Hallo Freunde des gepflegten Alpinismus oder solche, die es noch werden wollen,
auch dieses Jahre haben mein Vater und ich wieder eine Vater-&-Sohn-Tour gestartet. Vielleicht sollte ich mir das mal patentieren lassen? Wie auch immer, dieses Jahr waren wir dann allerdings doch als Dreigestirn unterwegs, denn mein Onkel hatte sich uns angeschlossen.
Die Vorzeichen standen allerdings unter keinen guten Stern: Je weiter wir mit unserem Vehikel am 14.08.2010 'gen Süden kamen, desto grauer wurde der Himmel. Berge im Regen bzw. Gewitter sind auf jeden Fall eine sehr unattraktive Mischung, weil sie für den Berggänger nicht in völliger Zielharmonie vereinbar sind. Egal, jetzt waren wir bereits auf dem Weg, und da wir bereits gegen 5:00 Uhr los gebrettert waren, gelang es unbehelligt von Staus an allen größeren Städten südlich des Weißwurstäquators vorbeizupirschen und sogar noch auf dem Fernpass Österreich zu durchqueren. Doch dann war es so weit. Kurz vor Bozen standen wir dann doch kurz im Stau. Nach acht Stunden schlugen wir dann auf dem Parkplatz vor unserem Hotel auf und stürmten erstmal die Gaststube, um uns zu stärken und danach gemütlich einzuchecken. Bis dato war noch alles okay, denn es war nur bewölkt, aber nicht am regnen. Wie gesagt, bis dato, denn eine Stunde später schüttete es wie aus Kübeln.
Wie auch immer, man muss das Beste daraus machen. So haben wir am nächsten Tag erstmal gut gefrühstückt, denn der Rosengarten verbarg sich hinter einer dichten Wolkendecke. Ich wusste es. Wäre ich doch besser zu Hause geblieben und hätte mir auf Bayern 3 morgens das Bergwetter angesehen, dann hätte ich bestimmt ein schöneres Panorama gehabt. Aber wie gesagt, man muss ja das Beste daraus machen. Nichtsdestotrotz starteten wir unsere Einlauftour von St.Zyprian. Dort wohnten wir nämlich im Pattissenhof. Vom Haus Schönblick und weiter hinauf mit Sicht auf den Schlern, zur Tschafonhütte auf 1.733 Meter, um dort ein wenig zu rasten und später wieder gemütlich nach St. Zyprian abzusteigen. Wir wurden immer wieder vom Wettergott nass gemacht, um gleich darauf wieder via Südsonne getrocknet zu werden.
Am nächsten Tag regnete es immer noch so peu à peu vor sich hin, und wir machten eine zweite Einlauftour von St.Zyprian hinauf zum Nigerpass auf 1.688 Meter und noch höher auf 1.904 Metern, zu Hanicker Schwaige. Da der Paissenhof auf 1.142 Metern liegt, waren das mal eben 762 Höhenmetern und etliche Kilometer Laufstrecke. Was sagt uns das??? Richtig! Oben auf der Hütte musste erstmal aufgetankt werden mit einer ordentlichen Jause bzw. Brotzeit und genügend Flüssigkeit. Dies taten wir dann auch, während um uns herum, Kaninchen hoppelten und die Kühe um uns mit ihren Glocken herum bimmelten und harmlose Besucherinnen erschreckten. Stimmt, man könnte meinen, das hätte ich mir ausgedacht, aber es entspricht wirklich der Wahrheit und jeder Heimatfilmliebhaber hätte dort droben wohl seine wahre Freude gehabt, da jedes Klischee bedient wurde – zumindest halbwegs.
Danach noch ein geschmeidiger Abstieg durchs Tal entlang eines Bachlaufes und schon waren wir wieder in unsrer Unterkunft. Der darauf folgende Tag war für die Rotwand reserviert, denn man glaubt es kaum: es regnete nicht mehr und die Sonne strahlte vom Firmament. Also schnell gefrühstückt, ab ins Auto und hoch zum Karerpass. Die Rucksäcke geschulter und ab mit der nächsten Seilbahn hoch hinauf. Dort folgten wir dem Weg 552. Von der Paolina Hütte aus und trafen wir unterwegs auf einige Murmeltiere, die von meinem Murmeltier Pfiff sichtlich begeistert waren und sich versteckten und total irritiert waren. Das führte sowieso des Öfteren zu lustigen Situationen, da mein Vater und mein Onkel sehr gerne diese possierlichen Tiere mögen und immer, wenn ich pfiff, schauten sie wild suchend um sich, da ja irgendwo bestimmt ein Murmeltier sein musste.
Über einen Umweg kamen wir dann zur Vaiolon Scharte und stiegen diese empor. Zuvor legten wir drei unsere Klettersteigsets sowie unsere Helme noch an, da wir auf die Rotwand hinauf wollten. In der Literatur ist der Rotwandklettersteig mit dem Schwierigkeitsgrad A bzw. K1 angegeben. Aber als mein Onkel und mein Vater die Höhe des Gipfels von der Scharte aus sahen, bekamen sie einen kleinen Schock und weigerten sich dort hinauf zu marschieren. Schade, aber ab einem gewissen Alter traut man sich manche Dinge eben nicht mehr und es ist besser, wenn man dazu steht als das einem etwas passiert – übrigens unabhängig vom Alter. Also alles wieder ausgezogen und entspannt zur Rotwandhütte abgestiegen.
Unterwegs begegneten wir dann noch einem etwa Mitte 20 Jährigen aus Bonn, dessen Freundin und der Vater der Freundin oben ebenfalls auf dem Steig unterwegs waren. Ihm war diese Höhe und Exponiertheit aber auch nicht geheuer, also lief er ebenfalls lieber den Wanderweg. Nach einer entspannten Rast auf der Rotwandhütte ging es weiter über den Weg 549 und später 539 zur Paolina Hütte und wieder ab ins Tal.
Am fünften Tag der schönen Reise ging es dann auf den Piz Boé, mit seinen 3.152 Metern schon einer der höheren Berge. Also sind wir erstmal schön mit unserem fahrbaren Untersatz über die Alpenpässe gesaust, um dann wie geplant nach einer ¾ Stunde am Pordoi Joch zu sein. Gut, wenn wir nicht da waren, wo waren wir denn dann??? Im Stau und zwar zwei Stunden lang. Denn - und das sollte man wissen, in der Ferienzeit der Italiener ist das ganze Tal von Vigo die Fassa bis Canazei von Autos verstopft. Und so kamen wir erst gegen 11 Uhr am Sellamassiv an. Deswegen mussten wir abkürzen.
Also schnell geparkt und ab in die große Seilbahn, die uns in Windeseile von 2.239 Meter auf 2.950 Meter brachte. Dort haben wir uns dann erstmal schön warm verpackt und haben uns auf dem Weg 627 in Richtung Piz Boé bewegt. Auch wenn die Weitsicht kaum gegeben war, so konnte man doch auf dem Plateau sehen, dass die Menschen wie auf einer Ameisenstraße hintereinander in die gleiche Richtung wie wir liefen. Das sieht mit etwas Abstand ungeheuer lustig aus und man stellt sich die Frage, ob es wirklich das ist, was man will. Sucht man denn nicht eigentlich die Einsamkeit in den Bergen? Und warum wollen diese Menschen eigentlich da hinauf und warum man selbst? Ein gute Möglichkeit diese Fragen zu beantworten ist bzw. war sich einfach auf den Weg zu machen und zu laufen. Und so kamen wir dann irgendwann bei einer Wegegabel an und verließen den o. g. Weg und folgten dem Weg 638 in Richtung Gipfel. Der Anstieg ist zwar technisch nicht schwierig, benötigt aber dennoch Bergerfahrung und vor allem Kondition und Schwindelfreiheit. Denn es geht über Platten, welche ziemlich speckig sind, an Stahlseiten hinauf zum Gipfel. Ganz übel ist es übrigens, wenn man vor allem hier nicht ganz schwindelfrei ist. Dann rutscht man nämlich dort droben auf dem Hosenboden herauf oder hinunter.
Doch das tangierte mich erst, als eine Frau mir entgegen gerutscht kam und sich vor mir auf ihr Steißbein fallen ließ. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass die junge Dame ein ziemlich schmerzverzerrtes Gesicht hatte, und das, obwohl ihr Partner sie halbwegs aufgefangen hatte. Als wir dann oben auf der Gipfelhütte waren, machten wir neben dem obligatorischen Gipfelfoto auch Rast und staunten nicht schlecht darüber, dass man hier für sehr viel Geld Souvenirs einkaufen konnte. Das finde ich persönlich zwar nicht so schön, aber es scheint ja genug Käufer dafür zu geben. Eigentlich finde ich es auch gar nicht so gut, dass die Hütte dort oben steht. Doch ich muss zu meiner Schande gestehen, dass auch ich dort etwas getrunken habe. Wie auch immer, irgendwann hatte man auch ein ganz menschliches Bedürfnis und die Natur meldete sich. So gingen mein Onkel und ich zur Toilette. Wir waren sehr überrascht, als die Tür des Häuschen Marke Donnerbalken aufflog, und eine Frau lachend herrauskam:“Joa leck´s mi om Oasch“! Soa Aussicht, vom Scheissheißel hoab I joa noch nia net gesehen!“ Wie schön, dass man manchen Menschen mit so einem Klo eine solche Freude machen kann! Mein Onkel und ich mussten allerdings dann ebenfalls feststellen, dass die Aussicht vom stillen Örtchen wirklich nicht von schlechten Eltern war, im Gegenteil. Wie nett, das die Dame uns noch darauf aufmerksam gemacht hat. Der Abstieg verlief dann relativ unspektakulär. Wir trafen noch ein paar Niederländer aus der Nähe von Venlo, mit denen ich mich auf niederländisch etwas unterhalten habe, die aber auch etwas Deutsch sprachen, und so wurde es noch eine ganz lustige Seilbahnabfahrt.
An nächsten Tag ging es auf die Seiser Alm. Wir fuhren also zur Seilbahn und entschwebten mit dieser hinauf auf die Seiser Alm, die teilweise einer großen Baustelle gleicht. Von dort gingen wir ein Stück und fuhren mit einer weiteren Seilbahn zur Panoramahütte auf 2.009 Metern hoch. Danach sind wir in leichter Wandrerei bis zur Rosszahnscharte gewandert und stießen unterwegs auf eine kleine Kuhherde, die dachten ich hätte Leckerein dabei. Als sie feststellten, dass dies nicht so war, beschlossen sie spontan den Elektrozaun - es war kein Strom drauf - zu futtern. Mein Onkel, welcher Bauer war, zog ihnen die Plastikschnur direkt wieder aus dem Mund und Rachen, da die Tiere sonst daran verenden würden.
An der Rosszahnscharte angekommen stiegen wir dann in Serpentinen, welche nicht ohne waren, hinauf zum Joch und gingen von dort aus weiter zur Tierser Hütte, die übrigens sehr, sehr schön ist. Nach einer ausgiebigen Rast stiegen wir dann den Normalweg wieder ab. Dieser stellte sich allerdings als viel weniger attraktiv heraus und kann von uns - auch wenn er viel leichter ist - nicht empfohlen werden.
Am letzten Tag fuhren mein Vater und mein Onkel mich hoch zum Karerpass. Die beiden wollten sich dort den Latemar näher betrachten und um später das Labyrinth unterhalb des Latemar zu begutachten.
Ich wurde derweil von meinem Bergführer, Herrn Welscher abgeholt, der neben mir an diesem Tag auch noch zwei Berliner, einen Südtiroler Nachbarn sowie einen Italiener namens Marco auf die Marmolada begleiten wollte.. So fuhren wir dann zum Largo di Fedaia, um dort mit einem Korblift hinauf zu fahren. An der Bergstation angekommen ging es über plattiges Gestein. Ich hasse (!) plattiges Gestein. Dem Weg 606 Richtung Westen folgend, ging's um eine Felsnase zum Gletscher. Dort wurden die Steigeisen angelegt, und wir banden uns inkl. Bergführer zu einer Sechserseilschaft zusammen. Er ging vor und wir alle hinterdrein. Erst die Berliner, dann ich, dann der Südtiroler und zum Schluss Marco der Italiener, mit dem ich mich übrigens sehr gut verstanden habe. So stiegen wir dann in Serpentinen den Gletscher empor bis wir auf ca. 2.800 Metern Höhe den Einstieg zum Westgratklettersteig - auch Hans-Seyffert-Weg genannt - kamen. Dort wurde eine kurze Pause von fünf Minuten gemacht, denn Bergführer haben es grundsätzlich immer eilig.
Wir wurden zum wiederholten Male zum Trinken aufgefordert, und die beiden Berliner wurden wieder ins Seil eingebunden. Wir drei andere Jungs nicht. Auf Nachfragen, warum denn nicht - denn so ein Seil gibt doch Sicherheit - meinte unser Bergführer nur, dass Marco und der Südtiroler das zu können haben, denn sie seien aus Südtirol und bei mir hätte er es gesehen, das würde schon passen. Aha, na gut, der Mann wird wohl wissen, was er da tut. Also noch schnell das Ferrata-Set angezogen und ab ging es in den Westgratklettersteig, der am Anfang sehr plattig und ist und erst nach 5 Minuten nach dem Erreichen der Marmoladascharte anfängt so richtig an Spaß zu machen. Es ging die ganze Zeit steil aufwärts über Bügel, Tritteisen, merkwürdige Leitern und natürlich über Fels. Kontakt mit Letzterem hat man übrigens eher selten, denn es wird weniger am Fels geklettert, als vielmehr am Eisen hochgezogen.
Zumindest empfand ich das so und der Bergführer meinte auch, wenn man klettern will, dann sollte man auch klettern gehen und nicht auf einen Klettersteig. Aha, so ist das also. Auf einem Buckel (3183 Meter) unterhalb des Gipfels gab es dann auch wieder mal fünf Minuten Pause zum Trinken. Noch 1 Stunden bis zum Gipfel. Und hier beginnt wirklich der schönste, aber auch technisch leichteste Teil des Klettersteiges. Man steigt ein kurzes Stück auf, und dann geht es über einen verdammt schmalen Grat ca. 1,50 -2 Meter breit, weiter hinauf. Rechts und links geht es mehrere hunderte Meter in die Tiefe. Dass die Aussicht von dort selbst bei unserem bewölkten Wetter grandios war, muss wohl kaum erwähnt werden. Für Nichtschwindelfreie muss das der Horror sein, aber für Bergsteiger der reinste Genuss. Dann ging es immer weiter teilweise mit und teilweise ohne Eisen am Grat entlang und zum Schluss über ein Altschneefeld hinauf zum Gipfelkreuz wo sich alle mit dem obligatorischen „Berg Heil, Kamerad“ die Hand gaben. Jeder machte sein Gipfelfoto und Herr Welcher missbrauchte das Kreuz als Turngerät. Wenn man sich das beiliegende Foto genauer ansieht wird man feststellen, dass ich ein wenig das Gesicht verziehe, was daran lag, dass mir etwas schwindelig war. Herr Welscher, sagte mir, dass er denkt, es läge an diesem diffusen Licht, das an diesem Tag an der Marmolada herrschte, da ich offensichtlich genug getrunken hatte und auch genügend akklimatisiert sei. Egal mir war auf jeden Fall schwindelig und so habe ich erstmal kräftig meinen Blutzucker angekurbelt.
Nach einer Stunde ging es dann in etwas unter zwei Stunden über den Normalweg wieder hinab zur Bergstation. Also erstmal über das Altschneefeld in der Seilschaft wieder runter. Erst der Südtiroler, dann meine Person, dann Marco und zum Schluss die beiden Berliner und der Bergführer. Wir folgten den Spuren unserer Vorgänger bis zum Einstieg des Klettersteiges, der im Normalweg eine Felsstruktur überwindet, um danach weiter über den Marmoladagletscher abzusteigen. Dort „spielten“ wir dann Spaltenspringen. Also der erste Mann geht mit dem zweiten bis zur Spalte, damit genug Seil vorhanden ist, nimmt dann kräftig Anlauf und springt über die Spalte. Dabei ist darauf zu achten, dass man sich nicht mit den Steigeisen die Hosen zerfetzt – zum Glück ist das keinem passiert. Dann kam ich an die Reihe und dann Marco usw.. Da die Spalten zu diesem Zeitpunkt nicht sehr groß waren, war das kein Problem. Was ich persönlich aber extremst unsexy fand, war folgendes. Der Südtiroler springt auf eine Schneebrücke und läuft drüber.
Ich soll hinterher springen und mache dies auch und was passiert???
Genau: das doofe Teil gibt nach und ich hänge halb in der Spalte drin. Wieder raus gezogen und weiter geht’s. Mann, bin ich froh, dass die nicht so breit war. Man kann gar nicht so schnell reagieren, wie man da reinfällt, Das war wirklich irgendwie etwas gruselig. Auf jeden Fall sind wir alle wieder gut unten angekommen und hatten einen schönen Tag. Die Steigeisen noch kurz ausgewaschen und über diese verdammten Platten auf dem Weg zur Bergstation geflucht und dann war alles okay.
Die Rückfahrt aus dem Urlaub war bis auf einen Stau bei Koblenz auch kein großes Problem und so sind wir sicher und gesund wieder zu Hause angekommen.
Fazit: Die Dolomiten sind einfach paradiesisch, vor allem wenn man schönes Wetter hat. Aber auch bei nicht so gutem Wetter kann man sie besuchen. Wer immer schon selber auf einfache Weise auf einen 3.000er wollte dem sei der Piz Boé wirklich ans Herz gelegt. Die Königen der Dolomiten, also die Marmolada, über den Westgratsteig zu besteigen ist einfach nur gigantisch und ein wirklich tolles Erlebnis, das jeder Bergsteiger mal erlebt haben muss. Ich werde diese Tour auf jeden Fall noch mal machen – dann aber bei besserem Wetter.
Bis zum nächsten Tourenbericht