet hat.
Nach 20 Minuten stehen wir wieder am Berg. Der ursprüngliche Einstieg in den Steig liegt wegen des Rückgangs des Gletschers gut 50 Meter unterhalb, weshalb es hier eine neue Schlüsselstelle gibt. Es muss geklettert werden, gut 5 Meter frei und ungesichert. Der griffige Fels und ein herabhängendes Stahlseil vereinfachen die Kletterei. Dennoch, für schwache Bergfreunde kann hier Schluss sein. Zudem müssen vor dem Einstieg die Steigeisen verstaut und die Stöcke am Rucksack befestigt werden. Auf Blankeis eine anspruchsvolle Aufgabe.
Nach dem etwas schwierigerem Stück mit Kletterei beginnt der sehr schöne Klettersteig, bis zum Gipfel sind es von hier aus noch gut zwei Stunden. Eine weitere Schlüsselstelle folgt zugleich, leicht überhängend geht es quasi um die Ecke, dank Sicherung aber gut machbar. Dann nimmt die Bergfahrt volle Geschwindigkeit auf. Entlang des schmalen Bandes geht es gut gesichert hinauf. Blicke übers Höllental und schon den Jubiläumsgrat und runter zum Eibsee entlohnen den fleißigen Steiger. Unterhalb des Gipfels die letzte eisige Angelegenheit, Altschnee, bereits ausgetreten, muss passiert werden. Rutschig und nicht zu unterschätzen. Doch mit etwas Umsicht und festem Tritt stehen wir alsbald unterhalb des Gipfelkreuzes und blicken über die Alpen. E sits übrigens 13:30 Uhr. Sogar die Marolada, die Königin der Dolomiten blitzt am Horizont hervor und scheint zu grüßen.
Nach einem "Berg Heil" an die Mitgewanderten geht's zur Belohnung ans gut besuchte Münchener Haus. dort herrscht viel Betrieb, die Seilbahn und die Zahnradbahn verwandeln die Zugspitze tagsüber bekanntermaßen in einen umtriebigen Ort in luftiger Höhe. Doch durchs Höllental kommen heute nur wenige hoch, die haben sich dann ihr Bier auf fast 3000m aber auch redlich verdient. Erst recht die, die es in einem Stück gemeistert haben: Von Hammersbach bis Gipfelkreuz in knapp 7 Stunden! Berg Heil!
Die Bergsteiger, Fotografen und Textschreiber:
Friedel Frohn, 56, bergbegeisterter Radfahrer aus Urft, eigentlich Polizist, gelegentlich Tänzer und oft in den Alpen unterwegs. Es war seine erste Besteigung der Zugspitze. Aber sicherlich nicht seine letzte Bergfahrt.
Sascha Ohler, 33, schreibender Pfälzer, der seit kurzem in der Eifel lebt (Dahlem), gelegentlich Fußball spielt und ebenfalls häufig und gerne in den Alpen tourt. Es war seine zweite Zugspitzbesteigung, die erste führte seine Frau und ihn über das "ruhigere" Reintal auf den Gipfel.