Boulderspass im Wald von Fontainebleau
Es gibt sicher nicht viele Orte auf der Welt, an denen sich die französischen Grundtugenden Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit besser erleben lassen, als im Wald von Fontainebleau. In diesem 25.000 ha großen Gebiet, mit seinen unendlichen Sandflächen und der unglaublichen Zahl an Felsblöcken schlägt das Herz eines jeden Boulderbegeisterten höher.
Und so machte sich in diesem Jahr eine achtköpfige Gruppe von unerschrockenen Eifelkletterern auf den Weg, die Sandsteine von vielen „Problemen“ zu befreien.
Mit dabei waren unter der Leitung von Tameer: Kira, Toto und Lisa, die bereits im Vorjahr auf einem privaten Ausflug im Forêt gesichtet wurden. Fee und Jan in Begleitung der apportiersüchtigen Hündin Mona, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jeden Tannenzapfen des Waldes einmal in den Mund zu nehmen. Timo, der von Tameer für Großes ausersehen war und meine Wenigkeit, Bembel, der vor 15 Jahren bei einem Schüleraustausch ohne es zu wissen, seinen ersten Parcour absolviert hatte.
Nachdem einige Wochen vor der Abfahrt die letzten „Unbekannten“ bei einem gemeinsamen Bouldertreffen in Tameers Trainingsscheune beseitigt wurden, ging es am Donnerstag, 21. September, um 9 Uhr morgens bei strahlendem Sonnenschein los. Nach einer ziemlich entspannten Anreise wartete kurz nach der Ankunft um 14.30 Uhr unser Vermieter mit seinem Pick up mit dem Aufdruck „climbing Fontainebleau“ auf uns.
Mit Hilfe der gebrochenen Reste meines Schulfranzösisch versuchte ich, dem Vermieter zu erklären, dass „Tameer“ unser Gruppenleiter war und nicht seine Mutter (ta mère). Schließlich konnten wir die Schlüsselübergabe aber doch unkompliziert abhaken und uns nach Ankunft der übrigen Eifler sofort auf den Weg zu den ersten Felsblöcken machen.
Ziel des ersten Tages war das kleine aber feine Gebiet von Canche aux Mercier, in dem wir uns in einem orangenen Boulderparcours an das Klettern im Gebiet gewöhnten. Die farbig markierten Parcours stellen eine der vielen Besonderheiten Fontainebleaus dar: Mehrere Probleme, die durchnummeriert sind und eine gewisse Gleichmäßigkeit in der Schwierigkeit bilden, bieten die Möglichkeit, sich auch ganz ohne Führer ein tagesfüllendes Programm zusammen zu stellen.
Bereits die erste Traverse, welche um einen riesigen Block führte, ließ erahnen, wie viel Fußtechnik in diesem Gestein nötig werden würde.
Nach einigen Stunden im besten Wetter packten wir um 19.30 Uhr unsere Crashpads zusammen und machten uns auf den Heimweg. Um in den nächsten Tagen auch kulinarisch nicht zurückstecken zu müssen, deckten wir uns noch schnell im „Carrefour“ mit reichlich frischem Gemüse, Reis, Nudeln, Käse und allem, was stark und satt macht, ein. Natürlich landete auch das ein oder andere Fläschchen Wein und Bier im Wagen, um die gemütlichen Abende in vollen Zügen zu genießen.
Tag 2 startete mit einigen leichten Wölkchen am Himmel und einem guten Schluck Kaffee (oder Tee) in der Tasse. Ziel des Tages war Roche aux Sabots, ein großes Bouldergebiet mit einer riesigen Auswahl an Blöcken in allen Schwierigkeiten. Danach ging es ins „Cul de Chien“: Dort hatten Toto und Tameer noch eine Rechnung mit Ihren Pojekten aus dem Vorjahr offen. Tameer hatte sich bereits bei einem seiner ersten Besuche in das „Le Toit de Cul du chien“ (FB7a, etwa 9 UIAA), ein riesiges Dach in 3 Metern Höhe, verliebt. Gemeinsam mit Timo projektierten die beiden fast den gesamten Mittag. Die Schlüsselstelle des Riesendaches ist ein ziemlich kompliziert einzufädelnder Heelhook an einer großen Sloper-Schuppe, während man mit der rechten Hand an einem abschüssigen Einfingerloch-Untergriff unter kompletter Last des Körpergewichts an die Kante des Daches raus zieht. Das Ganze nicht unbedingt in angenehmer Bodennähe, sondern in einiger Höhe.
Dank der großen Gruppe mit vielen Crashpads konnten wir einen recht komfortablen Landebereich schaffen, den Timo gleich mehrfach testete und seine Spotter forderte. Trotz einiger guter Versuche musste dieses Projekt weiter offen bleiben. Erfolgreicher verlief es da bei Toto. Direkt im ersten Versuch kam er einen Zug weiter als im Vorjahr und mit Unterstüzung von Jan, mir und einem sehr freundlichen Schweitzer konnte er den Boulder knacken. Für Jan und mich bleibt nur die Rückkehr in einem anderen Trip, denn an diesem Tag sollte uns der trickreiche Ausstieg verwehrt bleiben.
Als wir dann schließlich unsere Sachen packten, durften wir noch Zeuge eines nicht allzu seltenen Ereignisses werden: Ein etwas älterer, nicht gerade durchtrainiert wirkender Franzose durchsteifte das Blockfeld mit seiner Fußmatte (Wer braucht schon ein Crashpad?). Scheinbar mühelos erkletterte er einen Felsblock nach dem anderen, darunter auch einige Boulder, mit denen wir uns zuvor reichlich schwer taten.
Inspiriert und angespornt drehten sich die Gespräche des Abends um das Klettern, um Technik, um Kraft, Beweglichkeit und und und.
Da alle an Tag 3 mehr oder weniger die ersten „Verschleißerscheinungen“ spürten, legten wir einen Erholungstag mit eher leichten Bouldern im Gebiet Diplodocus ein.
Die Höhepunkte des Tages waren der acht Meter hohe Highball, dem das Gebiet seinen Namen verdankt, und der erst von Toto, Timo und Tameer und danach noch von Lisa und Toto als Familienangelegenheit gemeinsam bestiegen wurde. Jan schaffte eine beachtliche Anzahl an blauen Bouldern (weil man sich damit ja besser erholen kann ;-) ) und konnte damit einige alte Projekte abknipsen. Mit etwas Hilfe von Timo und Tameer fiel auch bei ihm ein Projekt aus dem Vorjahr. Kira und ich machten es uns zur Tagesaufgabe, eine 2+er Platte ohne Einsatz unserer Hände zu erklimmen, die am Tagesende unter vollem Körpereinsatz beim Ausstieg („die Robbe“) von Kira, Fee Toto und mir abgeschlossen wurde.
Um die Regeneration zu fördern legten einige von uns noch eine Yoga Session auf die Matte und es wurde wieder einmal gut gegessen und sich gut unterhalten.
So ging es dann, leider viel zu schnell, auf den Tag der Heimfahrt zu. Mehr oder weniger angeschlagen schleppten wir uns noch einmal in den Wald. Im Gebiet 95.2 wollte uns Tameer noch den im letzten Bericht beschriebenen Dachboulder zeigen. Auch wenn wir diesen nicht durchsteigen konnten, zeigte Timo nochmal seinen Biss und seine Stärke und erboulderte sich alle Einzelzüge. Leider blieb der letzte Versuch des Tages ohne Top.
Nach vier Tagen mit viel Spass, Bewegung, gutem Wetter und noch viel besserer Gesellschaft bleibt nicht mehr viel zu sagen.
In Bleau erlebt man die Freiheit zwischen unendlichen Linien zu wählen.
In Bleau fühlt man beim gemeinsamen Problemlösen die Gleichheit die eine gemeinsame Sache schafft.
Und in Bleau spürt man Brüderlichkeit, wenn Bekannte und Unbekannte gemeinsam eine schöne Zeit verbringen, jeder für jeden da ist und man die Dinge gemeinsam anpackt.
Eine Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen kann und eine die ich gerne wiederholen möchte.