Aufbruchsstimmung
Am 15.8.2020 war es endlich soweit und wir konnten Richtung Tirol starten. Lange genug waren wir im ungewissen wegen der lästigen Corona-Geschichte. Wir, das sind Rolf, Ute, Uli und Kay.
Angesagt war Treffen um 8.00 Uhr bei Rolf, ich glaube 8.10 Uhr waren wir schon mit bis unters Dach vollgepacktem Auto und jeder Menge Vorfreude unterwegs. Trotz der langen Strecke war die Fahrt recht kurzweilig und zehn Stunden später verbrachten wir den ersten Abend und die erste Nacht im Matreier Tauernhaus.
Mit einem guten Frühstück im Bauch sind wir dann am nächsten Morgen zum Parkplatz Seichenbrunn gefahren und haben uns an den Aufstieg zur Wangenitzseehütte auf 2508 m gemacht. Der Weg führte über die untere Seescharte auf 2571 m und gab hier den ersten beeindruckenden Blick auf die Hütte sowie den See frei. Die ersten Höhenmeter mit schweren Rucksäcken in den Beinen haben wir diesen Tag mit gutem Essen, leckerem Bierchen und einem kleinen Verdauungsründchen ausklingen lassen.
Der erste Dreitausender
Am nächsten Morgen stand der erste Dreitausender auf dem Programm, der Petzeck mit 3283 m. Außer dem für mich bis dato ungewohntem Blockgelände waren auf dem Zustieg auch noch Restschneefelder zu überqueren, anstrengend, aber es hat auch richtig Spaß gemacht. Für mich persönlich war es der erste Dreitausender, ein absolut tolles, unvergessliches Gefühl. Beim Abstieg bekamen wir dann Regen und sogar Graupelschauer zu spüren. Also mehrfach Regenjacke an, Regenjacke aus, allerdings konnte das in keiner Weise dieses Erlebnis schmälern.
Am dritten Tag stand der Wechsel zu Adolf-Nossberger-Hütte auf 2488 m auf dem Programm. Der Weg führte über die auf 2803 m gelegene Hohe Gradenscharte. Auf der Scharte angekommen stand erstmals Anlegen von Helm und Klettergurt auf dem Programm, danach ging es an einem Stahlseil runter bis dieses an einem recht steilen Restschneefeld endete. Rolf entschied – sehr zugunsten meiner Nerven –, dass wir hier bis ins Blockgelände abgeseilt werden. Da Ute mit dem Gedanken spielt, Trainerin C Bergsteigen zu werden, fiel ihr, neben viel Führungsarbeit auf den Touren, unter Rolfs Aufsicht die Aufgabe zu, uns abzuseilen.
Durch die Hohe Gradenscharte zur Adolf-Nossberger-Hütte
Da ich der erste war, der abgelassen wurde, hatte ich viel Zeit mich in dieser beeindruckenden Felswelt umzusehen und mir reichlich Gedanken zu machen wie man denn hier, in diesen zum Teil monströsen Blöcken, Felsen und steilem Gelände, überhaupt weiterkommen soll. Nach einigen Erklärungen und beruhigenden Worten meiner drei Begleiter ging das dann auch tatsächlich wesentlich besser als gedacht vonstatten, sodass wir bald die Hütte erreichten.
Außer mit einer unbeschreiblich schönen Lage glänzt diese Hütte glücklicherweise auch noch mit extrem guter Küche und nach so einem anstrengenden Tag braucht der Körper ja schließlich wieder neuen Brennstoff ;-).
Kleine Pause vor dem Keeskopf
Der folgende Tag sollte wieder einen Gipfel, den Großen Hornkopf 3251 m, zum Ziel haben. Wir entschieden uns dann aber wegen der starken Gewitterneigung, dem höheren Zeitaufwand und der vielen Sicherungsarbeit dagegen. Stattdessen haben wir uns den Keeskopf (3082 m) vorgenommen. Auf dem Zustieg ging es über Platten, bei denen mir nicht ganz geheuer war. Irgendwie habe ich dem Schuhwerk nicht zugetraut, dass man auf so steilen Platten aufrecht gehen kann ohne abzurutschen. Allerdings konnten mir meine Begleiter durch Erklären und Vormachen die Scheu vor diesem Gelände, zumindest erstmal im Aufstieg, nehmen. Auf etwas über 3000 m habe ich es mir dann zwischen den Felsbrocken gemütlich gemacht und beschlossen, den Gipfel auszulassen um meine Kräfte für den Abstieg zu sparen.
Da warteten noch diese Platten auf mich, über die man ja in so einer Steilheit nicht runtergehen kann, lieber mal Kräfte übrig behalten – wat’n Quatsch. Auch hier konnten mir Ute, Rolf und Uli durch Erklären und Vormachen die Scheu nehmen, nach dieser Tour habe ich sogar Gefallen an diesem Gelände gefunden. Also war wohl eher ich der Hornkopf, der sich unnötig Gedanken gemacht hat. Egal, auch das war ein fantastischer und lehrreicher Tag. Ute hatte sogar noch genug Power, sich an der aufgespannten Slackline vor der Hütte zu versuchen.
Tag Fünf, Wechsel zur Elberfelder Hütte auf 2346 m über die Klammerscharte 2930 m und durch das Größnitzkees, wobei vom Gletscher kaum noch was übrig und das, was noch da ist, größtenteils von Geröll und Felsbrocken bedeckt ist. Trotzdem ist das Ganze wieder ein nachhaltig beeindruckendes Bild. Der Aufstieg zur Klammerscharte war ordentlich steil, schweißtreibend und zum Schluss, wie auch Anfangs der Abstieg, stahlseilversichert. Danach geht das dann wieder mal über Schutthalden und leicht plattiges Gelände zur Hütte. Hier wartete endlich wieder ein Hauch von Luxus: eine Dusche, welche Wohltat! Auf der Nossberger Hütte gibt es leider nur eine Außendusche und zwar nur mit kaltem Wasser, nichts für mich.
Beste Sicht vom Roten Knopf
Der nächste Tag, ein Gipfeltag, Roter Knopf 3281 m. Um den Knopf zu erreichen sind zwei leichte Kletterstellen zu bewältigen und ich habe beschlossen mir diesmal beim Aufstieg keine Gedanken über den Rückweg zu machen und es zu genießen. Ein zwei Stellen waren dabei an denen ich lieber angestrengt NUR auf meine Füße geachtet habe. Der Lohn war ein unfassbar schöner Weitblick in alle Himmelsrichtungen. Rolf hat so viele Gipfel und Gruppen erklärt, ich habe sie gar nicht alle behalten, weiß noch dass Marmolata, Großglockner und Venediger dabei waren und dass ich es extrem genossen habe. Glücklicherweise hat das Wetter so gut mitgespielt das wir eine ausgiebige Gipfelrast machen, die Aussicht genießen und eine Weile unseren Gedanken nachhängen konnten.
An Tag Sieben stand der Abstieg von der Elberfelder Hütte zur Lienzer Hütte, hier kurze Rast, dann weiter zum Parkplatz Seichenbrunn auf dem Programm. Von dort sollte es mit dem PKW auf einen Parkplatz in der Venedigergruppe gehen um dann noch zur Bonn-Matreier-Hütte aufzusteigen. Knackiges Programm, doch es sollte anders kommen.
Gewitter erzwingt Planänderung
Schon an den Vortagen wurde, wann immer wir mal Internetempfang hatten, Gewitter ab dem Nachmittag angekündigt. So war es dann auch. Während des ganzen Weges von der Hütte zum Parkplatz hatten wir herrlichsten Sonnenschein, doch dann zog alles zu. Es wurde immer dunkler, begann zu regnen und zu grummeln. Ein Anruf auf der Hütte gab Klarheit: Keine Chance aufzusteigen. Der Hüttenwirt gab uns eine Adresse in der Hoffnung, dass dort noch ein Platz für unsere Übernachtung frei sei, doch leider war alles belegt. Allerdings waren auch diese Wirtsleute sehr hilfreich und konnten uns einen Platz in Niedermauern besorgen. Diese ungewollte Planänderung bescherte uns neben einer ausgiebigen Dusche und einem sehr guten Abendessen eine erholsame Nacht in einem weichen Bett.
Nach der Ankunft noch ein Ausflug zum Raukopf
Derart gut erholt ging es am Folgetag über die Nilljochhütte hoch zu Bonn-Matreier-Hüte auf 2750 m. Da wir die Materialseilbahn für den Rucksacktransport zu Hütte nutzen konnten blieb nach der Ankunft noch genug Kraft für einen Gipfel, den Rauhkopf auf 3070 m, übrig. Es wurde dann am Gipfel zwar leicht neblig aber das hat dem Genuss keinen Abbruch getan. Übrigens, die Bonn-Matreier ist eine, wie ich finde, sehr schöne Hütte mit einem sympathischen Wirtspaar.
Für den letzten Bergtag haben wir nach dem Frühstück den nicht benötigten Kram in unsere Schlafsäcke gestopft, diese im Trockenraum der Hütte deponiert und sind mit leichtem Rucksack Richtung Säulkopf 3209 m aufgebrochen. Leider zogen sich die Wolken immer mehr zusammen sodass wir zum Schluss nur noch in ziemlicher dichter kalter Suppe unterwegs waren, und irgendwo bei ca. 3100 m umgedreht haben. Gesehen hätten wir vom Gipfel aus eh gar nichts.
Nach kurzem Zwischenstopp auf der Hütte und Materialfassen ging es dann, wieder über Nilljochhütte, runter zum Auto und zum Ausgangspunkt Matreier Tauernhaus für die letzte Nacht.
Ausgeschlafen und frisch gestärkt mit einem üppigen Frühstück haben wir an Tag Zehn die unproblematisch verlaufene Heimreise angetreten.
Mein Fazit nach ca. 60 km und 17.500 Höhenmetern: Eine unvergessliche, tolle, lehrreiche und sehr schöne Zeit in einer besonderen Bergwelt. Vielen Dank an Rolf für eine super Organisation, die vielen Erklärungen und Informationen als auch die Unterstützung während der Tour.
Vielen Dank an Ute für die Führung, die Erklärungen und das „Vormachen“ an den für mich schwierigeren Stellen. Vielen Dank an Uli für die immer wieder mut- und muntermachenden Worte.
Könnte jetzt, nach ein paar Tagen Erholung, sofort wieder los mit Euch.