Am frühen morgen des 27. Juli 2014 starteten wir (Manfred und Niklas Mäder, Reiner Maier und Johannes Küpper) unsere Hüttentour mit der Fahrt von der Eifel aus nach Scharnitz in Österreich zum Ausgangspunkt unserer Tour. Nach etwa 9 Stunden Fahrt erreichten wir dann den Wanderparkplatz in Scharnitz, wo unser Auto für die nächste Woche abgestellt wurde.
Alle waren guter Dinge und kurze Zeit später machten wir uns, mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken, auf den zweistündigen Weg zur Pleisenhütte, auf dem wir ca.700 Höhenmeter zurücklegen mussten. Zunächst ging es kurz entlang der Isar bis wir auf einen Fahrweg gelangten, der stetig zur abgelegenen Hütte bergauf führte. Etwa auf halbem Weg kam uns dann der Wirt mit seinem Auto entgegen und stimmte uns fröhlich, dass die Hütte nicht mehr weit sein könne, denn schon erste Hungergefühle machten sich breit. Bald erhaschten wir dann auch die ersten Blicke auf die imposanten Felsmassive des Karwendelgebirges und erreichten die auf 1757 Meter gelegene Pleisenhütte. Die Wirtin Simone begrüßte uns herzlich und teilte uns sofort mit, dass wir heute Nacht die einzigen Gäste wären und freie Bettenwahl hätten. Trotz fehlendem Strom, eiskaltem Bergwasser im Waschraum und Plumpsklo gefiel uns die Hütte sofort und dieser Eindruck bestätigte sich auch beim Abendessen im Kerzenschein. Während wir aßen kam dann auch der Wirt wieder zurück, aber nicht wie erwartet mit dem Auto, sondern mit dem MTB, was uns nach dem zweistündigen Aufstieg sehr beeindruckte. Wir hofften auf gutes Wetter am nächsten Tag und schliefen, ganz alleine und ohne jedes Geräusch von außen, sehr erholsam in unserem kleinen Lager.
Am nächsten morgen standen wir dann sehr zeitig auf, da uns der achtstündige Toni-Gaugg-Weg bevorstand. Das Wetter stand auf unserer Seite und die uns umgebenden Bergspitzen hoben sich sehr schön vom morgendlich blauen Himmel ab. Nach einem guten Frühstück packten wir unsere Sachen und starteten den Weg zum Karwendelhaus um 6.30 Uhr. Hinter der Pleisenhütte stieg der Weg dann langsam aber stetig durch die Latschenkieferwälder an, bis wir zur Abzweigung zum Hausberg, der Pleisenspitze, kamen. Dort startet dann der eigentliche Toni-Gaugg-Weg und das vorerst letzte Schild wies uns darauf hin „Nur für Geübte!“.
Langsam aber sicher wurden auch die Latschenkiefern immer weniger und wir erreichten über den hinteren Pleisengrat den sogenannten Kuchl, von wo aus wir erstmals einen herrlichen Blick ins breite Hinterkar hatten, in das wir aufsteigen mussten. Über einen grasbewachsenen Rücken ging es dann über einen Steig in eine Geröllrinne, die die erste schwierige Stelle an diesem morgen darstellte. Begleitet von zahlreichen Gämsen ging es dann stetig den Grashang des Hinterkars hinauf, wobei orange markierte Pfähle, auf den Weg hinwiesen. Danach wurde die Landschaft immer karger und grüne Flächen wurden immer rarer. Schließlich wanderten wir durch eine mit Schneeresten bedeckte Mondlandschaft Richtung Breitgrieskarspitze hinauf, wobei der Weg immer schlechter markiert war. Bei Nebel oder Gewitter wäre hier eine Orientierung kaum möglich gewesen. Wir erreichten den breiten Kamm, der das Hinterkar abgrenzt, und fanden erst nach kurzer Suche den Einstieg in die Westflanke der Breitgrieskarspitze. Zuvor waren wir bereits durch ein sehr kräftezehrendes Schotterfeld steil bergauf gestiegen, hatten aber dann den Abzweig verpasst Richtung Westflanke verpasst.
Hier folgte dann die zweite knifflige Stelle des Tages, denn wir mussten mit unserem schweren Gepäck ca. 50 HM zum ausgesetzten Südgrat aufsteigen, wobei im brüchigen Karwendelgestein ein wenig Felsklettern notwendig wurde. Mit ca. 2500 Metern Höhe ist hier auch der höchste Punkt der gesamten Tour erreicht und uns bot sich ein herrlicher Panoramablick.
Rechtsseitig des Südgrats lag nun das Hinterkar und zur linken Seite hin zeigte sich die Breitgrieskarscharte mit der Biwakschachtel erstmals. Untermal von massiven Felsabbrüchen der Breitgrieskarspitze gelangten wir dann über ein Schotterfeld zur eben genannten Biwakschachtel in der Breitgrieskarscharte auf 2388 Metern. Die Biwakschartel diente uns als Rastplatz für eine schöne Mittagspause mit Panoramablick auf die Breitgrieskarspitze.
Die Biwakschachtel machte ihrem Ruf als Notunterkunft alle Ehre, der kleine Innenraum ohne Isolierung wirkte nicht wirklich komfortabel und bewegte uns zum Weitergehen Richtung Karwendelhaus. Von dort aus ging es nocheinmal kurz steil bergauf zur Seekarscharte, von wo aus wir nun ins benachbarte Karwendeltal hinunterblicken konnten. Ein letztes Mal sahen wir die sommerlichen Schneereste bevor wir dann von Gämsen begleitet durch das mit Mulden und Grashängen versehene Marxenkar querten. Vor uns baute sich ein mächtiger Rücken auf, der uns vom Brendelsteig zum Karwendelhaus im Schlauchkar trennte. Alle fragten sich - gehts da jetzt wirklich rauf? - denn die Wand erschien uns sehr steil. Am Einstieg angelangt sahen wir aber vereinzelte rote Markierungen und begannen einer nach dem anderen uns langsam am brüchigen Fels nach oben zu bewegen. Ein altes, lockeres Drahtseil war da keine gute Hilfe. Oben auf dem 2093 Meter hohen Rücken angekommen blickten wir alle hinab und waren überrascht wo wir gerade rauf geklettert waren, denn der Einstieg war schon nicht mehr erkennbar. Von dort konnten wir schon das Karwendelhaus sehen, wobei uns aber noch ca. 1,5 Stunden auf dem Brendelsteig erwarteten.
Vom Rücken stiegen wir hinab ins Schlauchkar, wo wir unsere doch stark strapazierten Wasservorräte an einer eiskalten Bergquelle auffüllten. Rechts zweigte dann der Weg zum höchsten Berg des Karwendels der Birkkarspitze ab, wir folgten jedoch dem Weg links weiter Richtung Karwendelhaus. Ganz im Gegensatz zur Pleisenhütte begrüßte uns das Karwendelhaus mit seinem riesigen Lager und zahlreichen anderen Bergsteigern, wir waren definitiv nicht alleine. Das Wasser im Waschraum war dann auch deutlich wärmer und es gab einen großzügigen Trockenraum (die nicht ausgeschilderte Dusche fanden wir dann kurz vor Aufbruch am nächsten morgen…). Beim Abendessen saßen wir dann mit Bergwanderern aus Frankfurt an einem Tisch und tauschten unsere Erlebnisse im Karwendel aus, bevor der Wirt uns dann über das bevorstehende unbeständige Wetter in den nächsten Tagen informierte.
Am nächsten Morgen starteten wir voller Vorfreude auf den Weg zur Hochlandhütte, allerdings bei nicht so vielversprechendem Wetter wie am Vortag. Vom Karwendelhaus stiegen wir kurz zur Hochalm ab und stiegen dann relativ gemächlich durch Latschenkiefern wieder bergauf. Der Himmel riss nach und nach immer mehr auf und uns bot sich ein herrlicher Blick zurück auf das Karwendelhaus und die Birkkarspitze.
Es sollte unser letzter Ausblick sein. Auf dem Bäralplsattel (ca. 1800 m) angekommen, wurden wir von sehr dichtem Nebel eingehüllt. Eine Vielzahl von Schafen wies uns den weiteren Weg.
Als wäre es noch nicht genung Bestrafung des Wettergotts, setzte auch noch ein unangenehmer Nieselregen ein, der den felsigen Gjaidsteig zu einer Herausforderung machen sollte. An der deutsch-österreichischen Grenze angekommen begegneten uns eine Wandergruppe, die ersten anderen Wanderer an diesem Tag. Den anspruchsvollen Steig hinter der Grenze meisterten wir mit Hilfe der „guten deutschen Drahtseilsicherung“ ohne größere Probleme, jedoch war durch die Nässe höchste Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten. Die vielgepriesene Weitsicht auf Zugspitze und Mittenwald blieb uns verwehrt, stattdessen hatten wir Probleme bei der geringen Sichtweite unseren Weg auf das Kampenleitenjoch zu finden. Durch die fehlende Belohnung durch schöne Ausblicke, verlor unsere Seilschaft immer mehr an Motivation und der Weg zur Hochlandhütte schien endlos. Denn wir stellten fest, dass der kräfteraubende Anstieg zum Wörnersattel noch bevor stand (1989). Von dort aus ging es auf gut ausgebauten Weg hinab Richtung Hochlandhütte. Dort empfing uns die suppenkochende Doktorin Irmtrud Dreßl-Kasy als Wirtin.
Im Gegensatz zum Karwendelhaus fanden wir hier wieder ein kleines Lager von etwa 20 Schlafplätzen vor, was der Wirt in Eigenarbeit modern hergerichtet hat. Da die Hütte nur drei Mal im Jahr mittels Helikopter beliefert wird, mussten wir uns am Abend mit einer Linsensuppe zufrieden geben, welche allerdings sehr schmackhaft war. Nach einer geruhsamen Nacht, war der Nebel immer noch nicht verschwunden, jetzt war auch noch Dauerregen dazu gekommen. Beim Frühstück entschieden wir, unsere geplante Tour zur Brunnsteinhütte über den Predigtstuhl und den Heinrich-Noe-Weg nicht zu machen, da sich keine Besserung des Wetters abzeichnete. Stattdessen stiegen wir resigniert über den Ochsenboden nach Mittenwald ab. Allerdings waren wir am Ende froh, trocken in einer Pension zu sitzen, da der Regen bis zu unsere Heimfahrt am kommenden Morgen nicht aufhörte. Wir genossen den Abend im Mittenwalder Brauhaus und fuhren mit einer positiven Einstellung am nächsten Morgen zurück in die Eifel.