Markus Schröder,der erst im letzten Jahr dem Verein beigetreten ist und sich in kürzester Zeit vom Anfänger zum versierten Felskletterer gesteigert hat, nahm Ende Juni zum erstenmal an einer Hochgebirgstour des Bergsteigervereins teil und schildert hier seine Erlebnisse:
Meine Familie und ich hatten schon einige Tage im Allgäu verbracht als Josef Andres, Rudi Berners, Eckhard Klinkhammer und Rene Warzecha sich in Hinterstein einfanden um die geplante Bergtour zu beginnen. Am Abend des 29.6. trafen wir uns beim ehemaligen Bergführer Edmund Besler um in dessen Scheune zu übernachten. Edmund hatte die Scheune seines für die Gegend untypisches Walserhauses mit zahlreichen Matratzen ausgelegt um Touristen zu beherbergen.
Nach dem kleinen Spaziergang, zu dem Rudi uns ermunterte, schlief man recht gut in diesem ungewohnten Schlafgemach. Der Duft von frischem Heu, vermischt mit dem Gestank der Kaninchen, dazu das Gebimmel der Halsglocken von Edmunds Schafen und die Gewißheit, daß auch die Schwalben in ihrem Nest in der Scheune ihre Äuglein zugemacht haben ließen mich ganz sanft in die Welt der Träume sinken.
Am Morgen folgte dann die Ernüchterung: Es regnete in Strömen. Beim Frühstück staunten wir über Edmunds Sinn für Reinlichkeit. Das Frühstücksbrot putzte er vor dem Schneiden erst einmal mit einem Lappen "sauber". Geschmeckt hat es trotzdem, und so gestärkt wanderten wir um 6 Uhr los. Über einen befestigten Weg gingen wir am Giebelhaus vorbei um dann dem schmalen Steig bis zum Prinz-Luitpold-Haus zu folgen.
Kurz nach Mittag erreichten wir das Prinz-Luitpold-Haus. Nach einer kleinen Brotzeit und einer ausgiebigen Pause beschlossen Rudi, Eckhard Rene und ich, noch schnell den Hochvogel zu besteigen. Zunächst ging es über steile Schneefelder zum Grat des Kreuzspitz, dann hinunter zur Scharte zwischen Kreuzspitz und Hochvogel, wo Rudi zurückbleiben wollte. Wir anderen stiegen weiter zum Hochvogel auf und wurden in 2500m Höhe von dichtem Nebel umgeben. Da die Kondition und die Moral von Rene und mir schon etwas angekratzt war, beschlossen wir auf den Gipfel und die 93 Höhenmeter, die uns davon noch trennten, zu verzichten. Als wir im Abstieg Rudi trafen, war der schon auf dem Kreuzspitz gewesen, hatte also als einziger von uns auf einem Gipfel gestanden.
Beim Aufstieg über die Schneefelder unterhalb des Kreuzspitz hatten Rene und ich die Ankündigung von Rudi und Eckhard für Bergsteigerlatein gehalten, wir würden im Abstieg die Schneefelder auf den Schuhen abfahren, ganz so, wie man sonst mit Skiern die Hänge hinabgleitet. Als wir jetzt das obere Schneefeld erreichten machten Rudi und Eckhard ernst. Eckhard fuhr zuerst über das 45° steile Schneefeld ab. Dann war ich an der Reihe. Nachdem es anfangs ein paar Stürze gab, die im weichen Schnee aber nicht wehtaten, machte es nachher richtig Spaß, als es mit der Abfahrtechnik so richtig klappte. Um Zusammenstöße zu vermeiden folgten uns Rene und Rudi in ausreichendem Abstand.
Am nächsten Morgen gingen wir, durch die nächtliche Abschlußfeier eines Bergwachtlehrganges etwas um den Schlaf gebracht, auf einem kleinen, lehmigen Pfad in Richtung Edmund–Probst-Haus am Nebelhorn. Über zahlreiche Schneefelder ging es zum Laufbacher Eck, über den Grat des Ecks hinüber und weiter über einen vom Regen aufgeweichten Steig. Allmählich wurde das Wetter besser und die vielen Murmeltiere, die wir vom Pfad aus sehen konnten, hoben die natürlich zusätzlich die Stimmung. Während einer Rast konnten wir Alpendohlen füttern und einige Gemsen beobachten. Am Edmund-Probst-Haus angekommen hatten wir noch eine schöne Aussicht auf die umliegenden Berge. Die Aussicht und das gebesserte Wetter muß wohl auch den Gleitschirmflieger angelockt haben, dem wir beim Start und beim Hinabgleiten nach Oberstdorf zusehen konnten.
Am Sonntag, den 2. Juli, morgens um 8 Uhr starteten Rudi, Eckhard, Rene und ich zum eigentlichen Ziel unserer Fahrt, der Hindelanger Klettersteig. Josef mußte die Tour leider abbrechen. Am Vortag hatte er schon über Schmerzen im Knie geklagt, und über Nacht war Reine Besserung eingetreten.
Etwa um 9 Uhr stiegen wir am Nebelhorn (2224m) in den Klettersteig ein. Es regnete ständig, weshalb die Felsen alle etwas rutschig waren. Aussicht gab es nur auf den Nebel, der uns ständig umgab. Endlich wissen wir, wie es zur Namengebung für das Nebelhorn gekommen sein muß. Über einzelne gesicherte Kletterpassagen erreichten wir den Westlichen- und östlichen Wengenkopf (2235 und 2237m). Nun ging es weiter den Grat entlang. Vor dem Großen Daumen (2280m) beschlossen wir abzusteigen. Das Wetter wurde zusehends schlechter und wie ein Klettersteig im Allgäu aussieht, wußten wir ja nun. Da auch der weitere Verlauf keine Steigerung mehr bot, lag es nahe, hier ins Tal abzusteigen.
Also wanderten wir am Engeratsgundsee (1878m) vorbei zur Käser Alp. Mittlerweile wurde das Wetter etwas besser. Den weiteren Weg zum Engeratsgundhof sind wir eher abgefahren als abgestiegen. Diesmal aber nicht auf Schnee, sondern in einem lehmigen, oft überknöchelhohen Matsch. Am Engeratsgundhof angekommen kann sich jeder vorstellen, wie wir aussahen. Wir marschierten mit unserem Zusatzgewicht an Lehm, der an unseren Schuhen klebte, zum Giebelhaus. Inzwischen hatte das Wetter sich wieder verschlechtert, und es goß wie aus Kübeln. In diesem Regen, der uns gründlich vom Lehm reinigte, legten wir den Weg bis nach Hinterstein im Eiltempo zurück.
Wieder bei Edmund Besler angekommen, waren wir mehr als naß. Aber schon nach kurzer Zeit ging es uns wieder gut. Rudi holte noch Josef ab, der vom Edmund-Probst-Haus nach Oberstdorf absteigen wollte. Als die Beiden ankamen hatten wir noch einen gemütlichen Abend, bevor Rudi, Eckhard und Josef Rene und mich am nächsten Morgen bei meinen Eltern in Tiefenbach absetzten und nach Hause fuhren.