Datum: 14. 11 2022
Autor: Jenny Gehlen
Nachdem unsere Jugendfahrt im Allgäu etwas entspannter und Beginner-freundlich ausgefallen ist, ging es für die fortgeschrittenen Bergsteiger unter uns noch eine zweite Woche in die Schweiz.
Sonntag, 31.07.
Weil ein ganz schön anstrengendes Programm für die Woche geplant ist, wird aber als erstes ein Ruhetag eingelegt. Bei schönstem Wetter verabschieden wir den Rest der ersten Woche und Jenny, Nina, Julian, Anne, Paul und Hannah machen sich auf nach Lindau. Da wird die schöne Altstadt besichtigt, Eis gegessen, Biergärten besucht und die Outdoor Boulder Anlage des DAV Lindau getestet. Eigentlich war danach eine Übernachtung in der Hütte wo Tim diesen Sommer arbeitet geplant, aber leider mussten wir wegen Ruhetag auf den Campingplatz in Feldkirch umschwenken. Da gabs aber ein tolles Freibad für uns und am Abend wurde lecker gegrillt – noch einmal Reserven anfuttern bevor es auf die Hütte geht.
Montag, 01.08
Am nächsten Morgen verabschiedet sich auch Hannah und damit wurde die Fahrt zu einem Jugendleiter Trainingslager. Angekommen in Klosters/Monbiel in der Schweiz fängt dann erstmal das große Packen an. Wir bleiben nämlich eine Woche auf der Seetalhütte (2063m), eine winzige Selbstversorger Hütte ohne Strom und Wasser, die nur zu Fuß nach 4h Aufstieg erreicht werden kann. Das heißt unser ganzes Essen für die Woche und ein riesiger Haufen Alpinklettermaterial muss auf 5 Rucksäcke verteilt werden. Mit je gefühlten 25 kg auf dem Rücken gönnen wir uns einen Taxi-Shuttle bis zur letzten Alpe und brauchen ganz schön lange für den restlichen Aufstieg. Oben angekommen beziehen wir die winzige Hütte, die wir uns noch mit 6 anderen Bergsteigern teilen müssen. Als erstes wird in dem antiken Holzofen ein Brot fürs Frühstück gebacken und die Tour für den nächsten Tag wird geplant.
Dienstag, 02.08.
Es geht früh los, zum Grate kraxeln. Wir wandern bis zur Scharte und von da an weglos über den Grat zum Winterberg (2931m) und weiter oben über den Grat bis zur Sonntagsspitze (2881m). Hier ist Schwindelfreiheit absolut vorausgesetzt, an allen Seiten geht es hunderte Meter steig herab und brüchiges Gestein macht so manche Kletterei ziemlich spannend. Dafür werden wir aber mit tollen Aussichten belohnt und treffen den ganzen Tag keine Menschenseele. Auf dem Abstieg surfen wir durchs Geröll und kommen erst abends wieder an der Hütte an, wo ein wunderbares Abendessen auf den Holzofen gekocht wird. Zum Nachtisch wird aus Milchpulver, Trockenei und selbst gepflückten Waldbeeren ein Pfannekuchen Teig gemixt und das Ergebnis hat es ziemlich weit nach oben auf der Gewicht/Geschmack Skala geschafft. Aber eigentlich schmeckt alles direkt doppelt so gut, wenn man die ganzen Zutaten selbst den Berg hochgeschleppt hat! Danach wird noch das richtige Platzieren von mobilen Sicherungsmitteln an der Hüttenmauer geübt und das Mehrseillängen Kletterwissen für den nächsten Tag aufgefrischt.
Mittwoch, 03.08.
Heute geht es nämlich über die leichte alpine Mehrseillängen Route „Spüellocher“ (5a) aufs Leidhorn (2839m). Die ersten mobilen Sicherungsmittel werden als Ergänzung zu den vereinzelten Bohrhaken gelegt und die Route wird bei schönstem Sonnenschein durchgestiegen. Weil es auf unserer Hütte auch keinen Waschraum gibt, steht am Nachmittag eine Katzenwäsche im eiskalten Gletschersee an - brrr, vielleicht doch lieber stinkig ins Bett. Aber zur Belohnung wartet schon ein selbstgebackener Schokokuchen aus dem Holzofen auf uns – sehr lecker! Die Backmischung war ihre 300g Extragewicht auf jeden Fall wert!
Donnerstag, 04.08.
Am nächsten Tag klingelt der Wecker schon um 4.30 Uhr, denn wir wollen früh los für die 10 Seillängen der Alpinroute New Strubich (6a) auf das Chlein Seehorn (3031m). Wie sich herausstellt sind die halbrohen Kichererbsen vom letzten Abendessen nicht so gut verträglich, aber der Turboantrieb hilft uns bei der ersten Kraxelei durch Geröllblöcke bis zum Einstieg. Jenny und Paul machen sich als erste Seilschaft auf den Weg und Nina, Julian und Anne folgen. Wunderschöne Seillängen mit erstaunlich guter Absicherung werden bezwungen, mit optimalen Standplätzen in der Sonne. Nach 10 Seillängen erreichen wir den Gipfel genau zur angepeilten Zeit und können die wunderschöne Aussicht zusammen mit einem Segelflieger genießen. Wegen fehlenden Steigeisen und ungünstigen Gletscherbedingungen haben wir uns entschieden über die Route abzuseilen anstatt über den NW-Grat und den Seegletscher abzusteigen. Ein ausgeklügeltes Abseilsystem für 5 Personen wurde entworfen und die ersten Seillängen werden in Rekordzeit abgeseilt. Dann wird uns das scharfe Gestein zum Verhängnis und eins der schönen neuen Halbseile hat leider eine dicke Macke an den letzten 10m und wir werden es für die weiteren Touren wohl kürzen müssen. Unten angekommen geht es für Jenny und Paul im Sprint zurück zur Hütte, wo wieder ein leckeres Abendessen vorbereitet wird während Nina, Julian und Anne nochmal im eiskalten Gletschersee schwimmen.
Freitag, 05.08.
Nach einem langen und anstrengenden Tag gönnen wir uns an nächsten Morgen ein bisschen mehr Schlaf und machen uns nach einem entspannten Frühstück mit frisch gebackenem Brot auf zum Sportklettern. An den Felsen über der Hütte sind ein paar schöne Routen gebohrt, aber wie vorausgesagt beendet der einsetzende Regen unsere Kletterei nach der Mittagspause. Früh zurück in der Hütte wird aus unseren restlichen Zutaten ein Meisterwerk gezaubert – Gemüse-Linsencurry mit überbackenen Süßkartoffeln und Vanillepudding. Der restliche Abend wird mit Wizard Spielen verbracht und die englische Belegschaft der Hütte (incl. Frühstückswürstchen) sorgt für Unterhaltung.
Samstag, 06.08.
An unserem letzten Tag meint es das Wetter leider nicht besonders gut mit uns. Nach einem gemütlichen Frühstück entscheiden wir uns wegen dem anhaltenden Regen gegen eine weitere Bergseiger-Tour und wandern stattdessen am Schottensee vorbei über die Seelücke auf die österreichische Seite zur Saarbrückener Hütte. Dort gibt’s eine leckere Suppe zum Aufwärmen bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen.
Auf dem Abstieg machen wir noch einen kurzen Abstecher auf den schrumpfenden Seegletscher, aber ohne Steigeisen rutschen wir ein paar Meter am Rand und steigen über den Normalweg zur Hütte ab. Abends werden alle unsere eigenen und die Reste der Engländer aufgebraucht und eine letzte Nacht in der gemütlichen Seetalhütte wird verbracht.
Sonntag, 07.08.
Am Sonntag steht nur noch der Abstieg an und mit deutlich leichten Rucksäcken ist die Wanderung zurück nach Klosters auch überhaupt kein Problem mehr. Paul und Anne werden am Bahnhof abgeliefert und für Jenny, Nina und Julian steht noch eine dritte Woche (Hochtouren am Piz Bernina) an.
Wir hatten mal wieder eine großartige Woche in den Bergen und haben viel übers Bergsteigen, Alpinklettern mit mobilen Sicherungsmitteln und Selbstverpflegungshütten gelernt. Wir freuen uns schon auf die nächste Advanced Alpin Tour (meldet euch alle an!) und hoffen alle unsere Jugendgruppen Mitglieder sind genau so begeistert vom Bergsteigen in den Schweizer Alpen wie wir!