Sonntag 29.7.12
Wir fahren mit voller Besetzung – also 8 Personen - morgens um fünf Uhr ab und erreichen gegen Mittag die Seilbahn am Lünersee im Brandnertal. Das Wetter ist durchwachsen, es tröpfelt leicht. Wir fahren auf zur Douglashütte, verstauen einen Teil unseres Gepäckes, das wir am letzten Tag unserer Tour, wenn wir die letzte Übernachtung auf dieser Hütte machen, benötigen. Wir essen in aller Ruhe zu Mittag und warten auf besseres Wetter, welches nicht kommt. Also beschließen wir irgendwann zur Totalphütte aufzubrechen, wo wir die erste Übernachtung vorgebucht haben. Das Wetter weiß nach wie vor nicht so recht, was es will, also beginnt das Spiel Regenjacke an – Regenjacke aus. Von der Landschaft und dem Lünersee sehen wir nur ab und an etwas durch die tiefhängenden Wolken. Nach ca. eineinhalb Stunden erreichen wir die Hütte und als ich unsere Gruppe anmelde werde ich auf Grund einer Namensähnlichkeit mit dem idiotischen Boxer Mike Tysen verglichen. Die freundliche Kellnerin empfängt mich mit den Worten: „Ich hätte jetzt einen jungen, dynamischen, starken Kerl erwartet, stattdessen steht da ein älterer Herr mit Airbag vor mir“. Damit hätte ich nicht gerechnet, doch kann ich ganz gut über mich selbst lachen. Die Hütte wie auch das ganze Personal um die Wirtin Konny ist in Ordnung - es ist gemütlich. Konny trägt ein T-Shirt mit dem Motto „Zitlo“, das ist Dialekt und heißt so viel wie „Zeit lassen“. Wir erfahren, dass Gäste, die auf der Hütte allzu hektisch und nervös sich beschweren, dass das Bier noch nicht auf dem Tisch steht, damit abgefertigt werden, dass man ihnen sagt: „Wärst Du mal schneller den Berg hinaufgerannt, dann hättest Du jetzt schon das zweite Bier haben können“. Die Gruppe schenkt mir übrigens später ein T-Shirt aus der gleichen Produktion, das der Wirt der Tilisunahütte getragen hat.
Montag 30.7.12
Leckeres Frühstück, draußen Nebel. Nach dem Frühstück dichter Nebel und wir wollen ohne Gepäck zur Schesaplana (2960m). Wir warten eine Viertelstunde und gehen los. Weiter oben ist der Nebel kälter, ansonsten ändert sich nichts. Als wir am Gipfel sind, reißt es für 5-7 Sekunden auf – das wars. Also beschließen wir nach wenigen Minuten, um nicht auszukühlen, wieder abzusteigen. Wir erreichen gegen 10:30 Uhr wieder die Hütte, trinken eine Kleinigkeit und nehmen unser Gepäck wieder auf. Wir wollen jetzt zurück über die Douglashütte und den Saulajochsteig zur Heinrich Hueter Hütte. Das Wetter wird besser, allmählich können wir die herrliche Landschaft genießen, immer mehr Kleidungstücke verschwinden im Rucksack. Gegen 17:00 Uhr erreichen wir die vollkommen renovierte Heinrich Hueter Hütte. Nach dem Abendessen testen wir noch kurz unsere Klettersteigausrüstung, denn am nächsten Morgen geht es gleich los (wieder ohne Gepäck) in den Saulakopfklettersteig. Wir versuchen noch einige Informationen einzuholen, doch der Kellner sagt uns, dass niemand vom Hüttenpersonal den Klettersteig kennt.
Dienstag 31.7.12
Wir nehmen das erste Frühstück und sind um 07:30 Uhr abmarschbereit. Es ist jetzt kein Wölkchen am Himmel. Wir benötigen ca. 45 Minuten bis zum Einstieg und legen die Gurte an. Die schwierigste Stelle findet sich gleich am Anfang, stark überhängend, Klassifikation D/E. Ich darf wie immer vorgehen und meistere mit äußerster Kraftanstrengung diese Stelle. Das ist aber nichts für unser schwaches Geschlecht. Unserem Konditionswunder Rosi fehlt die Oberarmkraft und sie gibt auf. Klaus M. ist so lieb und geht später mit ihr zurück zur Hütte. Die anderen Jungs aus der Gruppe gelingt es dann genau wie mir die Schlüsselstelle zu bezwingen. Das heißt allerdings nicht, dass der Rest des Weges als leicht einzustufen ist, denn es folgen mehrere weitere Stellen, die überhängend und mit D klassifiziert sind. Das Wetter und die herrliche Aussicht entschädigen für die Anstrengung. Allmählich wendet sich der Steig dem Grat des Saulakopfes zu und die Aussicht wird noch besser. Im weiteren Verlauf wird ein Einschnitt über eine ca. 20 Meter lange Hängebrücke überwunden. Der restliche Aufstieg ist nicht mehr so schwierig und wir erreichen kurz hinter dem Ausstieg des Klettersteiges einigermaßen erschöpft den Gipfel des Saulakopfes.
Die Aussicht ist jetzt traumhaft und wir haben uns den ersten Monschauer Els der Tour verdient. Ich verwundere meine Kumpels, als ich trotz des wirklich prickelnden Erlebnisses den Steig kritisiere. Mir ist einfach zu viel Eisen verbaut. Ohne die unzähligen Klammern und Bügel hätte – glaube ich – kein Einziger unsere Gruppe den Steig geschafft. Ich finde die Steige in den Dolomiten wesentlich interessanter, wo man großenteils am Fels klettert und das Stahlseil lediglich zur Sicherung hat. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass dieser Steig zur Steigerung der Übernachtungszahlen auf den umliegenden Hütten angelegt wurde. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Ich möchte nochmals erwähnen, dass diese Kritik von meinen Kumpeln so nicht mitgetragen wird.
Der Abstieg vom Saulakopf über den Normalweg ist unproblematisch und wir sind kurz vor 13:00 Uhr auf der Heinrich Hueter Hütte zurück. Als ich mich nach dem Mittagessen mit dem Hüttenwirt unterhalte, erfahre ich, dass er sehr wohl den Steig kennt und uns hätte beraten können – seltsam. Nachmittags steht noch der weite Weg zur Lindauer Hütte auf dem Programm und aus den angegebenen 3 ½ Stunden werden doch reichlich 4 ½. Wie sagt der Kabarettist Jürgen B. Hausmann: „Es ist nicht mehr weit, aber es zieht sich“. Kurz vor der Hütte schicken wir Rosi vor mit dem Auftrag uns schon ein Radler zu bestellen. Man kann sich da auf diese Frau verlassen und sie empfängt uns auf der Terrasse mit den entsprechenden Getränken. Ein sehr anstrengender, aber hoch interessanter Tag klingt aus. Das Abendessen ist Spitze und wir haben ein sehr schönes Lager, außerdem gibt es eine warme Dusche.
Mittwoch 1.8.12
Wir wollen auf die Drusenfluh. Die einzige Möglichkeit ist der Weg über den Klettersteig Blodigrinne. Wir wandern zunächst Richtung Öfenpass, später geht es links ab zum Einstieg in den Klettersteig. Nachdem wir nach ca. 20m im Klettersteig gegangen sind, liegt das Seil im Gras einer Wiese. Es folgt ein erstes Schotterfeld. Daran anschließend findet sich eine Steilstufe. Es geht senkrecht an in den Fels gebohrten Bügeln aufwärts. Es sollen insgesamt 105 Stück sein. Auf dieses Steilstück folgt ein weiteres Schotterfeld ohne jegliche Wegführung. Daran schließt sich das nächste Stück Klettersteig an. Hier hat man die Befestigungen jetzt plötzlich dermaßen spärlich angebracht, dass man auch durchaus mal 8-10m abrutschen könnte. Man wird aber durch das nächste Schotterfeld entschädigt. Nach der nächsten kurzen Kletterpartie folgt das weitaus größte Schotterfeld bis auf einen Bergrücken. Hier ist die Aussicht erstmalig wunderbar und wir machen eine Pause. Winfried und ich sind dermaßen frustriert, dass wir beschließen das wirklich kurze letzte Stück nicht mehr aufzusteigen. Winfried sagt: „Max, es gibt wunderschöne Klettersteige, es gibt Klettersteige, da sagt man: na ja-ok und es gibt Klettersteige, die muss man wirklich nicht gesehen haben. Die letzte Kategorie haben wir unter den Füßen.“ Wir beschließen nach kurzer Rast mit Walter, der auch zurück gekommen ist und bekanntermaßen wegen seiner Knieprobleme im Schotter schlecht absteigen kann, schon vorzugehen. Im letzten unteren Teil werden wir von unseren Kumpeln eingeholt und sie berichten uns, dass es wohl doof war, da oben abzubrechen, denn die Aussicht von der Drusenfluh bei wolkenlosem Himmel habe für vieles entschädigt.
Wir gehen zusammen zur Hütte zurück und lassen den Nachmittag gemeinsam gemütlich ausklingen. Abends feiert der Hüttenwirt Thomas seinen Geburtstag und wir werden Zeuge originaler Volksmusik, da seine Familie und seine Freunde für ihn aufspielen. Auf der Lindauer Hütte sind wir zwei Tage gewesen und es hat uns sehr gut gefallen. Hier werden die beste Ausstattung und das beste Essen mit dem freundlichsten Personal und den günstigsten Preisen kombiniert. Es passte alles zusammen.
Donnerstag 2.8.12
Es geht sehr früh – wie üblich – los zur Tilisunahütte. Der Weg führt fast nur bergan. Das ist etwas für Walter und er geht mit seinen 65 Jahren vorneweg. Es fallen Bemerkungen wie: „Egal, was Du genommen hast, ich will es auch“. Wir erreichen trotz Pause am Joch schon um 10:30 Uhr die Tilisunahütte. Da für den Nachmittag Gewitter gemeldet sind, hatten wir schon am Vorabend beschlossen, statt eines Klettersteiges den Normalweg zur Sulzfluh (2818) zu nehmen. Der Weg ist sehr abwechslungsreich. Zunächst geht über Grashänge, dann über einer mondähnlichen Felslandschaft, schließlich über Schottergelände allerdings mit guter Wegführung Richtung Gipfel. Zum guten Schluss sind noch einige harmlose Schneefelder zu queren. Als wir am Gipfel angelangt sind, zeigen sich zwar schon erste dunkle Wolken, doch reicht es noch für eine ausgiebige Gipfelrast, bei der auch unser restlicher Els vernichtet werden kann. Auf der Drusenfluh mussten die Jungs ja ohne auskommen, da Winfried und ich bockig waren und nicht zum Gipfel gegangen sind. Wir erreichen sogar noch trocken die Hütte und können auch noch ein wenig draußen sitzen, ehe es ungemütlich wird und zu regnen beginnt. Abends ist auf der Hütte nichts los, mit uns ist auch nichts los, wir gehen früh zu Bett.
Freitag 3.8.12
Nach einer verregneten Nacht stellt sich beim Frühstück die Frage, was zu tun ist, denn es regnet immer noch ein wenig. Da die Hüttenwirtin uns aber erzählt, dass es im Laufe des Tages durchaus besser werden soll, beschließen wir auf dem Rätikonhöhenweg –Süd den weiten Weg zurück zur Douglashütte zu gehen. In den ersten Stunden sehen wir leider sehr wenig von der bestimmt herrlichen Landschaft. Die Wolken hängen tief, ab und zu regnet es, nach ca. 3 ½ Stunden erreichen wir die Schweizer Garschina-Hütte. Hier gibt es eine Kaffeepause, ehe wir weiterziehen. Nach einer weiteren Stunde klart es endlich auf und wir können die Südseiten von Sulzfluh und Drusenfluh einsehen. Über das Schweizer Tor gelangen wir wieder auf die Nordseite der Gebirgsgruppe, steigen noch zum Verajoch auf und anschließend zum Lüner See ab. Dabei können wir noch zwei Gämsen längere Zeit beobachten. Nach einer weiteren halben Stunde erreichen wir die Douglashütte, wo wir am 1. Tag unserer Runde Bekleidung zum Wechseln deponiert hatten. Nach einer derartig anstrengenden Woche ist es natürlich angenehm, zu duschen und anschließend ein frisches Hemd anzuziehen, ehe der Tag bei einigen Bierchen ausklingt.
Samstag 4.8.12
Wir nehmen das erste Frühstück, fahren mit der ersten Seilbahn zum Parkplatz ab und starten sofort nach Hause. Es ist gut, dass wir so früh unterwegs sind, denn wir hören fast permanent, dass sich hinter uns Staus aufbauen, denen wir eins ums andere Mal soeben entkommen konnten.