Es ist Christi Himmelfahrt, das ist im Frühling. Dieses Jahr ist es allerdings schon Juni, also eher Sommer. Definitiv Sommer, denkt Petrus, denn er schenkt uns Sonnenschein und Kurze-Hose-Wetter. Wir sind gerade in Konstein angekommen, haben unsere Zelte auf einer kleinen Wiese am Waldrand mit erheblichem Gefälle aufgeschlagen und lechzen schon nach dem ersten Felskontakt. Vor wenigen Stunden noch stand Franzi vor unserer Haustür in der Eifel, mit schuldbewusster Miene und meinte: „Ich bin ein Mädchen. Ich fahre selbst.“ Nun, es sollte doch wohl möglich sein, drei Leute und Gepäck in ein Auto zu bekommen. Selbst wenn zwei dieser drei Personen Mädchen sind. Nun, die Leute passten rein. Der wichtigste Teil des Gepäcks auch. Was will man(n) mehr?
In fußläufiger Entfernung unserer Campingwiese befinden sich zwei(!) Klettergebiete des Frankenjura, unter anderem der beeindruckende Dohlenfels. Er ziert die meisten unserer Fotos und wurde doch bei Svens und meinem ersten Aufenthalt hier in Konstein von uns klettermäßig sträflich vernachlässigt. Dieses Mal sind wir fit und motiviert, dieses Mal wird der Südgrat mit seinen drei Seillängen fallen. Aber nicht heute, da suchen wir uns eine leichtere Wand, an der wir ersten Felskontakt knüpfen und unsere Fingerkuppen nach dem heimischen Kieselsand an herrlich festen Kalk gewöhnen können.
Wer sich im richtigen Winkel ins Zelt legt, hat gute Chancen in der Nähe des Platzes aufzuwachen, an dem er eingeschlafen ist. Wer sich falsch legt, hängt am Morgen in der unteren Zeltkante. Oder auf dem Zeltnachbarn.
Sven ist als sportlicher Leiter natürlich auch auf unsere Leistung bedacht, darum geht es nach einem guten Frühstück auf nicht gerade dem direktesten Weg zum nächsten Kletterziel. Mit Sack, Pack und Seil tapern wir über den Nordic-Walking-Powerweg bergauf und bergab, bis wir schließlich am Fels vor dem Klettern erst mal Pause machen müssen. Schönste Kalkwände sind der Lohn für unsere Mühen, feste Lochwände, Kanten oder schöne Platten. Die Sonne brennt uns auf den Pelz und man könnte fast meinen, man wäre 500km weiter südlich in Arco, statt im Urdonautal.
Wer Schokoladenvorräte hat, bringt sie großzügig unter die Leute, denn wer will schon klebrige braune Pampe aus dem Rucksack waschen müssen? Die Tage verstreichen, das Wetter und die Felsen bleiben traumhaft und die Stimmung könnte besser nicht sein. Klar ist: hier wird in erster Linie Urlaub gemacht. Das bedeutet ausschlafen, klettern, faulenzen und es sich gut gehen lassen. So bricht der letzte Tag fast unerwartet über uns herein. Wir wollten ja noch den Südgrat klettern. Das wird dann wohl heute passieren müssen. Zuerst müssen aber Zelte abgebaut und Sachen im Auto verstaut werden. Da könnte man glatt wehmütig werden, denn keinen von uns zieht es jetzt schon nach Hause. Die Sonne brennt noch heißer als die letzten Tage auf uns herab und wir schwitzen und brutzeln beim werkeln und Packen. Endlich ist alles verstaut und wir machen uns auf zum Südgrat. Der ist südlich ausgerichtet. Ganz schön heiß, vermuten wir von unten. Was tun? So richtig motiviert ist der Großteil der Truppe nicht, da scheint ein Badesee doch viel verlockender. Ein interessanter Gedanke, den wir direkt in die Tat umsetzen. Nicht umsonst endet das Altmühltal, das wir auf dem Weg zur Autobahn durchfahren müssen, im Altmühlsee. Leider hat niemand Badesachen dabei. Oder? „Ich kann dir einen Bikini leihen“, meldet sich Franzi. In Svens Kopf arbeitet es: Wenn sie „Leihen“ sagt, bedeutet das, dass sie mindestens zwei dabei hat. Kein Wunder, dass das Auto so voll ist. „In Zukunft schicke ich eine Packliste rum, mit dem was mit kommt, und mit dem was NICHT mit kommt!“
Badesachen oder nicht, irgendwie kommt jeder ins Wasser, der will, und nach einem so heißen, staubigen Wochenende im Kalk gibt es doch nichts Schöneres als so einen Abschluss. Ach ja, der Südgrat… Da werden wir wohl noch einmal nach Konstein fahren müssen.