Da standen wir (meine Frau Conny und ich) nun mittags um 14 Uhr auf dem Parkplatz der Oberrissalm und schauten uns fragend an. Was machen wir hier eigentlich, wir sind in den Bergen, suchen die Natur und gefühlte 150 PKW drängen sich auf einem kleinen gebührenpflichtigen Parkplatz inmitten der uns umgebenden Stubaier Alpen. Was ist hier eigentlich los? Aber der Reihe nach.
Seit einigen Jahren haben wir die Berge kennen, schätzen und lieben gelernt. Die Kinder groß und neue Möglichkeiten taten sich dadurch auf. Die Wanderungen wurden immer größer und länger, die Höhenmeter immer mehr. Irgendwann trafen wir dann mit Holger Müller zusammen und tauschten unsere Vorlieben und Erlebnisse hinsichtlich der Bergwelt aus. Im Frühjahr dann eine Mail von Holger. „Wär´das was für euch?“ wurden wir gefragt und bekamen von ihm eine Ausschreibung eines „Alpinen Basiskurses“ zu lesen. Die Kursinhalte schienen wie für uns gemacht, hatten wir doch erste Bergerfahrungen eigenständig gemacht, waren jetzt aber an einer Stelle angekommen, an der wir mehr wollten, uns aber unsicher waren, was wir können, was wir können müssen und was wir uns zutrauen dürfen.
Gesagt getan, wir meldeten uns zu Holgers erstem Kurs an und warteten jetzt nach 8stündiger Autofahrt auf ihn und die weiteren Kursteilnehmer. Bald darauf erschien er auch in Begleitung von dem weiteren Kursteilnehmer Christoph. Eine weitere Teilnehmerin hatte leider kurzfristig absagen müssen.
Nach kurzer Begrüßung und freundlichem Hallo wurde das Material verteilt (die Sektion Schleiden hatte dankenswerterweise Klettergurte, Klettersteigsets etc. zur Verfügung gestellt) und bei 25 Grad Hitze ging es los zur Franz-Senn-Hütte. Die an diesem Wochenende überbelegte Franz-Senn-Hütte sollte für die nächste Woche unser Basislager werden. Gut, dass wir reserviert hatten.
Und mit dem Abmarsch begann eigentlich auch schon der Kurs. Immer wieder fand Holger Gelegenheit uns auf das ein oder andere Thema vorzubereiten bzw. grundsätzliches zu Tourenplanung und Durchführung zu vermitteln. Diese Art von „Unterricht“ zog sich wie ein Faden durch die ganze Woche.
Nach Erreichen der Franz-Senn-Hütte hatten wir uns ein erstes alkoholfreies Weizen verdient, bevor dann aber auch umgehend die Hütte und die unmittelbare Umgebung erforscht wurden. Auch die erste theoretische Einheit „Orientierung im Gelände“ und „Handhabung von Kompass und Karte“ konnte Holger bei herrlichstem Wetter uns angedeihen lassen.
Dieses super Wetter konnten wir übrigens die ganze Woche genießen, auch am zweiten Tag bei einer kleinen Wanderung zur „Vorderen Sommerwand“. Eine schöne und mäßig schwierige Wanderung zur Eingewöhnung bis zum Gipfelkreuz auf 2677 m. Nach dem Abstieg und einer kleinen Pause bei der Franz-Senn-Hütte war noch genug Kraft vorhanden um den Edelweiß-Klettersteig in unmittelbarer Hüttennähe zu versuchen. Nach Hüttenangaben ein ideales Klettersteig-Übungsgelände. Dem konnten wir uns nur anschließen. Und weil wir mit unseren ersten Klettersteigerfahrungen zufrieden waren, trauten wir uns auch noch den Klettersteig Höllenrachen zu. Jetzt merkten wir auch, warum die Franz-Senn-Hütte so gefragt ist als Ausgangspunkt für Wanderungen und anspruchsvolle Bergtouren sowie für diverse Ausbildungen und Lehrgänge. Gleich zwei gut ausgebaute Klettersteige und Klettergärten befinden sich in unmittelbarer Hüttennähe. Leider lässt eine so große Hütte nicht unbedingt das erwartete „Hüttenfeeling“ aufkommen. Man muss halt Schwerpunkte setzen, hier die Ausbildungsmöglichkeiten.
Nur 20 Gehminuten von der Hütte entfernt lernten wir am darauf folgenden Tag in der „Sommerwand“ Grundlagen von Klettern, Sichern und Abseilen. Christoph, der als Kletterer die Grundlagen bereits beherrschte, wurde von Holger direkt eingespannt und durfte unter seiner Aufsicht seine Kenntnisse in Sachen Standplatzbau und Nachsichern demonstrieren. Für uns als Neulinge auf diesem Gebiet war es eine gelungene Einführung. Den Nachmittag verbrachten wir in der direkten Nähe der Hütte und lernten wie man eine Seitschaft bildet, wie man sich auf dem Gletscher verhält und letztlich die Spaltenbergung in einer 3er Seilschaft am nahegelegenen Übungsfelsen. Alles in allem war es wieder ein schöner und erfolgreicher Tag.
Der Mittwoch stand dann im Zeichen des Gletschers, es galt das gelernte anzuwenden. Hinzu kam noch Gletscherkunde allgemein, wie gehe ich mit Steigeisen, das Verhalten einer Seilschaft untereinander, was ist im Notfall zu tun, bzw. wie berge ich eine Person aus einer Gletscherspalte waren hier das Thema. Der Apener Ferner war zwar wunderbar gelegen und freute sich sicherlich auch über unseren Besuch aber Mangels einer passenden Gletscherspalte beschränkte sich das Thema Spaltenbergung jedoch auf den gestrigen Einsatz am Übungsfelsen direkt an der Hütte. Holger ließ es sich jedoch nicht nehmen uns zu zeigen wie wir einen Fixpunkt im Eis schaffen können, wie man sich mit dem Pickel abfängt falls man mal in rutschen kommt und wie wichtig die Abstände in einer Seilschaft sind. Wir versenkten also Eisschrauben, vergruben unsere Eispickel und liefen kreuz und quer über den Gletscher. Als die Sonne den Schnee gegen Mittag nahezu komplett in „Sulz“ verwandelt hatte traten wir den Rückzug zur Hütte an. Dort angekommen besrogten wir uns die Wetterdaten für den folgenden Tag und planten gemeinsam unsere nächste Tour.
Am Donnerstag stand für uns Flachlandalpinisten unser erster Dreitausender auf dem Programm. Die „Innere Sommerwand (3122 m)“ war unser Ziel.
Der Wecker läutete bereits um 5 Uhr in der Früh, da für nachmittags Gewitter angesagt waren (die aber ausblieben). Auch die Sonne auf dem Gletscher sollte mittags viel Kraft haben und machte das Gehen beschwerlich. Der Weg führte uns von der Hütte aus in Richtung der bereits am Montag bestiegenen „Vorderen Sommerwand“ , führte dann aber über den Kopf einer Gletschermoräne in Richtung des Sommerwand-Ferners. Dort hieß es dann Steigeisen anlegen und Seilschaft bilden. Holger führte uns sicher über den Gletscher hinauf zur „Kräul-Scharte“ und nach einem weiteren Anstieg , über leichte teils versicherte Kletterpassagen planmäßig zum Gipfelkreuz. Bei strahlend blauem Himmel schauten wir ehrfürchtig auf die uns umgebenden Gipfel und Gletscher bevor Holger zur Eile mahnte und wir den Abstieg begannen.
Der nächste Dreitausender folgte dann für uns am Freitag. Diesmal war die „Rinnenspitze (3003m)“, der Hausberg der Franz-Senn-Hütte, unser Ziel. Beim Abstieg ließen wir es uns nicht nehmen auch noch dem Rinnensee, einen der schönsten und bekanntesten Bergseen Tirols, einen kurzen Besuch abzustatten. Auch von hier aus noch ein atemberaubender Ausblick auf die vergletscherten Gipfel der Stubaier Alpen.
Holger und Christoph zog es an diesem Tag wieder zur „Vorderen Sommerwand“. Dieses Mal kletterten die beiden jedoch über den sog. Hüttengrad zum Gipfel. Eine leichte klassische Alpine Mehrlängen-Seilroute über den besagten Hüttengrad. Als wir von unserer Tour zurückkamen, saßen die beiden schon bei einem isotonischen Kaltgetränk an der Hütte. Holger und Christoph scherzten darüber, dass Christoph wohl so ziemlich jede Schlinge und jeden Klemmkeil, den er dabei hatte gleich mehrfach „verbaut“ hätte, sie waren aber dennoch mit dem Tagewerk sichtlich zufrieden. Dem konnten wir uns nur anschließen.
Alles in allem eine erfolgreiche Woche. Unsere Erwartungen wurden erfüllt und sicherlich werden wir den Bergen treu bleiben. Viele Inhalte des Kurses werden es uns ermöglichen, mit einem sicheren Gefühl weitere Bergtouren selbständig zu planen und durchzuführen.
Ein Dankeschön an Holger Müller und auch an Christoph (20 Jahre jünger und Sportkletterer) dem wir hoffentlich genug Raum für seine Kletterwünsche gelassen haben.