Die diesjährige „Frauentour“ vom 15.-20. Juli 2023, führte eine Gruppe von 9 Frauen ins Verwall/ Montafon. Vor zwei Jahren hatten einige der Teilnehmerinnen bereits den westlichen Teil des Montafon erkundet, nun konnte die Gruppe oftmals die ehemaligen Wege und Gipfel aus einer anderen Perspektive bewundern. So erschloss sich für die, die beide Touren erlebt haben, die Vielfältigkeit dieser Landschaft auf neue Weise.
Der erste Tag der Reise war durch die lange (und frühe!) Anreise aus der Eifel nach Schruns geprägt. Mit Zugausfällen und einiger Verspätung erreichten 8 der 9 Teilnehmerinnen – Iris als versierte Leiterin, Ilka, Sigrid und Elke sowie Heike, Angelika, Heidi und Mira – am späten Nachmittag Schruns im Montafontal. Sabine aus dem Münsterland war schon einen Tag zuvor angereist und erkundete bereits den Weg von der Grasjochhütte oberhalb von St. Gallenkirch rüber zur Wormser Hütte, der ersten Hüttenstation mit der nahe gelegenen Kreuzjoch.
Von Schruns herauf fuhren die anderen mit der Zamangbahn bis zur Bergstation Kapell und wählten als Eingehtour zur Wormser Hütte den Weg durch den Skitunnel, der bei den hohen Temperaturen eine willkommene Abkühlung bot, und über den Seetalweg vorbei an Kälbersee und Herzsee, einer idyllischen Wanderung in der Nähe der Wormser Hütte.
Sabine kam den anderen von der Hütte aus entgegen. Der Abend bot Gelegenheit zum Erzählen und Kennenlernen – neben Sabine war auch Mira neu in der Gruppe – und Planen für die nächsten Tage bei der typischen Abendstimmung vor der Hütte.
Die erste Etappe war zugleich die Anspruchsvollste – die Beschreibungen ließen 9 bis 10 Stunden Weg erwarten, je nach Verhältnissen. Die erwiesen sich dann als die eigentliche Herausforderung. Nachdem der morgendliche Nebel sich verzogen hatte, machte die Sonneneinstrahlung in der Höhe und die zunehmende Hitze insbesondere in den Aufstiegen einigen zu schaffen – Höhenanpassung, Eingehen, sich an den Rucksack gewöhnen – all das galt es ja auch zu verpacken. Dennoch genossen wir den wunderschönen Weg – begleitet von Pferden und Kühen, einzelnen Murmeltieren und einer überwältigenden Blumenpracht auf den Almwiesen.
Den Anstieg auf das Kreuzjoch, das an diesem Morgen im dichten Nebel verschwand, sparten wir uns und machten uns auf den Weg zunächst herunter zur Grasjochhütte (1.975 m), dann über einen Kamm zur Wormser Törl (2.165 m), danach in ein Kar mit Blockwerk und Trümmern bis zum Roßbergjoch (2.135 m). Danach ging es stetig bergauf und bergab entlang des Roßbodens (der wohl wegen der hier grasenden Pferdeherden so heißt?) wiederum etwas hinauf zum Madererjöchle, einem Grat, der den Blick auf den weiteren Weg freigab (2.251 m). Hier wurden erste Pflaster geklebt, und eine weitere dringende Trinkpause eingelegt. Ein langer Marsch durch Alm- und Feuchtwiesen (mit Fröschen, kleinen Tümpeln und gottlob zahllosen Bergbächen, in denen wir die Wasserflaschen wieder auffüllen oder uns kurz abkühlen konnten). Entlang des Madererkamms führte der Weg weiter bis zu einer Unterstandshütte für Notfälle, der nicht bewirtschafteten Roßberghütte (2.201). Hier legten wir eine letzte Pause ein, den Anstieg von etwa 200 m in das Viaschavieljöchle (2.480 m) vor Augen, um Kraft zu sammeln für die letzte Etappe des Tages. Die Länge der Tour und die Hitze forderten unsere ganzen Reserven. Eine junge Einheimische, die den Wormser Höhenweg allein ging und uns unterwegs schon mehrfach begegnet war, stieg uns voraus und ließ uns von weitem den Weg erahnen, der noch vor uns lag. Im steilen Kar hoch zum Joch half der Tipp von Iris: schön regelmäßig gehen und immer bis vier zählen, stetig durchgehen im eigenen Tempo. Das half den weniger Konditionsstarken unter uns, auch diese letzte Hürde zu nehmen. Alle wurden letztlich getragen von einer Gruppe, die sich überwiegend recht vertraut war und viel Toleranz für unterschiedlichste Verfassungen aufbringt, die sich auf einem so langen Weg einstellen können.
Auf der anderen Seite des Jochs konnten es Ilka und Sigrid kaum erwarten, sich in einem der vielen Seen abzukühlen, sie liefen voraus, während die meisten sich auf dem Joch eine kurze Verschnaufpause gönnten. Dann lockte die Aussicht auf die Neue Heilbronner Hütte, die doch noch ein wenig auf sich warten ließ – immerhin führte der Weg gemächlich über einige Flanken, zu Austrudeln nach der langen Tour genau das Richtige. Letztlich benötigten wir (inklusive Pausen) für den Weg sogar 11 Stunden – quasi der Härtetest direkt zu Beginn der Tour, der die Gruppe zusammenschweißte. Die angedrohte Wetterverschlechterung blieb noch aus, sodass wir sicher und trocken gegen 18:30 die Hütte erreichten.
Die Neue Heilbronner Hütte (2.320 m) entließ uns am nächsten Tag gestärkt durch ein formidables Frühstück auf unsere nächste Etappe Richtung Friedrichshafener Hütte – einer Genusstour mit einem etwas steileren Anstieg durch das durchaus hochalpine Gelände auf das Muttenjoch (2.620 m).
Einige nutzten die Gelegenheit anstelle einer längeren Rast auf dem Joch, die nahe gelegene Gaisspitze (2.779 m) zu erklimmen – ein Weg in Kehren hinauf durch schotteriges, steiniges Gelände mit einem kurzen seilversicherten Abschnitt kurz vor dem Gipfel.
Hier begegneten immerhin aus einiger Entfernung die typischen Hochgebirgsbewohner: Steinböcke lugten mit ihrem Geweih über den Grat der Gaisspitze, ein Steinadler kreiste über uns.
Der recht steile Weg herunter vom Joch führte noch an einigen Schneefeldern vorbei – eines musste überschritten werden – und wurde von einigen eher wedelnd wie auf Skiern oder auch mehr oder minder rutschend genommen. Zur Friedrichshafener Hütte war ein letzter kleiner Rücken zu überschreiten, dann bot sich schon der fulminante Blick auf die schön gelegene Hütte mit dem See, der uns bei schönsten Sonnenwetter direkt zum Abkühlen einlud. Mehr als ein paar Schwimmzüge bis in die Mitte des Sees ließ allerdings die Wassertemperatur nicht zu.
Den Rest des Nachmittags genossen wir um die Hütte herum, während Iris sich mit dem weiteren Wegverlauf beschäftigte. Eine Veränderung war schon im Vorfeld erkennbar gewesen: Der riesige Felssturz am Fluchthorn im Juni, das nach diesem erschreckenden Ereignis etwa 20 m an Höhe eingebüßt hatte, zog die Sperrung einer ganzen Region nach sich, durch die unsere übernächste Etappe ursprünglich führen sollte. Hinzu kam aktuell die deutliche Wetterverschlechterung, die es unattraktiv und nicht ungefährlich erschienen ließ, den Weg auf die Heidelberger Hütte wie geplant anzugehen. Iris recherchierte Alternativen und tauschte sich mit einer einheimischen Mitarbeiterin der Hütte über die Optionen aus. Schließlich entschieden wir uns bei einer Lagebesprechung für den Abstieg nach Galtür am nächsten Tag und zwei Nächte (anstelle von einer) auf der Jamtalhütte. Die Heidelberger Hütte hätte uns einen langen Marsch ins Tal und einen ebenso langen wieder heraus abverlangt, weil der Weg über den Pass durch den Bergsturz versperrt war. Das schien uns auch angesichts des Wetters wenig sinnvoll.
So stiegen wir am nächsten Morgen von der Hütte ab nach Galtür, durch Lawinenverbauungen, Wald- und Wiesengelände und nahmen von Galtür aus das Hüttentaxi zur Jamtalhütte (2.165 m), um noch am Nachmittag die hochalpine Gegend um die Hütte herum erkunden und Pläne für den nächsten Tag schmieden zu können. Auf der Erkundungstour Richtung Jamtalferner überwältigte uns die hochalpine Landschaft der Silvretta.
So sehr uns die Natur in den Bann zog, so sehr erfüllte uns der Blick auf den Bergsturz am Fluchthorn einerseits mit Respekt gegenüber den Naturgewalten, andererseits mit einer leicht beschämenden Demut angesichts der menschengemachten Veränderungen in dieser archaisch anmutenden Landschaft: Der Rückgang der Gletscher war ebenso allgegenwärtig auf unserem Weg im Jamtal wie der Felssturz, der durch den Rückgang des Permafrostes verursacht wurde und sicher nicht der letzte in dieser Gegend war. Überall zeigt sich recht loses Geröll, teils riesige Felsblöcke, die wie zufällig in die Landschaft gestreut wirken. Die Abbruchkante am Fluchthorn war vom Weg hin zum Gletscher deutlich erkennbar.
Sowohl die Hüttenwirtin als auch Einheimische berichteten, dass es fast täglich neues Rumpeln aus Richtung Fluchthorn gibt. Die letzten Ausläufer der Geröll-Lawine, die nach dem Bergsturz ins Tal stürzte, waren von der Hütte aus gut erkennbar und schienen zum Greifen nahe. Mehrere Versuche, eine Gruppe von Expert:innen zur Erkundung in die Region des Bergsturzes zu entsenden, waren bisher gescheitert – angesichts des losen Blockwerks und der Menge an lockerem Schutt an der Flanke des Fluchthorns für uns unmittelbar nachvollziehbar.
Unsere eigene Erkundungstour an diesem Nachmittag brachen wir angesichts des heraufziehenden Unwetters vorzeitig ab und erreichten gerade rechtzeitig vor Blitz und Donner die Hütte.
Angesichts der weiteren Wetteraussichten änderten wir auch den Plan für den nächsten Tag erneut. Der angedachte Weg zum von der Hütte aus sichtbaren Rußkopf (2.693 m) war angesichts weiter drohender Gewitter weder ratsam noch attraktiv. So entschieden wir uns für den Abstieg von der Jamtalhütte am nächsten Morgen. Das erste Stück talauswärts blieben wir noch trocken, auf den letzten Metern kurz vor Galtür mussten wir doch die Regensachen auspacken. In Galtür schien dann wieder die Sonne und wir machten uns auf Richtung Kopssee (1.810 m), wo uns der nächste Schauer ereilte. Daher nahmen wir von hier aus den Bus Richtung Silvrettasee, wo Iris für uns Platz im Madlenerhaus direkt an der Staumauer reserviert hatte. Wir erkundeten in der nächsten Regenpause immerhin die Gegend rund um die Hütte und entdeckten einen kleinen Canyon in Hüttennähe – der Weg hindurch würde hinüberführen in die Gegend, in der die Gruppe vor 2 Jahren unterwegs war.
So verbrachten wir den letzten Abend im Madlenerhaus (1.986 m) und verabschiedeten uns am nächsten Tag mit einer etwa 2,5-stündigen Tour rund um den Silvrettasee, der uns die atemberaubende Landschaft nochmals sehr nahebrachte.
Gegen Mittag brachen wir dann von der Hütte auf, um den Heimweg anzutreten.
Zurück bleiben großartige Eindrücke einer wechselvollen Landschaft mit reizvollen Wegen, unterschiedlichen Herausforderungen und dem großartigen Gefühl des Aufgehobenseins in dieser großartigen Natur, das wie kaum eine andere Art des Urlaubs die Mühen des Alltags vergessen macht. Die notwendigen Änderungen im Tourverlauf zeigten uns auch die Grenzen unserer menschlichen Möglichkeiten angesichts der Naturgewalten. Iris als Wanderleiterin hat uns durch diese Hüttentour sicher, falls nötig ermutigend und als verlässliches Herz der Gruppe durch eine (für viele wieder einmal) großartige Frauenhüttentour geleitet.