Da standen wir nun Ende Mai 2002 mit Skiern in 2700m Höhe auf dem Konkordiaplatz im Berner Oberland. Hier, eingerahmt von Viertausendern, beginnt der 23km lange, nach Süden sich ausbreitende Aletschgletscher, der größte Eisstrom der Alpen. 900m dickes und 1000 Jahre altes Eis lagerte unter unseren Füßen.
Strahlende Sonne vom blauen Himmel auf die vor Tagen frisch beschneiten Berge und Gletscher, sorgte für gleißendes Licht. Die Ruhe und das Alleinsein in dieser von den 4 Firnströmen (Großer Aletschfirn, Jungfraufirn, Ewigschneefeld und Grüneggfirn) eingefassten Riesenarena, reduzierte das Gedankenkarusell des Alltags nur noch auf Staunen.
Ausgangspunkt der Tour war Interlaken. Mit der Bahn ging es am frühen Morgen über Lauterbrunnen, Wengen und Kleine Scheidegg auf das Jungfraujoch hoch (3475m) und auf Skiern mit Rucksack in weiten Bögen auf festem Firn zum Konkordiaplatz. Nach der Pause des Staunens , stiegen wir mit Fellen nach Osten über den Grüneggfirn auf. Gegen Mittag erreichten wir die Grünegglücke (3300m). Die Sonne hatte den Schnee aufgefirnt, so dass es nach einer Rast zu den ersten Genussschwüngen in Richtung Finsteraarhornhütte ging.
Die Hütte liegt knapp 60m über dem Fieschergletscher (3100m). Hier galt es den steilen, ungespurten Aufstieg zu bewältigen. Für Stefan kein Problem. Siggi und ich schafften es in unterschiedlichster Form dann auch. Der Lohn war ein überaus freundlicher Empfang des Hüttenwirtes vom Küchenfenster aus.
Aufgrund der vielen Anfragen (schönes Wetter, Superschneeverhältnisse), war er raufgekommen und hatte für drei Tage die Hütte geöffnet und bewirtschaftet. Wir waren die Ersten an diesem Tag und bekamen ein gutes Nachtlager mit viel Platz. Den Rest des Nachmittages nutzten wir zur Höhenanpassung und zum Schauen auf die großen Firnfelder und imposanten Hängegletscher der umliegenden Berge. Auf Grund der günstigen Wetterlage und unserer relativ guten körperliche Verfassung, hatten wir uns entschieden, schon am nächsten Tag zum Finsteraarhorn aufzusteigen.
Vier Uhr Wecken, Frühstücken und mit dem ersten Tagesschimmer begann an einem Steilhang, mit den Fellen unter den Skiern der Aufstieg. Sowie es heller wurde und wir höher kamen, wuchsen langsam um uns die Gipfel hervor. Nachdem wir den sogenannten "Frühstücksplatz" als solchen zu einer Rast nutzten, wechselten wir mit abgeschnallten Skiern über einen flachen Grat in den langen, oberen Gletscheraufstieg. So ab 3800m wurde unser Atem kürzer und unsere Schritte langsamer. Stefan wusste dem umsichtig, mit gemäßigterem Tempo und häufigeren Pausen zu begegnen. Gegen 10oo h erreichten wir in knapp 4100m Höhe immer noch auf Skiern, den Hugissattel! Hier ist, vor dem letzten Kletteranstieg, das Depot für Ski und Rucksäcke.
Eine gerade überstandene Erkältung und Schwierigkeiten mit den Fellen und Harscheisen beim Aufstieg hatten meine Kräfte etwas mehr reduziert. So entschied ich mich am Depotplatz zu bleiben. Derweil rüsteten Stefan und Siggi sich mit Steigeisen und Pickel für den letzten felsigen Anstieg über den NW-Grat zum Gipfel des Finsteraarhorn (4274m).
Von einem kleinen Gegengrat den ich hochstieg hatte ich ebenfalls einen phantastischen Überblick. Es war einfach wunderbar bei solch tollen äußeren Verhältnissen in dieser Höhe, dabei sein zu können! Nach Süden ging der Blick zur Monte Rosa-, Mischabel- und Weissmiesgruppe, nach Norden in das abfallende und grüner werdende Gelände um den Thuner- und Brienzer See. Nach knapp zwei Stunden kamen die beiden guter Dinge wieder vom Gipfel zurück. Sie hatten mit dem absolut freien Blick noch bis zum Mont Blanc schauen können. Phantastisch!
Ein weiterer Höhepunkt wartete auf uns. Die Abfahrt!
Bei zunächst unterschiedlichen Schneeverhältnissen - Pulver- und brüchiger Flugschnee sowie fester Firn und Bruchharsch - hatte jeder einen Freiflug. Nach dem Wechsel auf die Sonnenseite, war bei aufgefirnter Schneedecke, die weitere Abfahrt ein Traum! Ein kräfteaufbauendes Schläfchen für Siggi und mich ließen unsere Kräfte wieder zurückkehren. Dann das Risotto zum Abendessen powerte uns endgültig nach oben.
Samstag früh waren wir dann um 5ooh wieder auf den Skiern und machten uns auf die 24km Durchquerung von der Finsteraarhornhütte, über den Fieschergletscher zur Grünhornlücke (Sonnenaufgang) mit anschließender Abfahrt über den Grüneggfirn zum Konkordiaplatz. Hier ließen wir uns nochmal einfangen von der Großartigkeit der oberen Aletscharena, die an einigen Stellen bis zu 1800m breit ist und im Dezember 2001 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Dann aber ging es den langen, langsam ansteigenden großen Aletschfirn hinauf zur Lötschenlücke. Zwischendurch wurde unsere Aufmerksamkeit gebannt vom donnernden Abgang der Eismassen am Aletschhorn. Aus sicherem Abstand konnten wir dieses Naturschauspiel bewundern.
Ungehaltensein kam in mir auf, als Stefan vor der Lötschenlücke die Spur weiter nach oben zog. Doch dann öffnete sich der Blick vom ewigen Schnee bis ins weit unter uns liegende Grün des Lötschentales. Wie im Rausch glitten wir über die weiten Hänge, mit Pausen zum genussvollen Schauen, dem Gletscherende entgegen. Hier war jedoch Aufmerksamkeit und Können verlangt, um auf dem buckligen, zerfurchten Matschschnee eine Spur zu finden. Restliche Schneezungen nutzten wir, um so weit wie möglich zu fahren.
Dann aber standen wir endgültig im Geröll und Strauchwerk. Die Skier wurden an den Rucksack geschnallt um, zunächst über Steine und durch Buschwerk, dann mit zunehmendem Grün auf einem Weg, talabwärts zu wandern. Die ersten Blumen tauchten auf und die erste mit Steinen eingefasste Alm. Aber immer wieder drehte ich mich um , um die Gletscherwelt die nun weit oben lag, aus dem Grün des Tales zu bewundern.
Eine Rast an einem Bach mit einer Teilkörperwaschung machte uns wieder fit für den restlichen Fußweg zur Fafleralp. Hier war Abschluß der von unten kommenden Strasse. Unsere Schritte beschleunigten sich, als tatsächlich ein Postbus auf den Parkplatz fuhr und hielt. Nach nur zwanzig Minuten warten, bei warmen Temperaturen, ging es endgültig aus der oberen Bergwelt runter nach Goppenstein. Der nur kurze Zeit später ankommende Zug, brachte uns durch den Lötschbergtunnel über Kandersteg wieder zurück nach Interlaken.
Die sowohl gut vorbereitete als auch gut durchgeführte Skihochtour von Stefan Philipps, das strahlende Wetter mit den tollen Schneeverhältnissen, machten alles zu einem tiefen, nachhaltigen Erlebnis. Danke!