Nachdem die Tour zu den Klettersteigen im Allgäu 1987 buchstäblich im Schnee stecken geblieben ist, meisterten in diesem Jahr sieben Mitglieder den Mindelheimer Klettersteig, der durch Sabotage stark beschädigt vorgefunden wurde. Dieser Klettersteig, angelegt für Bergwanderer, die so auch in den Genuß kommen können, einmal in der felsigen Gipfelregion der Allgäuer Alpen gewesen zu sein, zählt zu den schönsten Deutschlands. Wenn er auch etwas anspruchsvoller ist als beispielsweise der Heilbronner Weg, der von einem Teil der Gruppe im Anschluß auch noch begangen wurde, ist der Mindelheimer Klettersteig auch für Anfänger in der Begleitung von Geübten durchaus gangbar.
Ihre Eindrücke von der Begehung des Mindelheimer Klettersteiges gibt Ingrid Klinkhammer im folgenden Bericht weiter. Ingrid hat vor dieser Tour noch nie einen Gipfel betreten.
Eindrücke von den Klettersteigen im Allgäu
von Ingrid Klinkhammer
Gewarnt durch größere Autobahnstaus des vorigen Jahres fuhren Rudi, Stefan Eckhard und ich diesmal am 16. Juni morgens um 6 Uhr in Richtung Allgäu los.
Ohne Zwischenfälle erreichten wir Oberstdorf mittags um 13 Uhr. Nur ich hatte unterwegs bei einem Fahrerwechsel gemerkt, daß ich alle Papiere und Geld zu Hause liegengelassen hatte. Welch ein Schreck!
Mit der Fellhornbahn fuhren wir bis zur Mittelstation um von dort über die Alpe Bierenwang und Kühgundalpe zur Fiderepaßhütte aufzusteigen. Den Aufstieg begannen wir bei schönem Wetter; im letzten Drittel mußten wir Regen und gelegentliches Donnergrollen über uns ergehen lassen. Um 5 Uhr kamen wir bei der Fiderepaßhütte (2067m) an. Am Abend nahmen wir vor der Hütte ein Sonnenbad besahen uns einige Passagen des Mindelheimer Klettersteiges. Von der Hütte aus konnten wir deutlich den Verlauf der Steiganlage erkennen. Eine kühn über eine Scharte gelegte Leiter machte einen unangenehmen Eindruck auf mich.
Rudi Berners am Hüttenfels
Am nächsten Morgen stießen Maria Winand und Wolfgang, die in der Nacht aufgestiegen waren, zu uns. Gemeinsam wollten wir über den Mindelheimer Klettersteig zur Mindelheimerhütte gehen.
Um 7:30 Uhr machten wir uns auf den Weg. Zuerst ging es über ein 45° steiles Schneefeld dessen Steilheit im letzten Stück auf 70° anstieg hinauf zum Einstieg in den Klettersteig in der Saubuckelscharte (2210m).
Nach kurzer leichter Kletterei ging es eine 10m hohe senkrechte Leiter hinauf. An Fixseilen gesichert bewältigten wir die ersten 100 Höhenmeter des Klettersteiges. Maria, Winand, Rudi und Stefan bestiegen noch den 2320m hohen Gipfel des höchsten Schafalpenkopfes während Eckhard und ich weiter den Klettersteig passierten. Winand machte unentwegt Videoaufnahmen. Erleichtert schritt ich über die Leiter deren Anblick mich am Vortag so beunruhigt hatte. Wie die meisten schwierigen Passagen, so war auch diese Leiter mit einem Sicherungsseil versehen. Einige Sicherungen waren jedoch von Unbekannten stark sabotiert und vom Alpenverein nur notdürftig repariert worden. Trittbügel waren einfach abgesägt und Fixseile durchschnitten. Die Bergwacht schätzt den Schaden auf etwa 200000 DM.
Eckhard, Ingrid und Stefan an den Schafalpenköpfen
Im Verlauf des Klettersteiges bestiegen wir alle die Gipfel des Mittleren und des Südwestlichen Schafalpenkopfes und das Kemptener Köpfl. Vom Kemptener Köpfl stiegen wir über ein Schneefeld zur Mindelheimerhütte ab wo wir uns an einem kühlen Bier und am guten Essen erfreuten.
Am nächsten Morgen führte uns der Weg bei herrlichem Sonnenschein von der Mindelheimerhütte (2013m) hinab ins Tal des Haldenwangerbachs auf 1522m. Beim Aufstieg zum Schrofenpaß überquerten wir eine steile Steinschlagrinne über eine hochkant aufgestellte Leiter. Maria und mir war dabei etwas unwohl. Auch beim Aufstieg zur 2091m hoch gelegenen Rappenseehütte filmte und fotografierte uns Winand unentwegt. Sicherlich legte er den Weg zweimal zurück. Wir alle bewunderten seine Kondition.
Auf der Rappenseehütte war der Wintersport noch teilweise im Gange. Nach einstündiger Rast stieg ich mit Maria, Winand und Wolfgang wieder ins Tal nach Oberstdorf ab. Ich hatte mir eine fiebrige Erkältung eingefangen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal für die Hilfe aller bedanken.
Maria. Winand. Wolfgang und ich erreichten Sonntag früh um 3:30 Uhr die Heimat.
Über den Verlauf der Tour die Eckhard, Rudi und Stefan noch machten berichtet Rudi, der die Tour geplant und geführt hat.
Rappenseehütte, Samstag 18.6.88, 22:10 Uhr: Endlich, nach der äußerst unruhigen Nacht in der mit 70% überbelegten Mindelheimerhütte tut es gut in einer Hütte zu schlafen, in der die Hüttenruhe eingehalten wird. Nach den schönen Etappen der Vortage waren wir jetzt nur noch zu Dritt. Die Entscheidung, ob der Heilbronner Weg, das zweite Ziel unserer Tour, am Sonntag begangen werden könnte, wollte ich mir bis zum Morgengrauen vorbehalten. Die Bergwacht berichtete nämlich von winterlichen Verhältnissen, und dafür waren wir eigentlich nicht ausgerüstet. Außer einem Eishammer hatten wir keinerlei Eisgerät dabei. Auf alle Fälle würden wir also erst losgehen, wenn die Sonne den Schnee etwas aufgeweicht hat, damit eine Spur gelegt werden kann.
Am Morgen tat uns die Sonne den Gefallen hell und warm zu scheinen. Um 8 Uhr gingen wir über Lawinenkegel und Altschnee los in Richtung Große Steinscharte. Den Zugang zur Kleinen Steinscharte konnten wir nach dem überschreiten der Großen Steinscharte sehen. Um zum Einstieg des Heilbronner Weges an der Kleinen Steinscharte zu gelangen mußten wir eine beinhart gefrorene Schneerinne ersteigen. Die 50° steile Rinne erwies sich dann aber doch als weniger schwierig als befürchtet.
Der Heilbronner Weg selbst war mit zahlreichen Schneefeldern bedeckt die meist gequert werden konnten. Ein 70° steiles Schneefeld, über das der Weg weiter nach oben verlief, ging ich im Vorstieg mit Hilfe des Eishammers und gesichert mit dem Seil, welches wir vorsichtshalber mitgenommen hatten. Das war wohl die schwierigste Stelle der gesamten Tour. Sonst hat der Heilbronner Weg mit Schwierigkeiten nur wenig aufzuwarten. Fast überall ist der Weg auf den Fels- und Geröllgraten mehr als einen halben Meter breit. Man muß annehmen, daß der Heilbronner Weg im Sommer ein Spazierweg ist, der allerdings Trittsicherheit und Erfahrung mit dem Wetter im Hochgebirge vorausgesetzt.
Schnell erreichten wir die Gipfel des Steinschartenkopfes (2611m), des Wilden Manns (2577m) und des Bockkarkopfes (2609m). Aus der Bockkarscharte stiegen wir über ein steiles Schneefeld zum Waltenbergerhaus ab.
Als am Abend außer uns Dreien nur ein weiterer Bergsteiger auf der Hütte verweilte, wußten wir, daß wir genau die richtige Hütte gewählt hatten. Den Ausklang der Tour konnten wir nun in aller Ruhe genießen.
Am Montagmorgen stiegen wir in aller Frühe ins Tal ab nach Faistenoy, wo an der Fellhornbahn Eckhards Auto stand. Nach einem ausgiebigen Frühstück in Faistenoy traten wir dann die Heimfahrt an und konnten auf eine interessante Tour in einer herrlichen Landschaft zurückblicken.