Sie fühlt sich eigentlich gar nicht glitschig an, wie sie mir mit leicht schlängelnden Bewegungen über die Hand rutscht. Ihr Kopf ist viel kleiner als ich ihn mir bei diesem ca. 1,50m langen Reptil vorgestellt habe; langsam dreht sie wieder um und verschwindet im Pullover der Schlangenwärterin um gleich darauf am Ärmelausschnitt wieder hervorzulugen. Fasziniert betrachte ich den grau-braun geschuppten Körper dieser Mais-Schlange, während ich auf meine vorsichtige Frage erfahre, dass ihr Biss nicht giftig ist und sie sich von wesentlich kleineren Opfern ernährt. Da habe ich ja noch mal Glück gehabt und kann mich auch noch den anderen sehr interessanten Tieren dieses Zoos widmen, der wie auf einem Parade-Ausguck jenseits der Hafenbucht von Sydney liegt. Hier wollen wir, Karin und ich, zuerst einmal Schlangen, Dingos, Kängurus, Kakadus, Warane und Krokodile näher kennen lernen, bevor wir ihnen in der Wildnis begegnen.
Nach ca. 20 Stunden reiner Flugzeit, wobei wir allerdings von Mittwoch nachmittags bis Freitag morgens (jeweils Ortszeit) unterwegs waren, ist Sydney unser erstes Ziel im "down under"- Kontinent, den wir in den nächsten Wochen bereisen werden. Die Tatsache, dass hier Winter herrscht, bekommen wir gleich am ersten Morgen zu spüren: Es ist empfindlich kalt am Flughafen; der Taxifahrer fragt uns verwundert: "Warum kommt ihr alle im Winter? - Wir haben doch einen so schönen Sommer hier!"
Nach einer Woche Stadtbesichtigung zieht es mich nach draußen in die Natur, genauer gesagt in die Blue Mountains. Mit dem Zug fährt man ca. 100 km nach Westen, auf eine Höhe von 1000m. Hier findet man ein Hochplateau, das von vielen Canyons durchzogen ist. Mehrere hundert Meter schroff abfallende Felswände münden an ihrem Fuß in eine Regenwald-Landschaft, wie sie nur auf einem relativ schmalen Streifen entlang der Ostküste vorkommt und weiter im Norden im tropischen Regenwald ihre Vollendung findet. Der Name "Blue Mountains" kommt übrigens durch die Dämpfe der Eukalyptus-Bäume, die, durch die Sonne freigesetzt, als blauer Dunst über den Tälern lagern.
Ausgehend von dem kleinen Ort Katoomba kann man eine Menge Bergaktivitäten erproben. Angeboten werden "High ’n Wild Mountain Adventures:
< Abseiling 30, 60 & 125 metres, Canyoning, Rock Climbing, Mountain Biking, Bush Walking, Mountaineering >."
Aus Zeitgründen beschränken wir uns allerdings auf den Abstieg durch eine der Felsformationen vom Plateau bis auf das Regenwald-Niveau hinunter. Zum Teil sind in den Fels steile und hohe Stufen hineingeschlagen worden, zum Teil entschärfen Leitern die Schwierigkeiten des Abstiegs. Vorbei an Wasserfällen und dem imposanten Anblick der meist senkrecht abfallenden Felswänden kann man dann im Talgrund einige Kilometer weiter wieder den Aufstieg angehen. Hier alleine würde sich schon eine Woche Aufenthalt lohnen. Aber wir müssen weiter. Der Flieger wartet schon um uns ca. 2000 km weiter nördlich nach Cairns zu bringen.
Hier ist zunächst ein idealer Ausgangspunkt für das bis zu mehrere hundert Kilometer vor der Ostküste sich ausbreitende Great Barrier Reef mit seiner schier unendlichen Korallenvielfalt und seiner noch artenreicheren Wasserfauna. Es ist schon atemberaubend, mit welcher Farbenpracht die Fische sich elegant um den Schnorchler oder Taucher herum bewegen. Übrigens ist mein Einwand, dass ich noch nie Gerätetauchen gemacht habe, gar kein Problem für den Tauchführer; einige Minuten Einweisung und schon geht’s ab in die Tiefe!
Nach dieser wässrigen Einlage wartet nun der ebenfalls feuchte tropische Regenwald auf uns. Mit Bootstouren auf dem Daintree River können wir die Reptilienwelt in freier Wildbahn erkunden. Wir fahren auf Armeslänge an Baumschlangen vorbei, die sich nach der Mahlzeitaufnahme für mehrere Tage faul auf einem Ast kringeln. Sie verschmelzen farblich allerdings so mit der landschaftlichen Umgebung, dass uns erst der Ranger auf die Tiere unter dem Blätterwerk aufmerksam machen muss. Hier entdecken wir auch unsere ersten wilden Salzwasserkrokodile, von den Australiern liebevoll "salties" genannt. Aber auch die vermitteln zuerst gar keinen so aggressiven Eindruck, weil sie völlig unbeweglich im Morast am Ufer liegen. Blitzschnelle Bewegung kommt erst auf, wenn sich ihnen etwas Fressbares nähert, aber das sollten wir erst später erleben.
Weiter geht es mit einem gemieteten Allradfahrzeug in den nordöstlichsten Zipfel des australischen Kontinents hinein. Keine befestigte Straße, sondern nur noch grob planierte Sand- und Geröllpiste haben wir unter den Reifen. Flüsse, die allerdings in dieser Jahreszeit nicht vollständig gefüllt sind, müssen in Furten überquert werden. Der Autoverleiher hat mir einen Strich auf die Tür gemalt, bis zu welcher Tiefe ich mit unserem kleinen 4x4 durch das Wasser fahren kann , aber auch schon bei geringerer Wassertiefe spürt man deutlich den seitlichen Wasserdruck. In der Regenzeit ab November werden diese Flüsse zu reißenden Strömen, dann ist kein Durchkommen mehr möglich. Es müssen dann weite Umwege über landesinnere Pisten gemacht werden.
Mittlerweile sind die winterlichen Temperaturen doch von den Anfängen in Sydney auf 30-40 Grad gestiegen, allerdings bei hoher Luftfeuchtigkeit. Der tropische Regenwald zeigt sich von seiner besten Seite. Baumriesen, deren Krone in der Höhe gar nicht zu erkennen ist, säumen unseren Weg. Lianen, die spontan an die alten Tarzanfilme erinnern, hängen aus dem Nebel herunter. Ich prüfe die Festigkeit: - Hält! Allerdings ist das Schwingen von Baum zu Baum real nicht möglich, weil es einfach zu viele Lianen gibt, die sich gegenseitig behindern. Statt dessen bestaunen wir das Drama des Überlebenskampfes im Urwald am Beispiel der Feigenbäume, die als Samenkorn im Vogelkot auf einer Astgabel in ca. 20m Höhe Luftwurzeln in Richtung Boden senden, gleichzeitig mit weiteren Wurzeln ihren Wirtsbaum umfassen und langsam erwürgen, sodass schließlich der Wirtsbaum abstirbt und die Luftwurzeln der Feige einen filigranen Hohlkörper erstellen, der im Boden fest verankert ist, während die eigentlichen Baumtriebe dann in 20m Höhe starten und den neuen Feigenbaum bilden. Alle Phasen dieses Dramas sind im Urwald zu sehen, der gesamte Vorgang dauert etwa 100 Jahre.
Nach 1000 km Urwaldpiste und zum Teil abenteuerlichen Übernachtungen müssen wir wieder nach Cairns zurück. Der Flieger bringt uns nun zu dem wortwörtlich zentralen Punkt unserer Reise. Von den Australiern als Red Centre bezeichnet, ist dies ein riesiges Gebiet tief im Outback, für unsere Begriffe fast menschenleer. Von den ca. 18 Mio. Einwohnern Gesamt- Australiens (soviel wie in NRW) wohnen die meisten in den Städten an der Küste und somit gibt es im Innern sicherlich mehr Schafe und Rinder als Menschen. Hauptanziehungspunkt und somit auch der Grund für den Bau eines Verkehrsflugplatzes im Nichts ist natürlich der Ayers Rock oder Uluru, wie er in der Sprache der Aborigines heißt.
Diese faszinierende Felsenlandschaft, heute bezeichnet als Monolith von ca. 9 km Umfang und 348m Höhe über Grund (863m über NN), ist ein vor 320 Mio. Jahren fest zusammengepresstes Konglomerat aus Quarz, Granit und Gneis mit dazwischengelagerten Schichten von Bundsandstein und Kies. Faszinierend ist das Farbenspiel des Felsens von Brauntönen bis hin zu allen möglichen Rottönen während des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs, jeder Tag ein neues, andersartiges Erlebnis.
Es würde zu weit führen, die Bedeutung dieser Felslandschaft als Heiligtum der Ureinwohner darzulegen, aber auf jeden Fall kann man den Informationsschriften, die den Touristen in die Hand gedrückt werden, entnehmen, dass die Aborigine- Bevölkerung um die Achtung ihrer heiligen Stätten bittet. Die Götter der Aborigines mögen mir verzeihen, aber ich bin 20.000 km geflogen um auf diesen Berg zu steigen und werde dies auch ganz vorsichtig tun. Unter alpinistischen Gesichtspunkten ist die Besteigung natürlich keine große Herausforderung. Der Aufstieg ist nur an einer einzigen Stelle im ganzen Massiv möglich wegen der Steilheit auf den ersten 250 Höhenmetern. Der Fels ist glatt und blankpoliert durch die Steppenwinde, die wie ein Sandstrahlgebläse arbeiten. So ist es mit geeigneten Gummisohlen möglich auf Reibung zu klettern. Danach flacht das Gelände ab, aber der weitere Weg ist alles andere als ein Spaziergang, da die Rinnen, die den Fels an den Seitenflächen strukturieren, natürlich ebenfalls auf der Höhe existieren und somit der "Gipfel" in der Mitte der Felsenlandschaft nur durch dauerndes Auf- und Absteigen in querenden Rinnen erreichbar wird.
Das Überraschende neben der Strukturvielfalt hier am Gipfel ist aber die Tatsache, dass in etwas geschützteren Vertiefungen des Felsens Büsche verschiedener Arten wachsen und ebenfalls kleinere Wassertümpel bis zu ca. 10m Durchmesser selbst jetzt in der Trockenzeit existieren.
Der Blick von oben ins Nichts ist faszinierend; über hundert Kilometer weit fast nur ebenes Gelände, aus dem der Fels herausragt. Der Bewuchs der Ebene ist äußerst spärlich, in 30 Kilometern Entfernung kann man die nächste Felsenlandschaft, den Kata Tjuta, noch höher als der Uluru, aus dem Horizont herauswachsen sehen.
Der Rückweg erfordert noch einmal Konzentration, zumal ich feststelle, dass inmitten dieser gleichartigen Rinnen und Buckel es ohne die Wegzeichen kaum noch möglich wäre, die einzige Abstiegsspur zu finden. Der Abstieg selbst wird in einer Gangart durchgeführt, die der Rheinländer "Kackhaltung" nennt. Die Oberschenkelmuskeln lassen grüßen!
Mit einem Mietauto wollen wir uns nun quer durch den Kontinent nach Norden durchschlagen. Hier im Outback existiert nur eine schnurgerade befestigte Straße, der Stuart Highway. Die landschaftlichen Sehenswürdigkeiten befinden sich immer fernab der Straße in einigen zig oder gar hundert Kilometern Entfernung, immer nur über eine Sandpiste zu erreichen. Hier lohnen sich also Abstecher wie zum Kings Canyon, wo sich ein kleiner Fluss wie mit einer Säge durch das Sandgestein eingeschnitten hat und extrem glatte, über 100m hohe Steilwände hinterlassen hat. Dabei ist der Fluss in dieser Jahreszeit gar nicht zu sehen; die intensive Sonneneinstrahlung hat alles ausgetrocknet.
Über mehrere tausend Kilometer fahren wir nordwärts, wobei sich die Landschaft entlang der Straße nur wenig ändert - roter Sand, übermannshohe Termitenhügel, Buckelrinderherden, endloses Buschwerk und unglücklicherweise auch die in fast regelmäßigen Abständen am Straßenrand liegenden Kängurus und Rinder, die von den riesigen bis zu 60m langen LKWs (Roadtrains) vorwiegend nachts überfahren werden.
Gar nicht so selten sind auch die wilden Kamelherden, die ursprünglich als Arbeitstiere zum Bau der Telegraphenleitung im 19. Jahrhundert importiert wurden, sich danach in der Wildnis prächtig vermehrt haben und nun in Herden von 30 bis 40 Tieren durch den Busch ziehen. Hier erleben wir auch häufiger entlang der Straße
das faszinierende Naturschauspiel von Buschbränden selbst oder die qualmenden Überreste davon. Gelöscht wird nicht; es erscheint dies ein natürlicher Prozess zu sein, der, regelmäßig ausgelöst, größere Brände verhindern hilft.
Allmählich ändert sich das Landschaftsbild, die Vegetation wird tropischer. Nach vielen weiteren Sehenswürdigkeiten erreichen wir den Kakadu National Park kurz vor Darwin.
Neben vielen Schluchten, Wasserfällen, Höhlen, Reptilien und Vögeln – wobei die Kakadus in allen möglichen Arten nur einen Bruchteil der Gesamtvogelwelt ausmachen – tauchen wir ein in die Zeit vor ca. 20.000 Jahren mit der berühmten "rock art", den Felsmalereien der Aborigines. Kaum vorstellbar, wie die Zeichnungen eine so lange Zeit ohne Luftabschluss haben überdauern können. In vielen Bereichen des Staates Northern Territories findet man Felszeichnungen, jedoch hier am Nourlangie Rock sind sie am besten erhalten. Hiermit wurde das Volk unterrichtet über Götter und Geister wie auch über Verhaltensregeln, da keine Schriftsprache existierte.
Eine besondere Attraktion im Kakadu Park sind natürlich die Wasserläufe wie der South Alligator River und der Adelaide River wegen der gefürchteten und gleichzeitig anziehenden Salzwasserkrokodil- Population. Hier kann man auch mit Bootstouren die majestätische Kraft, die plötzliche Schnelligkeit und den tonnenschweren Zubiss dieser bis zu 7 Meter langen Tiere hautnah erleben.
Zur spektakulären Show fährt man hinaus auf den Fluss um die Krokodile in freier Wildbahn zu zeigen. Dabei sieht man zunächst einmal gar nichts, da sich die Tiere meistens im oder gar unter Wasser befinden. Der Ranger weiß aber um die festliegenden Reviere der einzelnen Exemplare, nachdem es doch sehr verwundert, aus dem entgegenschwimmenden Augenpaar gleich das Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht des Krokodils ableiten zu können.
Nun muss sich das Reptil sein Futter erst einmal verdienen. An einer Art Angelschnur wird ein Stück Fleisch erst kurz ins Wasser getaucht, um das jeweilige Exemplar anzulocken. Hat es die Witterung aufgenommen, kann es dieses Stück selbst aus Höhen von 2 – 3m erfassen. Ähnlich wie Delfine nehmen sie unter Wasser Anlauf, so dass sie, für Sekunden mit eng anliegenden Vorderbeinen nur auf der Schwanzspitze stehend, mit einem gewaltigen Biss die Fleischportion von der Angel reißen. Die scharfen, furchteinflößenden Fangzähne sind in ca. 1 Meter Abstand in voller Aktion zu bewundern: blitzschnelles Zupacken, dann zwei- bis dreimaliges kräftiges, knochensplitterndes Portionieren der Beute und anschließendes Verschlingen – mit dem Rest Angelschnur, versteht sich.
Übrigens gilt hier auf dem Boot, wie bei der Eisenbahn: "Hinauslehnen während der Fahrt verboten!"
Die Wild- Tierwelt ist neben der grandiosen Landschaft eine der Hauptsehenswürdigkeiten dieses Kontinents. Nachdem wir nun ca. 5 Wochen lang beides in höchstem Maße erfahren, bewundert und schätzen gelernt haben, müssen wir uns wieder auf den Heimweg machen. Wie so oft kann eine solche Tour nur einzelne Einblicke in Neues, Exotisches, darstellen. Es macht Lust auf mehr, aber das muss leider auf später verschoben werden!
Auf dem Heimweg bieten sich bei einem Zwischenaufenthalt in Singapur; das überwiegend asiatisch ausgerichtet ist (75% der Bevölkerung sind Chinesen), wieder völlig neue, unbekannte exotische Eindrücke. Hier mache ich spontan die anregende Bekanntschaft mit einer fünfjährigen, 2,50m langen Tiger- Python.
Sie hat Gott sei Dank keinen Appetit; wir haben direkt Freundschaft geschlossen.