Nachdem wir die Ausschreibung für die „Bergferien für Familien“ gelesen hatten, war uns klar: DAS PASST! DAS möchten wir gerne in den Sommerferien machen. Wenn wir jetzt auch noch eine passende Radwegstrecke und in der Nähe davon gut gelegene Campingplätze finden, wäre das ein Urlaub wie wir Ihn mögen. Wir, das sind Frank (55), Carla (12) und Kerstin (47). Die Strecke hat sich rasch gefunden, wir wollen mit dem Zug bis Passau fahren. Von dort fahren wir dann den Inn aufwärts (Innradweg), bis Landeck und dann über Prutz, hoch ins Kaunertal nach Feichten.
Los geht es in der Nacht vom 03.07. auf den 04.07.15, mit dem Nachtzug von Köln nach Passau. Leider verzögert sich der Start um 1,5 Stunden, die Bahn hat die üblichen Probleme viele Reisende in der Ferienzeit zu transportieren. Zusätzlich stellt sich heraus, dass die Bremsen von unserem Zug im HBF von Köln erst noch überprüft werden müssen, es riecht stark nach angebackenen Bremsbelägen. Uns stört das nicht, wir müssen keinen Anschlusszug bekommen. Wir machen es uns, nachdem wir alle Räder und Taschen verstaut haben, um 23:45 Uhr auf unseren Liegeplätzen bequem und hoffen einfach, dass die Österreichische Bahn alles im Griff hat und wir nicht doch noch in einen Ersatzzug umsteigen müssen.
04.07.15 06:00 Uhr
Wir kommen in Passau an, die Bahn hat die Verspätung fast wieder aufgeholt. Nachdem uns die freundlichen Mitarbeiter der ÖBB beim Aussteigen geholfen und mit einem guten Frühstückspaket auf dem Bahnsteig abgesetzt haben, sitzen wir noch etwas verschlafen auf dem Bahnsteig, trinken unseren Kaffee/Tee und kommen mit unserem Marmeladenbrötchen in der Hand erst einmal an. Der Tag wird warm, das ist schon jetzt zu merken. D.h. für uns, wenn möglich viele km vor der Mittagshitze schaffen und dabei viel trinken, die Schmierage (Sonnencreme) nicht vergessen!
Nach 46 km, davon viele am Inn, haben wir Obernberg erreicht, unser erstes Etappenziel. Yippie - in der Nähe des Campingplatzes ist ein Freibad! Hier verbringen wir einige Nachmittagsstunden im Schatten und Wasser, nachdem wir unser Zelt auf dem Campingplatz aufgestellt und unsere Vorräte beim SPAR nebenan für das Wochenende angelegt haben. Abends lernen wir den sprechenden Papagei vom Platzwart kennen und essen jede Menge Nudeln mit Pesto und Rohkost. Zufrieden und müde schlüpfen wir in unsere Schlafsäcke.
05.07.15
Wir stehen um 05.00 Uhr auf, denn es soll wieder heiß werden und wir haben 55 km vor uns bis Marktl. Bis das Zelt und wir auf die Räder verfrachtet sind (ein ausgiebiges Frühstück ist uns immer wichtig) müssen wir ca. zwei Stunden einplanen.
Heute fahren wir wieder viel am Wasser. Unter anderem an einem Badesee der nur mit Schotter umgeben ist. Kein einziger Baum! Die Menschen liegen neben ihren Autos in der prallen Sonne! Uns schmerzt der Kopf schon beim Hinschauen. Wir hoffen, dass unser Ziel mehr Schatten hat.
Es erwartet uns der beste Campingplatz unserer Reise. Wir bekommen als Radfahrer den schönsten Platz unter einem Walnussbaum zugewiesen und sogar einen Rabatt, weil wir mit dem Fahrrad unterwegs sind. Hier steckt viel Liebe im Detail, sogar unsere Räder können wir in einer riesigen Fahrradgarage so unterstellen, dass alles im Trockenen ist. Carla wird sofort von einem Hund adoptiert, endlich Eine die Stöckchen schmeißt. Nachdem wir wieder bei Kräften sind, gehen wir zum nahegelegenen Badesee und genießen auch hier wieder den Schatten, das Wasser und unsere Bücher.
06.07.15
Der nächste Campingplatz nach Marktl ist in Schechen. Weil das bei dieser Hitze eindeutig zu weit mit dem Fahrrad ist, fahren wir nur bis Mühldorf. Ab hier geht es weiter mit der Bahn. Auch hier haben wir wieder eine tolle Zeltwiese, die direkt am Badesee liegt. Nachdem wir ein paar Runden im See geschwommen sind, stärken wir uns mit leckeren selbstgemachten Blaubeerpfannkuchen. Auch heute schlüpfen wir wieder früh in unsere Schlafsäcke, denn morgen wollen wir um 07:00 Uhr losfahren, es soll heiß werden.
07.07.15
Morgens leise die Ersten auf dem Campingplatz zu sein, hat was. Der See von gestern Abend ist ganz still und der Nebel liegt noch wie eine Decke darüber. Wir brechen auf, nach Kufstein. Hier können wir endlich in einem Buchladen für Carla ein neues Buch kaufen. Sie hat seit unserer Abreise in Köln ihr Buch schon dreimal durchgelesen (ein Zeichen dafür, dass wir auf dieser Reise schon viel unter Bäumen im Schatten verbracht haben). Stellenweise haben wir heute furchtbaren Gegenwind. Man hat das Gefühl, sich nur zentimeterweise fortbewegen zu können. Es ist einfach nur anstrengend und ich frage mich, warum mache ich das? Warum fahre ich nicht einfach mit der Bahn weiter? Das gute Gefühl von heute Morgen ist wie weggeblasen. Klar, das hat der Wind mitgenommen! Da hilft auch nicht mehr der Blick auf die Berge. Die „Doofen“ sind ja Schuld daran, dass der Wind hier durch den Talkessel bläst. Die Luft wird mit jeder Stunde drückender, bestimmt gibt es bald ein Gewitter. Wir kommen in sengender Mittagshitze auf dem Campingplatz an (hier ist alles ziemlich lieblos, aber wir bleiben trotzdem) und fallen nach dem Zeltaufbau nur noch auf unsere Decke. Am späten Nachmittag schwimmen wir auch hier wieder im See, der nur ein paar km entfernt in einem Wald ist. In der Nacht kommt endlich das erlösende Gewitter, aber damit auch der Regen, der uns den ganzen nächsten Tag begleiten wird.
08.07.15
Wir lassen es gemütlich angehen, in der Hoffnung, dass der Regen bald aufhört. Tut er aber leider nur zwischendurch mal. Immer wenn wir das Gefühl haben, gleich sind die Hände vom Fahrtwind wieder trocken, kommt ein neuer mehr oder weniger starker Schauer. Heute weichen wir Durchweichten in die Jugendherberge aus, denn wir haben keine Lust auf noch eine Nacht Regen. Die ersten Berge mit Schneeresten tauchen auf. Die nächste Jugendherberge ist in Innsbruck, also müssen wir etwas über 80 km fahren. Zwischendurch treffen wir auch den ein oder anderen Radfahrer, der oder die sich mit uns unterstellen und den nächsten Schauer abwarten. Wir kommen ins Gespräch und motivieren uns gegenseitig. Denn eigentlich ist sind es ja genau die ganzen Unwägbarkeiten, die uns alle immer wieder auf den Sattel bringen und das Gefühl müde und hungrig am Ziel angekommen zu sein. Am Abend rollen wir mit unseren Rädern noch durch Innsbruck, denn den bizarren Blick auf die Sprungschanze (wenn man aus einem bestimmten Winkel schaut, hat man das Gefühl, die Springer landen mitten in der Stadt), die hohen Häuser und im Hintergrund die Berge, das hat was ganz Besonderes. Die Jugendherberge hat Ihre besten Zeiten hinter sich. Nur leider sind wenige Jugendliche miteinander im Gespräch, alle Steckdosen in der Eingangshalle sind belegt mit einem Mobiltelefon und daran hängt ein junger Mensch…….
09.07.15
Ausgeruht steigen wir auf unsere gepackten Räder. Auf nach Landeck, d.h. wir nähern uns heute, wenn wir die geplanten 90 km hinter uns haben, dem Kaunertal fast auf Sichtweite. Auch heute begleiten uns wieder die wunderbaren Berge und Wiesen. Immer wieder, wie schon die ganze Zeit seit unserem Start, kleine Dörfer mit Zwiebeltürmen und wunderbare frische Luft. Das ist es, was wir beim Zelten und Radfahren genießen. Das ´draußen sein´, hören, fühlen und schmecken.
In Imst komme ich an meine Grenze. Die Straße, die hoch in die Stadt führt ist grausam. Die Autos rasen an uns vorbei, dazu die Hitze. Wer hier nicht zuerst im Auto ist, hat verloren. Als Fußgänger und Radfahrer bist Du hier scheinbar nur im Weg. Wir müssen aber unbedingt nach Imst rein, Carla braucht neue Bremsbeläge. Und eigentlich wollten wir hier auch eine Kaffeepause mit Eis einlegen. Ich bin so gereizt, dass ich nur noch weg will, nachdem die Bremsen von Carla wieder o.k. sind. Also weiter, ohne Kaffee und Eis nach Landeck. Ich brauche gerade meine letzte Energie, mich so zu motivieren, dass ich es bis Landeck schaffe.
Auch hier erwartet uns wieder eine Zeltwiese, nur für Wanderer, Rad- und Kanufahrer. Wir schätzen diese Plätze sehr, auf denen wir auch eine Sitzgelegenheit und einen Tisch finden. Leider gibt es diesen „Luxus“ aber nicht überall. Immer mehr Campingplätze sind für Wohnmobile ausgerichtet. Da gibt es dann eher eine Reinigungsgelegenheit für das Chemieklo, als eine Sitzgruppe für Wanderer.
Carla hat schnell Kontakt mit einem Mädchen in ihrem Alter gefunden, die beiden spielen; wir beiden Alten verschwinden eben schon mal im Schlafsack. Wie das so ist, beim Kind sind natürlich alle Erschöpfungserscheinungen wie weggeblasen. Irgendwann hören wir sie neben uns rascheln. Sie hat den Weg auch ohne uns ins Zelt gefunden und schläft ein.
10.07.15
Bevor wir weiter fahren, müssen wir noch in einen Buchladen. Carlas Lesestoff ist mal wieder aufgebraucht. Nachdem die zwei Mädchen sich voneinander verabschiedet und wir uns informiert haben, ob wir notfalls auch mit dem Bus weiterkommen, steigen wir wieder auf die Räder. Heute wird es eindeutig steil. Ob wir wirklich direkt ins Kaunertal hochfahren, oder noch eine Nacht in Prutz auf dem Campingplatz verbringen werden, wollen wir in Prutz entscheiden.
Der Weg fährt sich gut und wir sind guter Dinge. Als wir nach ein paar km in Prutz am Campingplatz stehen, ist die Entscheidung nicht schwer. Ruhig und beschaulich ist etwas anderes. Also weiter. Aber fahren wir jetzt mit dem Bus oder wollen wir wirklich bis ins Kaunertal hoch mit dem Rad? Frank appelliert an unseren sportlichen Ehrgeiz, der kämpft aber gerade noch mit dem inneren Schweinehund und der Sorge, wird es auch nicht zu viel für das „Kind“, oder schaffe ich das?
Wir entscheiden uns. Wir fahren mit all unseren aufgefüllten Wasserflaschen, einer riesigen Flasche „Almdudler“ und Respekt vor dem Berg los. Wir machen regelmäßige Trinkpausen und zweimal müssen wir auch absteigen und schieben, weil der Berg zu steil wird. Aber wir steigen immer wieder auf, fahren weiter und motivieren uns gegenseitig. Langsam und stetig in kleinen Etappen……..Und dann kommt sie…….die Weißseespitze! Unser Campingplatz in Platz liegt so, dass wir sie im Blick haben! Ein wunderbares Gefühl der Erschöpfung macht sich in uns breit, als wir das Zelt aufgebaut haben. Die letzten Essensreste werden verbraucht. Menü Frontroller von Ortlieb! Herrlich! In keinem Sternerestaurant kann es besser schmecken.
11.07.15
Wir rollen, nachdem wir alles eingepackt haben, quasi wie von selbst den restlichen Berg hinauf nach Feichten. Vor einer Woche sind wir in Passau gestartet und in der Zeit haben wir viele Menschen getroffen, die Landschaft genossen und neue Eindrücke sammeln können. Als wir bei Holger vor unserer Unterkunft ankommen sind, Rudi und Stefan mit ihren Familien auch gerade angekommen. Sie laden gerade aus und auch wir steigen von unseren Rädern, die jetzt für eine Woche in Holgers Schuppen verschwinden. Wir freuen uns jetzt schon auf die „Talfahrt“ in einer Woche. Wer schon einmal so einen hohen Berg mit dem Fahrrad hinaufgefahren ist, kennt des Radlers (Vor-)Freude auf das Abwärtsrollen.
Aber erst einmal haben wir noch eine Woche „Bergferien mit Familien“ vor uns. Wir sind gespannt, denn hier sind wir alle Drei „Frischlinge“. Den höchsten Berg, den wir bisher in Köln bestiegen haben ist der„Monte Troodelöh“ , immerhin 11800 cm hoch, und das sogar ohne Sauerstoff!
Und was bleibt?
Von Köln bzw. Passau nach Feichten - das fühlt sich ganz schön weit an! Wir würden es wieder tun und können diese Art der Anreise nur weiterempfehlen.