Im Sommer 2013 verbrachten wir unseren Urlaub auf dem GR20 in Korsika - bekannt als der anspruchsvollste Wanderweg Europas. Wir buchten bei einem korsischen Reiseanbieter die komplette Tour als Individualreise mit allen Übernachtungen und Verpflegung. So standen unsere 15 Etappenziele fest und wir mussten quasi nur den Weg absolvieren … was sich sehr schnell als schwierig genug herausstellte.
Am Starttag in Calenzana haben wir uns morgens um 5.45 Uhr auf den Weg gemacht, um möglichst lange die morgendliche Kühle auszunutzen.
Es ging direkt bergauf und insgesamt sollten es an diesem ersten Tag 1300 Höhenmeter verteilt auf 11 km werden. Mit dem Rucksack auf dem Rücken merkten wir schnell, daß das ein kraftraubendes Unterfangen werden wird. Natürlich entschädigten immer wieder die Blicke in atemberaubende Landschaften für alle Mühen und wir kamen gut voran.
Irgendwann kam unser erstes Etappenziel ins Blickfeld, war aber noch unendlich weit weg. Nach 8 Stunden und unendlich vielen Biegen haben wir es ziemlich entkräftet und müde erreicht. Wir entledigten uns unserer Wanderschuhe und nach einem kühlen Getränk sah die Welt schon wieder viel freundlicher aus und wir konnten die Ruhe und den Ausblick über die Insel zum Meer genießen.
Auch am nächste Tag klingelte 6 Uhr der Wecker und bei einer angegebenen Streckenlänge von 7 km hatten wir eigentlich recht wenige Befürchtungen. Es begann mit einem sanften Aufstieg, dem ein leichter Abstieg folgte. Nun kam der nächste Aufstieg und je weiter wir aufstiegen, umso bewusster wurde uns, daß der Weg aus dem Felskessel nur über einen Pass führen konnte, es also fast 1000 m höher gehen würde. Endlich am Pass gab angekommen, gab es einen überwältigenden Ausblick in die sich nun eröffnende Hochgebirgslandschaft Korsikas.
Wir umrundeten auf schmalsten Pfad über Stein und Fels einen weiteren großen Felskessel mit einigen Kletterstellen und einem kleinen Kamin. Nach dem nächsten Pass entdeckten wir ca. 1000 m tiefer unser heutiges Etappenziel, das Refuge de Carrozu. Nach mehr als 8 Stunden erreichten wir äußert erschöpft und leicht lädiert die Hütte. Ich war unterwegs so von der schönen Landschaft begeistert gewesen, daß ich beim Schauen prompt über meine Wanderstöcke gestolpert bin und beide Knie verletzt hatte. Allerdings war ich nicht die Einzige, die an diesem Tag Blessuren davon getragen hatte. Es gab eine Kopfverletzung, etliche Schürfwunden und Knie, die den Dienst versagten. Doch die Entschädigung für alle Strapazen war schon allein durch die Lage der Berghütte in einem Taleinschnitt gegeben. Beim Abendessen wurden wir mit einem traumhaften Sonnenuntergang belohnt. Und so ging es auf den nächsten Etappen weiter. Jede für sich war absolut anstrengend. Der Weg durch das Gebirge, war nur selten ein richtiger Weg. Häufig war es mehr ein Folgen der rot-weißen Markierung über Geröll, Felsplatten und anderes schwer begehbares Gelände. Jedes Stück war eine Herausforderung und forderte die gesamte Aufmerksamkeit. Dabei war der Rucksack das kleinere Problem. An den hatten wir uns ziemlich schnell gewöhnt, auch wenn er einzelne Passagen erheblich schwieriger machte.
Die schwierigste Etappe stellte der Weg durch den Kessel der Einsamkeit (Cirque de la Solitude) dar. Es fing mit einem allmählichen und wunderschönem Aufstieg an. Auf dem Pass angekommen, konnten wir direkt in den berüchtigten Kessel blicken, den es zu durchqueren galt. Es ging nahezu senkrecht 250m bergab, im oberen Teil mit Ketten gesichert – später über Geröll, um auf der anderen Seite 300m wieder fast senkrecht nach oben zu steigen. Die Bezeichnung Wanderweg war hier nun definitiv nicht mehr richtig - es war tatsächlich das anspruchsvollste Stück Weg, dass wir je gegangen bzw. an Ketten durchstiegen waren. Der Weg hat seinen Ruf tatsächlich nicht zu unrecht, wie wir bereits am eigenen Leibe erfahren hatten. Und so sollte es bleiben. Alle Etappen sind durchweg schwierig. Im Süden wird es vom Gehen her leichter, dafür werden die einzelnen Etappen länger, was am Ende des Tages keinen Unterschied in Bezug auf die Erschöpfung macht. Aber immer gibt es unterwegs wundervolle Ausblicke, einladende Badegumpen und viele nette Begebenheiten am Rande des Weges, so das die Torturen vollkommen in den Hintergrund treten und spätestens nach der Ankunft am Etappenziel
bei einem kühlen korsischen Bier vergessen sind.
Insgesamt war es ein wundervoller und erholsamer Urlaub, der uns zwar vieles abverlangt, aber noch mehr gegeben hat. Die Unterkünfte sind durchweg einfach, aber immer sauber und ordentlich. Die angekündigten Bettwanzen sind uns glücklicherweise nicht begegnet. Die absolute Ruhe in den Bergen, der einfache Standard und das Fehlen der Errungenschaften der Zivilisation erinnerten sehr an Nepal. Auf den Hütten gibt es keinen Strom, kein Radio, kein TV und nur selten Mobilfunk, so daß zwangsläufig nur die Möglichkeit zur Erholung zur Verfügung stand. Die Belieferung der Hütten bzw. der Gepäcktransport für diverse Wandergruppen erfolgt noch mittels Maultier und das quasi mitten in Europa. Als hervorragende Leistung stellte sich unsere gebuchte Halbpension heraus. An jedem Etappenziel erwartete uns als Abendessen ein 3-Gänge-Menü … vom jeweiligen Wirt frisch zubereitet … manchmal von Plastikgeschirr (ordnungsgemäße Müllentsorgung gewährleistet) … . Zum Frühstück war es etwas übersichtlicher, aber das Lunchpaket für den Folgetag war Spitze. Wir waren unterwegs bestens versorgt mit verschiedenen Salaten, Obst, korsischer Wurst, Brot usw. Und vor allem konnte man alles ohne schlechtes Gewissen verspeisen … dafür sorgte der Weg. Alles in allem ist es ein absolut lohnendes Ziel, wenn man über eine gewisse Leidensfähigkeit verfügt – ca. 170 km quer durch Korsika und ca. 12000 Höhenmeter, die es in sich haben.