Datum: 17. 07 2014
Autor: Armin Zalfen
Da war es wieder mal soweit. Zwei von uns hatten schon im vorletzten Jahr bei Holger einen Kurs mit Lust auf mehr absolviert und auch andere wollen mal hoch hinaus. Und so wurden potentielle Teilnehmer und Flachlandtiroler für einen Mehrseillängen-Kurs schon lange im Vorfeld bequatscht, um uns langsam dem Thema der größeren Kletterhöhen zu widmen und Erfahrungen für noch mehr zu sammeln. Nicht, dass man irgendwann unvorbereitet in einer Route hängt und blockiert nur noch sagen kann "huch, da geht es aber hoch hinunter".
Zu Hause wurden zuvor schon einfache Standplätze und die üblichen Knoten geübt, damit alles im Schlaf funktioniert. Die ersten Mehrseillängen kletterten wir also an der Münstereifeler Bigwall. Am Freitag-Morgen reisten Markus, Rolf, Jo und ich - leider um den armen Tameer wegen Magen-Darm-Grippe dezimiert - mit großem Tatendrang und zur Erkundung der kurzen Routen in Warstein an.
Doch da setzten schon die ersten déjà-vus ein. Die Temperaturen und die Feuchtigkeit von oben kannten zwei von uns schon aus dem Grundkurs vor zwei Jahren. Trotzdem fanden wir ein paar schöne leichte, halbwegs trockene Routen und eine kurze VI- mit tollen Moves. Abends dann wie vor zwei Jahren: Standplatzbau-Übungsgelände Garderoben-Nordwand, die aber diesmal im Süden des Raumes zu finden war. Trotzdem war die Wand als leichtes Gelände für Trockenübungen und Theorie auf großzügigem Standplatz ohne drohende Krämpfe in den Beinen sehr gut zu gebrauchen. Inzwischen war auch Sonja als fünfte Teilnehmerin zu uns gestoßen, so dass wir nunmehr vollzählig auch das korrekte Einlegen des Halbmastwurfes in den zur Sicherung zu verwendenden Schraubkarabiner austüfteln und üben konnten. Damit nach dem Einlegen des HMS-Knotens das Bremsseil letztlich auch am "gesunden" Schenkel des Karabiners verlief, entwickelte jeder so seine eigene Taktik mit Mauseöhrchen oder anderen Seileinlegeschritten.
Am Samstagmorgen schritten wir in einem Steinbruch bei Bestwig bei lausigen Temperaturen zur Mehrseillängen-Tat bis sich drei Seilschaften in etwa 35m Höhe nebeneinander begrüßen konnten. Bei möglichst vielen Standplätzen in der kurzen Wand konnten wir gut üben, wie das Seil zwecks Vermeidung von Seilsalat über den eigenen Sicherungsstrang in kürzer werdenden Schlaufen zu legen und je nach Kletterführung an den Partner zu übergeben ist. Auch der Aufbau des Standplatzes sollte so durchdacht sein, dass bei Wechselführung der Nachsteiger zum Vorsteiger werdend murksfrei am Sicherer vorbei klettern und man die Sicherung noch ordentlich bedienen kann. Beruhigend, dass dabei auch geübtere Bergsteiger unserer Runde ebenfalls öfter ansetzen mussten, um den Mastwurf oder den Halbmastwurf am Karabiner korrekt zu fabrizieren.
Spätestens beim Abseilen von Stand zu Stand schien es, dass das viele Seil-Einholen beim Aufstieg und beim Abstieg fast die meiste Kraft kostet. Während die schlappen Arme noch mit dem erneuten Auswerfen des Seiles beschäftigt waren, beschwerten sich schon die Beine, deren Blutzufuhr im Gurt sitzend auf Dauer auch nicht besser wurde. Gut, wenn man bei Auswahl des Gurtes schon Sorgfalt hatte walten lassen. Sorgfalt ist auch am Einstieg schon gefragt, damit nicht alle Knoten in der Anseilschlaufe ein Meeting abhalten und für Notfälle kein Platz mehr für andere Zwecke dort ist. Also wurde der Anseilknoten immer durch den Beinschlaufensteg und die Hüftschlaufe gesteckt.
Nach einer weiteren Runde mit Partnerwechsel zogen wir wieder Richtung Warstein ab, nicht ohne uns in einem Café in Bestwig an einem Kaffee zu wärmen.
In Warstein erwartete uns wärmetechnisch ein Kontrastprogramm. Im nach Süden offenen Kletterbereich des Hillenbergsteinbruchs war die Sonne so stark, dass kurz- aber nicht hemdsärmelig geklettert werden konnte. Und so konnte sich unsere wechselwarme Dreamteam-Echse schnell mit Exen bewaffnet als erstes für die gut 40m hohe Wand erwärmen. Während dies also bei Jo ganz gut funktionierte, verstiegen sich andere etwas: Ich hatte mich im oberen Teil der Wand bei der Routensuche nicht wirklich zurecht gefunden. Es war halt alles echt und vermutlich als Warnung zu verstehen, dass man klein anfangen und auch immer ein Topo dabei haben und es auch nutzen sollte. Weil ich genau das nicht tat und das Topo sich derweil in meiner Hosentasche langweilte, hatte ich eine schöne Zickzack-Linie nach oben gelegt, die beim Abbauen ein wenig Kreativität und eine "Seilbahn" verlangte. Dazu war es notwendig eine Exe ins aufsteigende Seil zu hängen und sich dann mit dieser am Gurt festzumachen. Andernfalls hätte ich die verwendeten Exen in der Wand lassen müssen, denn man kommt nicht unbedingt immer dort beim Ablassen vorbei, wo man zuvor aufgestiegen ist. Während dessen frischte Holger Sonjas Kenntnisse zur korrekten Handhabung von Seil und Exen beim Vorstieg auf.
Zum Abschluss des Tages hatten es aber noch alle Teilnehmer zumindest bis zum ersten Standplatz geschafft und alle sind auch heil wieder runtergekommen, obwohl auch hier wie in alpinem Gelände immer mit Steinschlag zu rechnen war. Allein durch das Abziehen des Seiles beförderten wir einige der vielen losen Steinchen nach unten. Wie immer beim Klettern an echtem Fels galt "Drum prüfe fix, wer sich per Griff oder Tritt an einen Brocken bindet, ob sich nicht was Festeres findet".
Holger wirkte bei allen Aktionen recht entspannt und lobte uns auch für die gute Vorbereitung, so dass nur Feinheiten korrigiert werden mussten. Er konnte gar nicht verstehen, warum einige von uns noch nicht in den Alpen beim Klettern waren. Schließlich sind wir im Alpen- und nicht im Eifelverein. Andererseits zeigten mir der Kurs und die verschiedenen Missgeschicke auch nochmal eindrücklich, dass kleine Fehler sich gravierend und nicht immer unmittelbar auswirken können. In dem Wissen, dass einem in einer echten langen Route in den Alpen womöglich auch noch Wetter und Zeit im Nacken sitzen könnten, besuche ich doch lieber mal einen guten Vorbereitungskurs.
Während der Nacht, wie vor zwei Jahren, "grüßten dann die Warsteiner", die Feierwütigen. Nach der musikalisch untermalten Nacht muss es dem nächsten Morgen etwas vor unseren verschlafenen Gesichtern gegraut haben. Aber anschließend lachte beim sonntäglichen Zusatzprogramm wieder die Sonne über uns. Holger konnte uns nach bereits erreichtem Kursziel noch zeigen, wie man ein Seil hinauf prusikt und gab uns noch ein paar Tipps zum Versenken von Keilen und Friends. Für alle, die unausgeschlafen oder zukünftig mal etwas Hilfe über ein schweres Teilstück brauchen, wurde noch die Handhabung eines Expressflaschenzuges besprochen und in die Praxis umgesetzt. Wenn der Nachsteiger eine schwere Stelle nicht ohne Unterstützung durch mehr Seilzug schafft, kann am Standplatz mit Hilfe eines weiteren Karabiners und einer Kurzprusik dieser Hilfsflaschenzug aufgebaut werden. Dazu wird um das vom Kletterer kommende Seil die Prusik gelegt und der dort eingehängte Karabiner dient als lose Rolle des Flaschenzugs für das Bremsseil. Gerade hier ist aber auch eine erste Anleitung wichtig, damit man sich im Ernstfall mit den dann vorhandenen drei Seilsträngen einig wird und der Nachsteiger sich nicht die komplette schwere Stelle schenken kann, weil er zwischenzeitlich die darunter liegenden Abschnitte nochmal im Zeitraffer begutachtet.
Sehr zufrieden und mit dem Willen, sich mal in den Alpen zu einfachen Mehrseillängen wieder zu treffen, gab es zum Schluss auch von den Teilnehmern ein dickes Lob an Holger für den gelungenen Kurs.