Datum: 14. 07 2001
Autor: Erwin Olligschläger
"Jo Sakra, seit zehne do is Hitt´nruh, jetzt gebt´s endlich a Ruha! ´s gibt Leit, die in der Früh' raus müss´n! I moan, mer kenn´n jo über alles red´n, bevor´s blaue Augen gibt!"
Dermaßen polterte Kollege Herbert um halb zwölf nachts zum Dachlager hinauf, wo sich eine Jugendgruppe nach Jugendherbergsmanier lautstark die Zeit vertrieb. Die Drohung jedenfalls hatte augenblicklichen Erfolg; wir hatten die ersehnte Nachtruhe.
Wir, das waren 11 Leute des Aufbaulehrgangs FÜL Bergsteigen, die sich vom 15. bis 24. Juli 2001 auf der Franz-Senn-Hütte (2147m) auf die Abschlussprüfungen vorbereiteten.
Nach dem Alpinen Grundkurs im letzten Jahr stand in diesem Sommer die letzte, entscheidende Hürde zur Erlangung des Fachübungsleiter-Scheins an, der die Teilnehmer berechtigt, geführte Bergtouren für Sektionsmitglieder anzubieten.
Kursbeginn: Sonntag, 18.00 Uhr mit einem hervorragenden viergängigen Abendessen. Anschließend gleich das erste Theoriethema Natur- und Umweltschutz. Nach dieser Vorbereitung erfolgt gleich am nächsten Morgen eine Exkursion unter der Führung des Försters Franz Mettal. Je zwei Mann haben dazu jeweils ein Referat vorbereitet, das dann an geeigneter Stelle im Gelände vorgetragen wird.
Für den Nachmittag haben die beiden Bergführer Oliver Reischl und Christian Semmel ein besonderes "Schmankerl" parat: Alpines Klettern bis zum III. Grad über den Nordgrat der vorderen Sommerwand bis zum Gipfel, ca. 10-12 Seillängen, normalerweise eine reine Genusskletterei, an diesem Tag bei starkem Nebel und nasser Felsoberfläche jedoch an einigen Stellen heikel. Nach erfolgreicher Rückkehr und opulentem Abendessen (s.o.) treffen wir uns - der geneigte Leser wird es schon vermuten - wieder zum Theorievortrag. Auf diese Weise werden immer nach den praktischen Übungen im Gelände, meistens abends, die 7 Theoriethemen abgehandelt:
Umweltschutz,
Orientierung,
Erste Hilfe,
Meteorologie,
Ausrüstungskunde,
Führungstechnik und
Rechtsfragen.
Alle diese Themen, die man auch in Form von Fernkursunterlagen schon Monate vorher von der Hauptgeschäftsstelle in München bekommen hat (2 Kilogramm Papier!) sind Bestandteile der theoretischen Prüfung, einer Klausur am Ende des Kurses. Die praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten werden in Prüfungs-Lehrproben (30-45 min) und Prüfungs-Führungstouren (3-4 h) überprüft. Beide Prüfungsteile werden vorher in Übungsversionen abgehandelt.
Das Thema für eine Übungslehrprobe lautete z.B.: "Schule mit einem Anfängerkurs Eisklettern das richtige Setzen von Eisschrauben sowie die Schaffung eines Fixpunktes mittels einer Abalakow - Eissanduhr". Ein Thema für die Prüfungs-Lehrprobe hieß: "Übe in einem Fortgeschrittenenkurs Felsklettern die Fixierung und das Ablassen des Nachsteigers mit HMS - Sicherung und Schleifknoten mit Sicherungsschlag ein sowie die Seilverlängerung unter Belastung". Für Interessenten weitere Themen in Stichworten:
Prusiken
Ausgleichsverankerungen im Fels
Abseilen
Mastwurf/Halbmastwurf/Bauernflaschenzug
Gehen im Blockwerk
Zum Einüben der Praktiken bei Führungstouren dienten "Ausflüge" über den Sommerwandferner zur östlichen Kräulscharte (3142m) mit Übungsprogramm wie Fixseilinstallation im letzten Steilanstieg sowie Auf- und Abwärtsgehen am Fixseil oder eine Gletschertour zur Turmscharte (3126m) mit Spaltenbergung in den Gletscherspalten des Berglasferners. Dabei muss jeder FÜL - Aspirant abwechselnd für mehrere Stunden führungstechnisch aktiv werden, d.h. Planung des Tourenabschnitts mittels Karte, Ausrüstungskontrolle zu Beginn, Abschätzung des geplanten Wegeverlaufs im Gelände, Eingehen auf die Gruppenmitglieder wie Darlegung der Strecke, Hinweise auf besondere Gefahrenstellen, Aufmunterung an kraftraubenden Passagen (...wir haben doch nur noch 600 Höhenmeter in diesem Tiefschnee...), um nur einige Punkte zu nennen.
Die 2 Prüfungs-Führungstouren zum Hinteren Wilden Turm (3294m) und Lisenser Spitze (3230m) von je 9 bzw. 11 Stunden Dauer verlangen noch einmal harten Einsatz eines jeden Teilnehmers, zumal mittlerweile wegen Schneefall das Spuren im Neuschnee den Schweiß literweise aus den Poren treibt. Originalton des Ausbilders: "Jamai, als Fachübungsleiter brauchst du schließlich noch Reserven, wenn deine Tourenteilnehmer längst ausgepowert sind!" So wissen wir wenigstens, warum wir uns so schinden!
Die 10 Tage gehen wie im Fluge vorbei; tagsüber Praxis, abends Theorie, geselliges Beisammensein; man fragt sich, wie es möglich ist, in so kurzer Zeit soviel Aktivitäten unterzubringen! Alle haben das Ziel erreicht. Ein Lob für die beiden Ausbilder, die den Kurs fachlich sehr kompetent und humorvoll geleitet und jeden gelungenen Prüfungsabschnitt mit reichlich "blauem Zweigelt" begossen haben.
Das dies nicht so selbstverständlich ist, zeigte uns der Vorgängerkurs mit anderen Ausbildern, bei dem von 11 Kandidaten nur 3 bestanden hatten. Beim Abstieg von der Hütte werden noch schnell Adressen zum Photoaustausch notiert; vielleicht sieht man sich ja auf der nächsten Fortbildungsveranstaltung?
Dort könnte man natürlich auch die bayrischen Sprachkenntnisse endlich mal so vertiefen, dass auch sicht- und hörbare Fortschritte zu verzeichnen wären oder noch besser:
Wie wäre es mit einem Sprachkurs Rheinisch für die Bayern?
Et wid langsam Zitt, dat die Muffele us denne Berch do onge och ens richtisch spreiche liere!