Am Rofenhof (wie verabredet Montag, 28.06. 18 Uhr) gerade niedergelassen kamen André Hauschke (unserer Tourenleiter), Renatus, Doris, Wiebke und Christian von einer kleinen Eingehtour zurück. Glücklich sah unserer Tourenleiter gerade nicht aus. Ausgerechnet er war auf einem Schneefeld eingebrochen und hatte sich an den darunter liegenden Steinen eine Knieblessur zugezogen. Dabei sollte die Tour erst am nächsten Tag losgehen. Doch damit nicht genug. Das 7. Tourenmitglied war noch irgendwo jenseits (nördlich) der nördlichen Kalkalpen unterwegs, da er nicht mitbekommen hatte, dass der Fernpass ausgerechnet an diesem Montag wegen Bauarbeiten gesperrt war und er so zu einem „kleinen“ Umweg gezwungen war. Gegen 20 Uhr traf er schließlich ein und wir konnten die Tourenvorbesprechung beginnen.
Am ersten Tag sollte es auf den Urkundkolm (3140 m) oberhalb der Breslauer Hütte gehen, wo ein kleines Eingehen im schweren Gehgelände sowie Seiltechnik, etc. im (sehr) leichten Klettergelände geübt werden sollte. Zunächst mussten aber die 800m des stellenweise steilen Aufstieg zur Breslauer Hütte bei Gott sei Dank schönem Wetter bewältigt werden, wobei allerdings schon erste Unterschiede bei den Teilnehmern, was die Kondition anbelangt, sichtbar wurden. Nachdem alle bei der Hütte eingetroffen waren, ging es nahezu direkt weiter Richtung Urkundkolm, um wie schon gesagt, einige Übungen (Standplatzbau, etc.) bei immer noch gutem Wetter durchzuführen. Zu guter Letzt wurden die Steigeisen angeschnallt, um noch mal das Gehen mit Steigeisen im kombiniertem Gelände aufzufrischen. Leider mussten wir auch feststellen, dass die geplante Route über den Ötztaler Urkund auf die Wildspitze doch ein wenig zu anspruchsvoll für diese („gemischte“) Gruppe war. Gott sei Dank gibt es ja noch den Normalweg über das Mitterkarjoch. Am frühen Nachmittag ging es wieder zurück zur Breslauer Hütte. Für den ersten Tag sollte es reichen, zumal wir am nächsten Tag früh rausmussten. Nach einem sehr guten Abendessen (u.a. Steinbockgulasch) und der darauf folgenden Besprechung der Route für den kommenden Tag ging es relativ früh ins Bett.
Früh Aufstehen ist des Bergsteigers Los (4.30)!!! Und so gingen wir nach einem ordentlichen Frühstück um ca. 6 Uhr Richtung Mitterkarferner. Doch bereits nach kurzer Zeit, der Gletscher war noch nicht einmal erreicht, gaben unsere Bergfrischlinge Doris und Renatus auf. Die Wildspitze wirkte für sie als ein unüberwindliches Hindernis. Damit waren wir nur noch vier plus eins. Auch gut!
Das erste Stück vor dem Mitterkarjoch war wegen der guten Schneeverhältnisse und durch die Benutzung der Mittelmoräne des Mitterkarferners ohne Eisen und Seil zügig bis zum ersten Steilaufschwungs vor dem Joch zu queren. Ab Ende der Mittelmoräne ging es mit Steigeisen und Seil (2 Seilschaften) steil bis unter das Joch. Das letzte stellte sich als eine über 40° steile Schneerinne dar, die nach Aussage von André seit letztem Jahr deutlich steiler geworden ist. Die Rinne war jedoch schnell durchstiegen und wir wurden mit warmen Sonnenstrahlen am Joch (3468m) begrüßt.
Vor uns breitete sich das Becken des Taschachferners aus. Nach einer kurzen Verschnaufpause (man sollte vor dem Weitermarsch überprüfen ob man nichts vergessen hat :-)) ging es zunächst relativ flach weiter Richtung Wildspitze, den Gipfel stets im Blick. Über einen Steilaufschwung gelangten wir auf ein Plateau, von dem die Gipfelgrate und die Westwand beginnen. Am Fuß des Grates blies uns ein eiskalter Wind entgegen, der uns spüren ließ, dass wir bereits über 3500m hoch waren.
Auf dem gut begehbaren Grat kam uns bereits eine Seilschaft vom Gipfel entgegen, welche sich schon auf dem Rückweg zur Hütte befand. An der kurzen Kletterstelle vor dem Gipfel sicherten wir aufgrund der Vereisung vorsichtshalber.
Dann war es geschafft: Tirol liegt unter uns. Der (außer uns menschenleere) Gipfel der Wildspitze war erreicht. Eine grandiose Rundsicht entschädigte uns für die morgendlichen Anstrengungen. Bekannte Gipfel der Ostalpen waren zu sehen (Stubai, Hohe Tauern, Ortler, Weißkugel, etc.). Spontan entschlossen wir uns zu einer Überschreitung des Wildspitzdoppelgipfels, welche uns zunächst über den Verbindungsgrat zum stark überwächteten (seit letztem Jahr tieferen) Nordgipfel führte.
Am Seil gesichert erkundete André die Abstiegsroute „Jubiläumsgrat“. Der Verhältnisse erschienen ihm jedoch relativ heikel, so dass wir zunächst den Abstieg über den Nordgipfel-Normalweg (NW-Grat) fortsetzten. Ca. 200m unterhalb des Nordgipfels querten wir jedoch abweichend vom Normalweg in Richtung Rofenkarjoch. Dabei konnten wir einen Blick auf die Nordwand der Wildspitze erhaschen, die sich als steile Eis- und Firnwand darstellt. Vom Joch mussten wir zunächst eine kleine „Steilstufe“ aus Schnee zum Rofenkarferner abklettern. Nun ging es über den spaltenreichen Gletscher (die Spalten waren unter dem Schnee deutlich zu erkennen) durch inzwischen sulzigen Schnee zur Breslauer Hütte, wo ich mir nach einem hüfttiefen Einsinken im Schnee eine Außenbandüberdehnung in der rechten Hüfte zugezogen hatte, die mir später noch einige Male zu schaffen machen sollte.
Nach kurzer Verschnaufpause ging es nun wieder die am Vortag erklommenen 800m wieder zum Rofenhof, wo wir auf Doris und Renatus, die bereits ohne uns abgestiegen waren, trafen (Ich kam aufgrund der Bänderüberdehnung über eine Stunde nach den Anderen an.). Abends bereitete uns André auf die Führerrolle zur Similaunhütte vor, jeder hatte einen Tourenabschnitt zu übernehmen.
Da heute „nur“ der Hüttenaufstieg zur Similaunhütte bewältigt werden sollte konnten wir immerhin bis 6 Uhr schlafen und in Ruhe frühstücken. Das Tagesziel wurde dann gegen 7.30 Uhr angegangen. Ein gut fünfstündiger Marsch, auf dem immerhin 1100 Höhenmeter zu überwinden waren, lag vor uns.
Zunächst übernahm Renatus (nicht ganz freiwillig) die Führung aufwärts ins Tal Richtung Martin-Busch-Hütte, (welche auf dem Weg zur Similaunhütte liegt), wo er seine botanischen Kenntnisse zu unserer Freude ausspielen konnte, indem er uns einige Dinge über die (noch) uns umgebende Pflanzenwelt erklären konnte. Seiner Führung folgtendie von Wiebke und Doris. André ließ es sich nicht nehmen, Fähigkeiten des Kartenlesens „abzufragen“. Schließlich sollte Karte und Wirklichkeit übereinstimmen.
Die letzten Meter zur Martin-Busch-Hütte wurden für mich allerdings zur Qual. Waren bis jetzt noch keine Nachwirkungen der gestrigen Bänderdehnung zu spüren, wurden die Schmerzen mit jedem Schritt stärker. Freundlicherweise nahmen mir einige Teilnehmer die schwersten Sachen aus dem Rucksack ab (nochmals vielen Dank!), so dass ich nur noch einen fast leeren Rucksack zu tragen hatte, was deutlich spürbar war.
Durch einen sich bereits ankündigenden Wetterwechsel wurde die Pause an der Martin-Busch-Hütte kurz, zumal auch noch knapp 600 Höhenmeter vor uns lagen. Christian und Michael brachten uns über den Niederferner bei immer dichter werdendem Wolkennebel zu unserem Tagesziel, der Similaunhütte (3060m).
Eigentlich wäre am Nachmittag eine Geländeerkundung fällig gewesen, wovon uns jedoch zwischenzeitlich einsetzender Regen abhielt. Aufgrund meiner angegriffenen Hüfte war ich auch nicht ganz unglücklich darüber. Als Ausgleich standen Theorie über Spaltenbergung (lose Rolle) und Kartenkunde auf dem Programm. Geselliges Beisammensein nach einem sehr guten Abendessen rundete den trotz langem Marsch wenig anstrengenden Tag ab.
Obwohl wir heute eine Gipfelbesteigung vor hatten konnten wir erneut bis 6 Uhr „ausschlafen“, da unser heutiges Gipfelziel Similaun praktisch um die Ecke lag. Nach einem reichhaltigen Frühstück (Buffet) machten wir uns dann gegen 7 Uhr von der Hütte auf Richtung Similaun, den wir die ganze Zeit vor Augen hatten. Das schlechte Wetter vom Vortag hatte sich weitestgehend nach Osten verzogen. Über den Niederjochferner aufsteigend strebten wir in zwei Seilschaften zügig dem Similaun zu.
Vor dem eigentlichen Gipfelaufbau lösten wir die Seilschaften auf und legten Steigeisen an, die wir aufgrund der guten Firn-Verhältnisse am Gletscher bis dahin nicht brauchten. Ohne Schwierigkeiten (Gott sei Dank war seltsamerweise heute nichts mehr von meiner Bänderdehnung zu spüren) erreichte die gesamte Gruppe den Gipfel des Similaun (3601m), was vor allen Dingen unsere beiden Bergneulinge mit großer Genugtuung erfüllte. Leider war die Fernsicht nach Westen eingeschränkt (Ortler in Wolken), was jedoch durch das Panorama in süd- und in östlicher Richtung entschädigt wurde.
Die Dolomiten sowie die Hohe Tauern waren gut auszumachen. Nach dem obligatorischen Gipfelphoto und mit zunehmend dichter werdender Bewölkung stiegen wir wieder auf den Niederjochferner ab um uns dem zweiten Tagesthema, der Spaltenbergung, zuzuwenden.
Das am Vortag in Theorie Gehörte/Vermittelte wurde in der Übungspraxis bei inzwischen eingetretener Wetterbesserung nachempfunden, (Auch wenn wir nicht an einer richtigen Spalte üben konnte, da die einzige in der Nähe vorhandenen freiliegende Spalte/Spaltenzone bereits durch eine andere Gruppe „besetzt“ war (An dieser Stelle Gruß an die Kölner Sektion!)).
Spaltenbergung ist anstrengend! Da das Wetter weiterhin gut blieb nutzten wir den Nachmittag unter anderem, um Navigation im Gelände zu üben und das morgige Abschlussziel der Tour, das Hauslabjoch und die Fineilspitze (optional) vor zu erkunden, wobei ich überraschenderweise die Führung übernehmen musste (André hatte mich am Tag zuvor wegen der Bänderüberdehnung „geschont“. Trotzdem war ich überrascht, da ich keine Vorbereitung darauf hatte und improvisieren musste, da wir abweichend vom morgigen Weg den Weg über den Gratrücken hinter der Similaunhütte benutzen wollten.)
Auf halben Weg kehrten wir wegen zuviel Schnee um. Bei wieder vorzüglichem Abendessen in der Similaunhütte (man merkt, dass man in Italien ist ;-) diskutierten wir den morgigen geplanten Aufstieg zur Fineilspitze. Die Sektion Köln, die sich ebenfalls dort aufhielt, hatte zwei Tage zuvor vergeblich den Aufstieg versucht. Trotzdem beschließen wir, die Fineilspitze wie geplant anzugehen bzw. es zu versuchen.
Gegen 7 Uhr ging es am letzten Tag nach gewohnt reichhaltigem Frühstück bei Kaiserwetter los, zunächst zum Hauslabjoch. An der Ötzifundstelle, welche auf dem Weg zum Joch liegt, trugen sich einige in das „Gipfel“buch ein. Am Joch angekommen legen wir unsere Steigeisen an und queren Richtung Fineilspitze.
Auf Empfehlung von André bleiben unsere beiden Neulinge, Doris und Renatus, am Joch zurück, da die Anforderungen zum Aufstieg vermutlich ihre Fähigkeiten überfordert hätten (was sich nachher auch bewahrheitete).
So stiegen wir restlichen vier und André an der SO-Flanke dem Ostgrat der Fineilspitze zu. Am Grat angekommen stieg André zunächst vor, um den unteren sehr steilen und stellenweise vereisten Teil des Grates mit einem Geländerseil zu versichern, was jeder Teilnehmer auch dankbar benutzte. Der Grat weist nur I-IIer Gelände auf, ist jedoch sehr schmal, ausgesetzt (links und rechts geht’s mehrere hundert Meter steil abwärts), war vereist und an den Schneepassagen stark überwächtet. Kurz vor dem Gipfel dann die Stelle an der die Kölner Tage zuvor „gescheitert“ waren: eine Schneewächte, über die der Weg führte. Vorsichtig gingen wir einzeln über die Wächte, dann war der Gipfel der Fineilspitze (3514m) erreicht. Im Gegensatz zu gestern war heute die Sicht Richtung Westen dank Kaiserwetter ausgezeichnet und das Ortlermassiv in seiner vollen Pracht zu bestaunen.
Nachdem André den obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch gemacht hatte, stiegen wir wieder über den Hinweg ab Richtung Hauslabjoch, wo der Rest auf uns wartete. Am Joch angekommen sind wir alle einer Meinung, die Fineilspitze war schon eine andere Kategorie von Berg als die beiden Vorhergehenden und bildete somit den krönenden Abschluss der Tour.
Nun gingen wir in zwei Seilschaften über den Ferner unterhalb des Saykogels, auf dessen Weg wir auch treffen, in Richtung Hochjochhochspitz .Unterwegs beschließen Doris und Renatus es gemütlich angehen zu lassen und blieben bald mit André, der sich ihnen „anschließt“ zurück, während wir Anderen am Hochspitz vorbei durch das Rofental zum Rofenhof laufen (Als gehen konnte man das schon nicht mehr bezeichnen). Am Rofenhof angekommen wurde erst einmal frisch gemacht und dann bei strahlendem Wetter und einem Stück Apfelstrudel auf der Terrasse auf die Nachzügler gewartet, welche dann auch knapp 2 Stunden nach uns eintrudelten.
Eine interessante und abwechslungsreiche Woche war (leider) zu Ende und war ohne Zwischenfälle (Von meine Bänderüberdehnung mal abgesehen, die mir übrigens 6 Wochen später im Wallis wieder zu schaffen machen sollte) vonstatten gegangen.