Wir schreiben das Jahr 1988. Zwei von einer langen Autofahrt etwas übermüdete Bergsteiger treffen um die Mittagszeit am Waltenbergerhaus ein. Nach einer kurzen Rast zieht es sie schon wieder weiter. Drei Stunden später, am Einstieg zur Ketterroute, müssen sie erkennen, daß ihr Ziel heute nicht ohne übermäßige Gefahr zu erreichen ist. Die Berge liegen in einem dichten Nebelmeer und es sieht nach Regen aus.
Mitte September 1995: Wie schon in den Jahren zuvor treffen Eifeler Bergsteiger am Waltenbergerhaus ein. Die Drei müssen anderentags eine andere als die geplante Tour unternehmen. Sie geben sich in Anbetracht des hartgefrorenen Schnees mit dem Heilbronner Weg zufrieden.
Anfang Juli 1996: Vier Bergsteiger kommen bei leichtem Schneetreiben an der Mindelheimer Hütte an. Ihr Ziel ist die Rappenseehütte und das Waltenbergerhaus. Am nächsten Morgen liegen gut 30cm Neuschnee. Die Tour wird wegen Lawinengefahr abgebrochen.
Ende September 1996: Fünf Bergsteiger erreichen bei einsetzendem Schneefall das Waltenbergerhaus. Sie sind mit Steigeisen und Pickel ausgerüstet, obwohl es in dieser Bergregion kaum Gletscher gibt. Ihre Entschlossenheit, auch bei geschlossener Schneedecke den gewünschten Gipfel zu erreichen, wird durch die akute Lawinengefahr gedämpft. Man begnügt sich mit einem Ersatzgipfel und Schneeschaufeln.
23.8.1997: Fünf Bergsteiger stehen auf dem Gipfel. Für einen von ihnen ist es ein ganz besonderer Gipfel. Ein Gipfel der sich seiner Besteigung seit 9 Jahren den mindestens 6 Besteigungsversuchen erfolgreich widersetzte; ein Gipfel der schließlich doch der Beharrlichkeit seines Besteigers nachgeben mußte; ein Gipfel der nach neun Jahren nicht die geringste Spur von Widerstandskraft erkennen läßt. Der Gipfel der Trettachspitze in den Allgäuer Alpen - aufgegeben, erledigt, kapituliert, ermattet, platt!
Bei schönstem Sommersonnenschein erreichten wir nach langer Fahrt das Waltenbergerhaus. Beim Hüttenwirt Mandy sind wir schon bekannt als die Buben, die immer zum Schneeschippen kommen. Wir, das sind Achim Hohn, Reinhard und Jürgen Höpfner, Matthias Vieth und Rudi Berners.
Ohne zu frieren verbringen wir die Nacht zum Samstag in der Hütte. Morgens liegt ausnahmsweise kein Neuschnee. Gegen 9 Uhr sind wir am Einstieg zum Nordwestgrat der Trettachspitze, dem Matterhorn des Allgäu. Über mäßig steile Platten erreichen wir den luftigen Grat. Der Hauptdolomit ist sehr griffig, so richtig zum Wohlfühlen. Die vierte Seillänge ist etwas ausgesetzter. Hier spürt man die Luft unter den Sohlen. Beim Tiefblick zum Anstiegsweg im Süden, senkrechte 300 Meter, freut man sich erst recht über den soliden und nicht allzu schwierigen Fels. Der Grat wird flacher, und bald kommt schon das Gipfelkreuz zum Vorschein. Eine anregende Genußklettertour findet ihren Höhepunkt.
Wir rasten ausgiebig. Scherben eines Spiegels, der sich vom Gipfelkreuz gelöst hat, zieren den Gipfel. Das muß eine markante Erscheinung sein, wenn sich die Sonne für den Betrachter im Tal in den Spiegeln reflektiert.
Wir sind nicht allein; teilen uns den Gipfel mit anderen Seilschaften. Aber soviel Gedränge wie gegenüber an der Mädelegabel ist hier nicht. Im Abstieg erleben wir die Freuden, mit mehreren Seilschaften gleichzeitig am Berg zu sein. Es hagelt heftig Steine. Hallo Egon!
Zum Mittagessen im Waltenbergerhaus reicht die Zeit nicht mehr, dafür sitzen wir abends in einer schönen Gaststätte im Allgäu und denken darüber nach, welchen Grund man künftig noch haben könnte, ein Wochenende im Allgäu zu verbringen. Uns wird schon etwas einfallen. Der eine oder andere Berg wird schon nachgeben.