Vorbereitung:
Im Frühjahr diesen Jahres machte ich mich an die jährliche Urlaubsplanung. Als fixer Termin auf meiner Agenda war wie die letzten vier Jahre Rock am Ring. Die Tage nach so einer mehrtägigen feucht fröhlichen Veranstaltung hinterlassen Spuren. Ich entschloss mich daher diese Nachwehen nicht daheim im Garten auszukurieren, sondern auszuschwitzen. Nach dem Motto von „Rock am Ring“ zu „Climb over the Rocks“. Gerne hätte ich mich einer Tour von unserer Sektion angeschlossen; leider gab das Tourenprogramm das terminlich nicht her. Allerdings entdeckte ich beim Durchforsten des umfangreichen Programms, den Alpinen Basiskurs mit Holger Müller. Glücklicherweise ergatterte ich den letzten Teilnehmerplatz und hatte nun plötzlich zwei Urlaubstermine in den Alpen vor der Brust.
Nein falsch....es waren drei Termine, Voraussetzung für den Alpinen Basiskurs ist das Beherrschen mehrerer Knoten. Im Knotenkurs von Erwin Olligschläger wurden Knoten wie Ankerstich, Mastwurf, Halbmastwurf, Achter in gelegter und gesteckter Weise vermittelt.
Es ging also an die Vorbereitung des Alpinen Basiskurs. Holger hatte jedem Teilnehmer eine Liste mit den benötigen Utensilien gesendet. Reepschnüre, Karabiner, Bandschlingen usw. sollten in jedem Rucksack vorhanden sein. In einem Telefongespräch fragte mich Holger nach meinen vorhandenen Schuhen. Das Modell war leider nicht Steigeisenfest. Holger sagte ich bräuchte Steigeisen mit Körbchen, er würde mir diese Steigeisen aber mitbringen.
Nach einem Infoabend mit allen Beteiligten Teilnehmern kurz vor Rock am Ring stieg bei mir - und ich glaube auch bei allen anderen - die Vorfreude auf die gemeinsame Zeit auf der Franz-Senn-Hütte.
Sonntag:
Treffpunkt war der gebührenpflichtige Parkplatz der Oberrissalm am Sonntag 06.07.14 um 15 Uhr. Sonja, Bernd, Michael, Christoph hatten bereits einige Tage auf einem Campingplatz der Umgebung verbracht und hatten eine kurze Anreise. Günter, sein 16 jähriger Sohn Tim und ich hatten eine Fahrgemeinschaft gebildet und reisten in der Nacht von Samstag auf Sonntag an (Nochmals Danke an Günter). Alle Teilnehmer und unser Übungsleiter Holger erschienen pünktlich bei strahlendem Sonnenschein. Nun hieß es zunächst alle Gepäckstücke zusammenzutragen, um diese dann mittels Lift Richtung Franz-Senn-Hütte (2147m) zu schicken. Holger hatte einen großen schwarzen Materialsack, in dem sämtliches Gerödel verpackt war, u.A. auch die versprochenen Steigeisen. So wie mir von Holger aufgetragen wurde, habe ich das passende Körbchen mitgebracht.
Als Holger das praktische zusammenklappbare schwarze Einkaufkörbchen in meinen Händen erblickte, staunte er nicht schlecht und fragte, ob ich wisse, dass wir auf Bergtour gehen und nicht einkaufen. Ich werde wohl der erste und einzige sein, der auf der Hütte ein Körbchen mitführt. Der erste laute Lachen durchdrang die Bergluft. Ich hatte da wohl etwas falsch verstanden. Das Körbchen wurde aber mit auf den Lift verladen. Nach einer ca. einstündigen Wanderung im leichten Gelände erreichten wir unser Quartier für die nächsten Tage.
In den nächsten Stunden hieß es erst mal ankommen, einchecken und Gepäck im Matratzenlager verstauen. Holger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Übungsleitermodus eingelegt und gab uns wirklich sehr sinnvolle Tipps zum Verhalten auf einer Hütte. Ebenso übergab er uns aus seinem Materialsack diverses Bergsportmaterial, welches wir in einem kleinen Fach verstauen sollten. Glücklicherweise hatte ich mein Körbchen dabei. Ich hätte sonst nicht gewusst, wie ich den ganzen Kram hätte verstauen sollen....hihihi.
Beim anschließenden Abendessen - wir hatte alle die Bergsteigerhalbpension gebucht - wurde das Vorhaben der nächsten Tage besprochen. Auch wurden Aufgaben verteilt, die jeder abwechselnd zu erledigen hatte: Beschaffung der Wetterdaten, Planung der Tour mittels Kartenmaterial usw. Der Rucksackinhalt wurde zusammengetragen und bereits abends für den nächsten Tag gepackt. Um 22:00 Uhr war wie üblich Hüttenruhe angesagt.
Montag
Morgens um 07:00 Uhr hieß es frühstücken und Abmarsch zur vorderen Sommerwand. (2677m).
Michael plagte leider bereits seit einigen Wochen eine Erkältung und ihm fiel der Aufstieg schon sichtlich schwer. Dennoch kämpfte er sich bis kurz unterhalb das Gipfelkreuz, welches wir nach ca. 1¾ Stunden erklommen hatten. Leider blieb die belohnende Fernsicht auf die Stubaier Gipfel aus. Ein Tiefdruckgebiet war im Anmarsch und schickte schon die ersten Wolkenbänder über unseren Aufenthaltsort. Nach einer kleinen Rast gab Holger Informationen und Funktionsweisen über unsere Bergschuhe. Es ist schon beeindruckend welche Schräglagen mit solchen Sohlen heutzutage auf Fels möglich sind. Wir machten sprichwörtlich erste Gehversuche in weglosem Gelände. Beim Abstieg durchquerten wir ein kleines Schneefeld, aber nicht bevor uns Holger die richtigen Vorgehensweisen beim Betreten der weißen Pracht erläuterte. Auch das richtige Abfangen nach einem Ausrutschen auf so einer Fläche wurde geübt. Da kam beim ein oder anderen nochmal das Kind im Manne bzw der Frau zu Tage.
Auf dem anschließenden Abstieg war es uns gegönnt eine Wolkenlücke auszunutzen und schon mal den Alpeiner Gletscher unterhalb der Inneren Sommerwand zu erblicken. Dorthin sollte uns unser Weg diese Woche noch führen. Aber dazu war noch einiges zu erlernen.
Montag Nachmittag:
An der Franz-Senn-Hütte angekommen haben wir erst mal gemütlich eine Tasse Kaffee getrunken. Dabei entschlossen wir uns noch den Edelweis Klettersteig in unmittelbarer Nähe der Hütte zu erklimmen. Am Einstieg fing es jedoch schon leicht an zu tröpfeln und eine Gruppe vor uns blockierte uns den Weg. Sonja, Bernd und Michael verzichteten auf den Einstieg, haben es sich aber nicht nehmen lassen uns bei unserem Vorhaben zu beobachten. Tim, Günter, Holger, Christoph und ich entschlossen uns im unteren Drittel des Klettersteigs auf Grund des immer stärker werdenden Regens den Aufstieg abzubrechen. Holger hatte glücklicherweise an entsprechende Ausrüstung zum Abseilen gedacht.
Lobend sei zu erwähnen, dass auch die unten im strömenden Regen wartenden Teammitglieder, nicht zurück in die Hütte und damit ins Trockene gingen, sondern uns durch ihre Anwesenheit unterstützten.
Nachmittags hatte sich der Regen verzogen und wir erlernten das Errichten eines Standplatz und Abseilen. Bernd erschien das Abseilen etwas unheimlich aber nach einiger Zeit und gutem Zusprechen überwand er sich und stellte sich nahezu im 90 Grad Winkel an den Fels.
Heil unten angekommen wollte er direkt nochmal. Den Abend ließen wir dann gemütlich auf der Hütte ausklingen. Der täglich gegen 16Uhr vom Wetterdienst erscheinende Bericht für den Folgetag verhieß nichts gutes. Das Tiefdruckgebiet sollte unser Wetter weiter bestimmen.
Dienstag:
Es kam aber weniger schlimmer als erwartet und so konnten wir uns auf den Weg zu einem kleinen Klettergarten mit Übungsklettersteig machen. Der kurzweilige Weg führte uns entlang des mäandernden Alpeiner Bach, der seinen Ursprung im Alpeiner Ferner hat. Mit Klettersteigset, Helm und Handschuhen machten begaben wir uns in den sogenannten Übungsklettersteig. Alle meisterten diesem mit Bravour. Oben angekommen hieß es Standplatzbauen und Abseilen. Erst hier erkannten wir, dass Holger uns nicht den Übungsklettersteig hat erklimmen lassen, sondern den anspruchsvolleren mit ausgesetzten Stellen. Im Anschluss stand noch der Höllenrachen auf dem Tagesprogramm. Es handelt sich dabei um eine klammartigen Klettersteig. Der Alpeiner Bach hat hier mit all seiner Macht besondere und vor allem rutschige Felsformationen hinterlassen.
Der krönenden Abschluss des Klettersteigs ist eine Überquerung des Bachs mittels Stahlseil und Rolle.
Der versprochene Regen blieb am Nachmittag nicht aus, so dass eine „Trockenübung“ der Rettung aus einer Gletscherspalte in Hüttennähe sprichwörtlich ins Wasser fiel. Es blieb uns nichts weiter übrig als den restlichen Tag auf der Hütte zu verbringen. So konnten wir uns bei dem eine oder anderem Kaltgetränk auf das abendliche WM Spiel Brasilien-Deutschland vorbereiten. Der Hüttenwirt hat es sich nicht nehmen lassen eine riesige Leinwand zu enthüllen und die Hüttenruhe nach hinten zu verschieben. Wie dieses legendäre Spiel ausging muss ich hier glaub ich nicht erwähnen.
Die Tagesplanung für Mittwoch verschoben wir auf den Morgen, um spontan auf das Wetter reagieren zu können.
Mittwoch:
Nach Rücksprache mit dem Hüttenwirt und anderen Gruppen, erschien es uns möglich, erste Gehversuche in Seilschaft auf dem Alpeiner Gletscher zu unternehmen. Leider hatte sich Michaels Erkältung verschlimmert und er entschied sich ins Tal abzusteigen.
Christoph begleitete ihn, da sie eine Fahrgemeinschaft gebildet hatten. Die restlichen Teammitglieder machten sich bei bedecktem Himmel und Nieselregen auf den Weg zum Gletscher. Ca. 2,5 – 3 Stunden dauerte der Aufstieg. Das Gewicht des schweren Seils wurde brüderlich unter den Teilnehmern geteilt. Gentlemenlike wurde natürlich Sonja von dieser Last ausgenommen.
Am schneebedeckten Gletscher, es hatte die Nacht Neuschnee gegeben, wurde ausführlich das Vorhaben besprochen und die Ausrüstung samt Steigeisen mit Körbchen :) angelegt. Zu diesem Zeitpunkt kam mir quasi die Überschrift des Reiseartikels in den Sinn. Auf dem Gletscher drehten wir eine große Schleife, in dem wir die Eigenheiten des In-Seilschaft-Gehens zu spüren bekamen. Einer zieht, der andere hat zu viel Schlappseil, aber nach kurzer Zeit setzte sich unser Teamgeist durch und wir kamen gut und sicher voran.
Holger zeigte uns wie man eine Eisschraube im hoffentlich ewigen Eis befestigt um daran einen sicheren Standplatz für mehrere Gletschergänger zu schaffen. Im tieferen Schnee wurde der sog. Tote Mann vergraben. Im Falle eines Absturz eines Seilpartners in eine Gletscherspalte haben die Retter die Möglichkeit sich auch im tiefen Schnee ohne Verarbeitung einer Eisschraube festen Halt zu verschaffen. Ein Versuch die aus dem Schnee herausgeführte Bandschlinge herauszuziehen endete kläglich. Eine wirklich stabile Sache.
Holger zeigte uns noch vom Gletscher aus, sein Vorhaben für den nächsten Tag. Die Innere Sommerwand, dreitausendeinhundertzweiundzwanzig Meter über dem Meeresspiegel. Für alle Teilnehmer der erste 3000er. Beim anschließenden leicht verschneiten Abstieg zur Hütte, konnte man nur hoffen, dass sich das Wetter für diese Besteigung noch bessern würde. Abends nach dem Essen und beim Studieren der Wetterdaten wurde beschlossen, es zumindest zu probieren.
Donnerstag:
Morgens um 05:30 Uhr war Frühstück geplant. 06:15 Abmarsch. Gletschergeher sind nicht ohne Grund Frühaufsteher wie wir in der letzten Woche gelernt haben. Es heißt spätestens am frühen Nachmittag wieder vom Gletscher abgestiegen zu sein. Die Sonne hat bis zu diesem Zeitpunkt den Schnee in Sulze verwandelt. Sonne war aber zunächst gar nicht in Aussicht. Wir machten uns dennoch auf den Weg. Ca. 3,5-4 Stunden sollte der Aufstieg mit fast 1000 hm dauern. Am Fuße des Gletschers riss die Wolkendecke auf und das Tragen der Gletscherbrille war unverzichtbar.
Es war ein wirklicher beeindruckendes Erlebnis in Seilschaft den Gletscher zu überwinden. Als kleines Schmankerl erwartete uns nach dem Gletscher noch eine ca. 20 minütige Kletterpassage. Das Gipfelkreuz war erreicht und das strahlen in den Gesichter hätte nicht größer sein können. Es war uns sogar ein kurzer Rundumblick auf die prachtvollen Gletscher gegönnt. Ein Eintrag im Gipfelbuch mit Hinweis auf unsere Sektion Eifel wurde natürlich auch vollzogen.
Beschwingt vom Gipfelglück und gestärkt nach einer kleinen Rast am Fuße des Gletschers verlief der Abstieg problemlos. Es war für alle ein wunderschönes Gefühl einen 3000er bestiegen zu haben. Die Euphorie wollten wir uns am nächsten Tag nicht vom erheblich schlechteren Wetter nehmen lassen, so dass wir uns entschieden von der Hütte abzusteigen und den Heimweg anzutreten.
Ich denke ich kann hier als Autor für alle Teilnehmer sprechen und sagen, dass es eine wunderbare Woche war. Wir haben sehr viel gelacht, gelernt und sind noch mehr gefesselt von den Bergen als schon zuvor.
Ein großes Dankeschön an Holger und die Sektion Eifel.