Datum: 25. 07 2015
Autor: Werner Kunzelmann
Das Montserrat-Gebirge nördlich von Barcelona ist ein fantastisches Gebiet für Outdoor-Aktivitäten, das hatte ich schon vor 2 Jahren entdeckt.
Nach dem ich im Juni diesen Jahres den Toprope-Kurs Fels bei Andrea und Sven absolviert hatte, dachte ich, es wäre vielleicht eine gute Idee, mein Kletterzeug mit zum schon länger geplanten Katalonien Urlaub zu nehmen.
Vorher noch kurz eine Mail an unseren Gastgeber Ramon, von dem ich weiß, dass er ein absoluter Berg-Freak ist. Er treibt sich öfter in den Alpen und im Himalaya herum und klettert seit seinem 15. Lebensjahr.
„Bring deine Sachen ruhig mit, wir schauen dann vor Ort, was wir tun können. Ich klettere zwar nicht mehr, aber mein Bruder ist noch in der Szene aktiv, der findet bestimmt was.“ Das war seine Antwort.
Mitte Juli 2015 ging es dann los. Endlich angekommen, hockten wir schon einige Abende später bei Fredi, Ramons Bruder, vor dem PC und studierten Kletter-Routen. Auf dem Tisch stapelten sich Bücher mit Topos der über 5.000 Routen im Montserrat. Wir entschieden, dass es für mich am sichersten sei, einen Führer zu buchen. Allerdings erfuhr ich auch, dass Toprope im Montserrat kaum geklettert wird.
Ein paar Tage später hatte mir Ramon einen Termin mit „meinem“ Guide Francesc ausgehandelt.
Wir trafen uns auf einem Parkplatz im Norden vom Montserrat und besprachen kurz, was ich mir vorstellte.
Nach einer knappen Stunde Zustieg, der schon die Qualität der „schwarzen“ Wege in der Zugspitz-Arena hatte, kamen wir am Fuß der ersten „Nadel“ an, die wir besteigen wollten.
„Nadeln“ werden die typischen spitzen Felsen genannt. Francesc erklärte mir, dass wir es hier mit 3 Seillängen in der Schwierigkeit V bis VI zu tun hätten. Meine Frage nach den in Katalonien üblichen Seilkommandos verstand er nicht: „I say ‚climb‘, and then you‘ll climb!“ – So einfach ist das -.
Nach dem ich mehr oder weniger elegant den Vorstieg gesichert hatte, begann für mich der Nachstieg. Direkt Rissklettern, das hatte ich noch nie gemacht, nur etwas darüber gelesen. So hatte ich zumindest theoretisch eine Vorstellung. Was heißt denn noch mal auf Englisch „Soll ich diesen verd… Riss hochklettern?“ Unter Adrenalin-Einfluss ist mein Englisch nicht das Beste. Ich schaffte es trotzdem bis zum Standplatz, den Francesc gebaut hatte, und letztendlich, nach der 3. Seillänge auch auf den Gipfel der „Nadel“. Es war ein großartiges Gefühl, oben zu stehen. Vergessen waren die Probleme mit dem Seil, dass sich in der 2. Seillänge in einem Riss eingeklemmt hatte, vergessen die Probleme, die entstehen, wenn man den Vorsteiger nicht mehr sehen und hören kann, was ebenfalls neu für mich war. Und auch das Gefühl, an der senkrechten Wand von Wind fast weggeblasen zu werden, war nur noch Erinnerung.
Jetzt stellte sich mir aber das nächste Problem, über das ich beim Toprope nie nachdenken musste: Wie komme ich hier wieder runter? Francesc bereitete alles zum Abseilen vor, knotete beide Seile aneinander und erklärte mir, was ich zu tun hätte. Dann war er auch schon nach unten verschwunden. Also mit dem ATC in die beiden Seilstränge, die Selbstsicherungsschlinge an die Seile, alle anderen Sicherungsschlingen am Standplatz lösen und einpacken, und dann: abwärts. „I believe I can fly!“
Eine „Nadel“ mit ebenfalls 3 Seillängen schaffte ich noch, danach war ich erst mal platt, aber auch völlig angefixt.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz fragte ich Francesc noch ein paar Löcher in den Bauch, warum, wieso…
Das Montserrat Gebirge ist ein Kletterparadies, in dem anspruchsvolles Klettern das ganze Jahr möglich ist. Es liegt ca. 30 Autominuten nördlich von Barcelona und ca. 1 Autostunde von den bekanntesten Badeorten an der Costa Brava entfernt. Es ist gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. Bei über 5.000 Routen in allen Schwierigkeitsgraden findet jeder Kletterer spannende Herausforderungen. Deutsch wird dort in der Regel nicht gesprochen, aber in der Outdoor-Szene spricht dort jeder gut Englisch.
Wer sich dort nicht auskennt, sollte wie ich einen Guide buchen, den Kontakt kann ich gerne Herstellen.
Werner