Am 7.Oktober 1994 fuhren wir von Grünstadt nach Frankfurt zum Flughafen. Wir, das sind Theo Mertgens aus Dreiborn und ich, Kurt Kirsch aus Grünstadt in der Pfalz.
Es begann das übliche Procedere: Untersuchungen, Befragungen, Pässe und dergleichen, bevor es in den Flieger ging. Endlich war es dann soweit: um 12Uhr 10 hoben wir ab. Nun konnten wir es uns im Sessel gemütlich machen, zumal jeder von uns zwei Sessel für den persönlichen Bedarf hatte; die Maschine war nur zu 30-40% belegt. Der Grund dafür könnte gewesen sein, daß wir nach Neu Delhi flogen, wo Wochen vorher die Pest ausgebrochen war.
Nun hatte jeder Zeit, in Ruhe über die letzten Monate vor dieser Tour nachzudenken. Es waren viele Dinge zu erledigen gewesen. Wir hatten Literatur über Trekking in Nepal besorgt und gelesen und Kartenmaterial in München bestellt. Wir hatten verschiedene Routen untersucht und uns in gemeinsamen Gesprächen auf eine davon festgelegt. Diese Tour mußte dann genau ausgearbeitet werden. Dank Rudi Berners konnten wir eine Trekking-Agentur in Kathmandu anfaxen. Mit dieser Agentur haben wir dann ausgemacht, daß sie uns das Trekking-Permit beschaffen und in Kathmandu Hotelzimmer für uns buchen. Alles weitere wollten wir vor Ort abklären. Erste Probleme gab es dann bei der Buchung eines Fluges. Schon im Mai waren alle Direktflüge nach Kathmandu bei allen Linien ausgebucht. Durch einen Verwandten von Theo konnten wir bei einem Aachener Reisebüro einen Flug mit Kuwait-Airlines buchen, jedoch nur bis Neu Delhi, ab dort mit Royal Nepal Airlines. Eine Woche vor dem Abflug, die Pest war zwischenzeitlich an mehreren Stellen in Indien ausgebrochen, stellte Kuwait-Airlines die Flüge aus eben diesem Grund ein. Wir mußten schnell auf eine amerikanische Linie umbuchen.
Nun, jetzt flogen wir. In Neu Delhi kamen wir um 1 Uhr 30 Ortszeit an, 9 Stunden Flugzeit. Für Indien hatten wir kein Visum, und so mußten wir im Transitraum die Nacht und fast den kommenden Tag verbringen. Unser Ticket war für einen Flug um 18 Uhr 35 ausgestellt, aber durch Änderungen bekamen wir eine Maschine um 15 Uhr 40 und waren um 16 Uhr 55 in Kathmandu. Da wir den Namen unseres Hotels kannten und bereits einen Stadtplan dabeihatten, ließen wir uns am Info-Büro die genaue Lage zeigen. Ein Taxifahrer war auch gleich zur Stelle und nun ging es vor das Flughafengebäude zum Taxi.
Und nun kam Nepal auf uns zu. Ein Dutzend Kinder hingen an den Hosenbeinen, andere wollten auch Rucksack und Tasche Tragen, natürlich erwartete jeder ein Bakschisch. Wir hatten jedoch kein nepalesisches Geld (Nepal-Rupies), die Bank im Flughafen war geschlossen, eine Erfahrung, die wir mit Post und Bank (wahrscheinlich mit allen Behörden) noch öfter machten; nun, das Geschrei hallte und im abfahrenden Taxi noch nach. Überhaupt Taxi, besser ausgedrückt "Mülleimer mit Motorantrieb", Hupe und Bremse sind die beiden wichtigsten Bedienungselemente.
Das Hotel indes war ausgezeichnet. Nach einer Dusche ging es in den Speiseraum. Essen war Durchschnitt, das Bier war gut. In der Nacht (nach 23 Uhr), wir waren schon im Bett, wurden wir per Telefon zur Rezeption gerufen. Der Chef der Trekking-Agentur war gekommen, weil wir für das Trekking-Permit einige Formulare ausfüllen sollten.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Taxi zur Trekking-Agentur. Von dem Angebot, das wir bereits hatten, haben wir uns das für uns passendste ausgesucht. Die Leistung umfaßte: 1 Führer und 1 Träger für 21 Tage, einschließlich Übernachtung in Lodges, Frühstück und Abendessen, jedoch ohne Getränke. Es war sehr preisgünstig für uns.
Am 10. Oktober wurden wir in aller Frühe von einem Wagen der Agentur abgeholt und zu deren Büro gefahren. Dort wartete ein angemieteter Bus, denn außer uns fuhr noch eine andere Gruppe mit Zelten, Küche, Führer und Träger mit. In dieser Gruppe reist u.a. eine Frau aus Lausanne/Schweiz mit und wir erfuhren, daß sie dieselbe Route hatten wir. Die Fahrt ging ins 185km entfernte Jiri; es war eine Busfahrt, bei der man viel Gottvertrauen braucht. Nach 10 Stunden waren wir am Ziel, denn dies war auch der Endpunkt für Fahrzeuge, die Straße hört im Ort auf.
Die erste Übernachtung in einer Lodge war nicht gerade angenehm. Ich bezeichne das Zimmer als schwarzes Loch und sagte am nächsten Tag zu unserem Führer, daß ich lieber im Freien schlafen würde als in so einem Verschlag. Er erklärte mir, daß die Lodges besser würden, je weiter und höher wir kämen. Er hatte recht.
Am nächsten Morgen gingen wir in aller Frühe los, ausgehend von 1800m. Der Weg führte durch einen Wald und kleine Streusiedlungen zu einer Paßhöhe (2400m) und danach wieder abwärts, dann über die erste Hängebrücke eines Flusses (1800m). Auf der anderen Flußseite lag ein kleiner Ort. Wir machten eine Mittagsrast. Nach einer Stunde ging es weiter, allerdings nur 100 Meter. Dort war ein Polizeiposten, der unser Permit sehen wollte. Unser Führer hatte für uns kein Permit dabei!
Wie er sagte, würde es wahrscheinlich an diesem Tag in Kathmandu ausgestellt und dann nachgeschickt. Wir hielten Kriegsrat und ich schickte unseren Führer wieder über den Berg nach Jiri zurück. Dort gab es ein Telefon und er sollte sofort mit seinem Büro sprechen, damit das Permit mit dem nächsten Bus gebracht wird.
Am nächsten Tag kam um 7 Uhr ein Bote von Jiri und brachte unser Permit, unseren Führer hatte er jedoch nicht gesehen und kannte diesen auch nicht. So erklärte ich unserem Träger den Weg und wir zogen ohne Führer weiter. Zuerst ging es bergauf bis zum Paß (2705m). Dort befanden sich zwei Lodges, in denen wir Mittagsrast machten. Hier kam auch unser Führer wieder zu uns. Dann ging es wieder bergab, über einen Fluß bis zum Ort Kenja (1634m). Dort übernachteten wir in einer prima Lodge.
Am nächsten Tag ging es früh weiter, ein harter Tag stand uns bevor. Über den Lamjura-Paß (3530m) ging es weiter in Richtung Junbesi. Da die Nacht dort schnell hereinbricht und wir keine annehmbare Lodge gefunden hatten, haben wir bei einer Sherpa-Familie übernachtet. Sie stellten uns das eigene Schlafzimmer (hier schläft die ganze Familie zusammen) zur Verfügung. Zuvor saßen wir in der Küche, erzählten über allerlei Dinge und es wurde uns ein Abendessen zubereitet. Die Unterhaltung war gut, der Vater sprach etwas englisch und der Sohn etwas deutsch. Am Morgen darauf gab es ein Frühstück mit Tsampa-Müsli und Mischtee.
Nach einem herzlichen Abschied gingen wir weiter, um nach weiteren fünf Tagen in Namche Bazaar (3400m) morgens um 10 Uhr anzukommen. Namche ist ein größerer Ort mit Bank und Post (beide waren geschlossen). Das Programm für den Rest des Tages bestand darin, durch den Ort zu bummeln und auszuruhen.
Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Gokyo, das wir am Morgen des dritten Tages erreichten (4750m). In diesen Höhen liegen sogenannte Sommeralmen, die nun für den Tourismus als Lodges umgebaut werden. Einige Neubauten ergänzen diese kleine Siedlung. Nachdem wir unseren Schlafraum hatten und nach einer kurzen Rast ging es dann ohne Gepäck auf den Aussichtsberg von Gokyo (5480m). Von hier sahen Mt. Everest, Lhotse, Nuptse u.v.a.. Nach einer Rast auf dem Gipfel kehrten wir in unser Quartier zurück.
Für den nächsten Tag war keine große Strecke vorgesehen. Wir verließen Gokyo um 8 Uhr 30, die Morgentoilette fiel, wie meistens, mangels Wasser und wegen Kälte aus. War es dann später etwas wärmer, wurde dies unterwegs nachgeholt. Dazu bot sich ein kleiner Schmelzwassersee am Wege an, der wegen der starken Erwärmung tagsüber nicht zugefroren war. Wir überquerten die Seitenmoräne und den Ngozumpa-Gletscher (2km breit) und erreichten auf der anderen Seite die Dragnag-Alm gegen 11 Uhr. Diese Alm war sehr einfach aufgebaut, Essen gab es direkt in der kleinen Küche neben dem Herd. Den Rest des Tages verbrachten wir mit Wäsche waschen, Tee trinken und in der Sonne liegen. Es war der 22. Oktober, die Alm liegt auf einer Höhe von 4690m und wir sahen, wie hinter dem Haus Kartoffel ausgegraben wurden, natürlich mit der Hacke und nicht mit dem Vollernter.
Am nächsten Tag um 5 Uhr marschierten wir ab zum Chola-Paß. Theo hatte an diesem Tag Geburtstag, aber trotzdem mußte er genauso aufsteigen wie ich. Über steile Flanken, teilweise Geröll wie Kugellager, einen Meter vor und einen halben wieder zurück ging es aufwärts bis zur Schneegrenze, danach auf dem Schnee war es leichter.
Auf dem Paß (5420m) machten wir eine kurze Rast. Blauer Himmel, Sonnenschein und kein Wind, Geburtstagswetter also. Es ging dann weiter über Schnee und Eis, bis wir wieder an den Fels kamen und erreichten die nächste Alm auf 4830m Höhe gegen 14 Uhr. Da wir bezüglich Wetter und Höhenkrankheit keinerlei Schwierigkeiten hatten, waren wir gegenüber unserem Plan einen Tag voraus
Unser Führer schlug vor, zum Everest Base Camp zu gehen. Ich lehnte diese Tour jedoch ab, da wir schon unterwegs erfahren hatten, daß die Lodges oder auch Almen total überfüllt seien und demnach auch Schwierigkeiten mit dem Essen zu erwarten waren. Der nächste Vorschlag war, nach Dingpoche zu gehen und einen Tag für eine Wanderung ohne Rucksack in Richtung Lhotse - Südseite einzuschieben. Diesen Vorschlag nahmen wir an und am nächsten Morgen ging es früh auf die Walz. Dingpoche (4400m) erreichten wir gegen 14 Uhr. Nachdem wir eine gute Lodge gefunden hatten, ging es nach dem Abendessen früh in den Schlafsack.
Gegen 9 Uhr verließen wir das Haus und gingen gemächlich bergauf bis zur letzten Lodge am Talschluß (4770m). Hier wurden wir für diesem Abstecher belohnt in Form einer Rundum-Aussicht auf die schneebedeckten Berge wie Lhotse, Iceland Peak, Baruntse, Amphu Labla sowie Amai Dablang. Wir stiegen noch etwas weiter auf eine Mittelmoräne (4900m) und machten dort ein kleines Picknick. Danach ging es zur Lodge zurück zu einer kleinen Rast und Rückkehr in unser Quartier. Am folgenden Tag begann der Rückmarsch, nunmehr nicht mehr nach Norden, sondern nach Süden. Über Pangpoche und nach einem Besuch des kleinen Klosters ging es weiter nach Tengpoche (3920m).
Dort besuchten wir das größte Kloster in Nepal. Dieses Kloster ist 1989 einem Feuer zum Opfer gefallen. Dank internationaler Hilfsorganisationen und Spenden wurde es wieder aufgebaut, bis 1996 soll alles fertig sein. Es fehlen vor allem noch Inneneinrichtungen im Gebetsraum für die Lamas. Da die umliegenden Lodges alle belegt waren, mußten wir am Nachmittag auf der anderen Seite absteigen und erreichten kurz vor dem Dunkelwerden eine Lodge.
Am nächsten Tag ging es weiter, immer auf und ab (Nepaltreppe) und kamen um 10 Uhr 30 wieder in Namche an (jedoch von einer anderen Seite), der Kreis nach Namche hatte sich so geschlossen. An diesem Tag ging es nicht mehr weiter, ein Einkaufstag war angesagt. Zuerst auf die Bank, welch ein Glück, diese war geöffnet. Die Post war jedoch geschlossen, also keine Briefmarken. Wir gingen durch den Ort. Vor den Häusern wurden auf hohen Steinbänken die Waren zum Verkauf ausgelegt, natürlich konnte man auch in Geschäfte gehen. Nach vorsichtigem Schnuppern und erstem zögerlichem Handeln machten wir schnell Fortschritte. Nach einer Stunde hätte jeder Araber von uns lernen können. Ich verhandelte mit einem Tibet an seinem Straßenstand, der kaum englisch sprach, dafür ich kein tibetisch, über handgearbeitete Dosen aus Silber, Ketten und ähnlichem. Das Handeln zog sich hin, zwischenzeitlich tauschten wir unsere Vornamen aus; er hieß Kasan. Wir waren umringt von Einheimischen, die alles hochinteressiert beobachteten. Nun, für die war es so, wie bei uns Fernsehen live.
Am nächsten Morgen ging es weiter bergab in Richtung Lukhla. Dort gibt es eine Landebahn (Schotter und Sand), und es fliegen zweimotorige Flugzeuge für 15 Personen mit Gepäck, seit neuestem auch große Hubschrauber. Zwei Tage lang gingen wir gemütlich von Mache bis Lukhla und erreichten den Ort gegen 10 Uhr. Wir dachten, daß wir am nächsten Tag losfliegen würden, mußten jedoch noch einen Tag dranhängen. Am übernächsten Tag ging es um 10 Uhr 45 mit einem Hubschrauber russischer Bauart nach Kathmandu. In dem Hubschrauber saßen 25 Personen mit ca. einer Tonne Gepäck.
Den restlichen und übernächsten Tag verbrachten wir mit Stadtbummel, Geschenke kaufen und einem Besuch in einem buddhistischen Heiligtum, dem Swayambhudnath Stupa, das ca. eine Stunde Fußweg entfernt war. Wenn man so durch die Stadt und die Außenbezirke geht, sieht man sehr viel mehr als während einer Taxifahrt. Die Möglichkeit, gute Fotos zu machen, ist daher auch besser. Einmal sind wir mit einer kleinen Rischka gefahren. Das geht solange gut wie man auf einer ebenen Straße ohne Löcher fährt. Wir sind jedoch mit einem solchem Gefährt an den Stadtrand gefahren, und dort sind die Straßen in einem schlechten Zustand. Auf einer solchen Fahrt rate ich jedem, seine Kletterausrüstung mitzunehmen und sich anzuschnallen.
Am folgenden Tag fuhren wir früh zu Flughafen und flogen nach Neu Delhi. Wie schon auf dem Hinflug, mußten wir hier wieder den Tag und fast sie ganze Nacht verbringen. Ich versuchte, ein Tagesvisum zu bekommen. Ich hätte es jedoch früher beantragen müssen und daher wurde es abgelehnt. Die Bürokratie in Indien ist noch viel komplexer als bei uns.
Die Zeit im Transitraum ging auch vorüber und letztendlich kamen wir pünktlich in am 3. November 1994 auf dem Flughafen in Frankfurt an. Meine Tochter wartete schon mit dem Auto auf uns und fuhr uns nach Hause.
Diese Reise war für uns sehr beeindruckend und lehrreich, vor allem, die Verhältnisse in Kathmandu zu sehen und zu riechen. Es war eine Zeitreise in das Mittelalter und in die Neuzeit zurück.
Sollte die für 1995 vorgesehene Reise nach Peru nicht zustande kommen, dann vielleicht...
NAMASTE Nepal