Unser Abenteuer startet am 27.07.2014. Nach entspannter Bahnfahrt kommen wir ohne Verspätung am Flughafen Frankfurt an. Dort treffen wir unsere beiden belgischen Freunde - mit zwei hoch beladenen Gepäckwagen. Eines ist klar: das viel beschriebene pole pole (Swahili für „langsam“) fängt schon am Frankfurter Flughafen an. Ehe alle an Bord sind und wir dann endlich abheben ist es 23.00 Uhr – fast 1,5 Stunden später als angesagt. Seltsamerweise landen wir aber eine Stunde früher als geplant in Addis Abeba, und das ist nicht in der Zeitumstellung begründet. Verstehen tu ich das alles nicht so ganz, aber egal.
Beim Anschlussflug wieder die gleiche Situation: wir starten mit erheblicher Verspätung, landen aber nahezu pünktlich auf dem Kilimanjaro Airport. Alles seltsam.
Die Ankunft in Tansania war zunächst geprägt von motivationslosem Flughafenpersonal. Visum abholen, Foto, Fingerabdrücke, was die hier nicht alles von einem wollen...?
Meine größte Sorge galt unserem Gepäck. Aber natürlich unbegründet: alles war komplett mitgekommen! Und am Flughafenausgang nahm uns Sebastian von Snow & Savannah Safaris aus Heilbronn, bei denen wir die Tour gebucht hatten, mit einem freundlichen „Karibu sana“ in Empfang. Das Gepäck in einen großen Jeep und dann ging es ab nach Arusha.
Auf dieser Fahrt unterhielten wir uns viel, sahen aber auch schon Tansania am Straßenrand: Massai in ihren Gewändern beim Kühe hüten; Kinder, Buden und Läden. Authentisches Afrika eben – so wie die Leute hier nun mal leben. Alles fühlt sich gut an, obwohl es unglaublich fremd ist.
Man brachte uns zur Ilboru Safari Lodge – ein schönes Hotel mit tollem Garten. In diesem Garten befinden sich einzelne Bungalows, in denen die Zimmer eingebaut sind. Wir haben sogar eine eigene kleine Terrasse. Und es gibt einen schönen Swimmingpool. Beides haben wir allerdings nicht genutzt, denn Sebastian bot sich an, uns am späten Nachmittag die Stadt zu zeigen. Arusha live – ohne Schnörkel, ohne Touristen. Nur Märkte, fliegende Händler, freundliche, aber ebenso aufdringliche Leute. Ein Gewusel ohne gleichen.
Das Essen in der Lodge am Abend war hervorragend. Lauter unbekannte Sachen in lauter kleinen Schüsseln serviert. Dazu haben wir unser erstes Kilimanjaro Bier getrunken.
Morgen geht die große Tour los. Alles ist in die richtigen Taschen verpackt, gegen 8.30 Uhr sollen wir abgeholt werden. Ich bin nicht mehr aufgeregt. Ich hab es geschafft, mich komplett auf dieses Abenteuer einzulassen. Und ich will jeden Tag, jede Stunde im Hier und Jetzt verbringen. Karibu sana!
Der Wecker ging und ich wusste zuerst nicht, wo ich war. Zu tief und fest hatte ich geschlafen und geträumt. Außerdem war es noch ganz dunkel.
Eine letzte warme Dusche später fanden wir uns zum Frühstück in der Lodge wieder. Dann wurden wir mit einem Kleinbus abgeholt. Die ganze Mannschaft saß darin und obendrauf die Ausrüstung für die 8 Tage Bergtour. Sofort regte sich das schlechte Gewissen: das müssen die alles nach oben tragen???
Eine absolut abenteuerliche Fahrt über zuerst Straßen und dann unglaubliche Staubpisten folgte. Und wir dachten immer, in Belgien gäbe es schon schlechte Straßen...
Nach ca. 3,5 Stunden kamen wir am Londorossi Gate an, wo gewogen, registriert und gepackt wurde. Danach ging es wieder ein Stück zurück und nochmal eine Abenteuerfahrt über unglaubliche Pisten. Der Bus kam nicht ganz bis zum Startpunkt der Lemosho Route. Aber auch egal, wir sind dann schon mal weg.....
Pole pole ging es durch den Wald und Regenwald. Und pole pole ist mehr als wörtlich gemeint. Hassan, unser Assistent Guide, ging im Zeitlupentempo den Berg hoch. Ich dachte, herrje, soooo langsam kann ich doch nicht gehen. Aber Hassan pfiff mich direkt zurück. Pole pole! Also passte ich mich ihm an. Wird schon so gut sein.
Es war eine schöne Waldwanderung. Wir haben Colobus-Affen gesehen (und später auch gehört – Mann, machen die einen Krach!). Und wir haben viel gesungen. An einer Brücke haben wir zusammen „Bridge over troubled water“ gesungen und Salim, unser Guide, brachte uns das Jambo-bwana-Lied bei.
Als wir abends im Big Tree Camp ankamen, gab es eine Schüssel schön warmes Wasser und dann ging es ins Küchenzelt, wo es Tee, Kaffee, Popcorn und Kekse gab. Danach wurde uns ein 3-Gänge-Menü serviert, das unglaublich lecker war. Live-Cooking war das. Juma, der Koch, war mittendrin auf einer Gasflamme am Kochen und wir sßen drumherum an einem kleinen Klapptisch.
Wir hatten alle so viel Spaß! Noch im Zelt haben wir sehr viel gelacht. Irgendwann war Ruhe, aber nicht lange, dann haben die Colobus-Affen mit ihren seltsamen Geräuschen angefangen. Bin ich froh, dass ich in der Nacht nicht mehr aufs Klo musste. Das haben wir alles auf der Tour tagsüber erledigt – unzählige Male!
Vom Big Tree Camp zum Shira Camp 1
Um 6.30 Uhr fingen wir an, wieder unser Zeugs zusammen zu packen. Das ist echt eine blöde Arbeit. Aber das lernen wir noch.
Um 7 Uhr gab´s warmes Wasser und anschließend ein Frühstück, mit Porridge, Brot, Ei, Marmelade, Honig und ein Pancake. Hmmm. Dann bekam jeder 4 Liter Wasser und ich hab mir noch was Ingwer-Tee abgefüllt. Auch eine Lunch-Box war dabei. So hatten wir schon was zu tragen, als wir aufbrachen.
Vorher wurde auf dem heimischen Klo da gelassen, was eben ging. Oje, die Klos! Eine Bretterbude mit Loch im Boden. Wohl dem, der zielen kann! Auch das werden wir noch lernen.
Der nach Aufbruch uns erwartende Regenwald war noch schöner als am ersten Tag. Richtiger Urwald mit hängendem Zeugs an den Bäumen. Ein ewiges Auf und Ab, dann ein sehr steiles Stück bis hinauf zu einem Picknickplatz. Dort traf uns die grausame Erkenntnis, was es für bekloppte Leute gibt:
Amerikaner lassen auf dem Lunch-Platz ein Riesen-Messe-Zelt aufbauen und dazu auch noch ein portables Privat-Klo. Deren Träger, die das ganze dort vorbereitet haben, warten etwas weiter weg im Gebüsch, teils frierend und – wie wir feststellten – auch hungrig. Unser Angebot aus unseren Lunch-Boxen nahmen sie dankbar an, was mir regelrecht eine Gänsehaut bereitete. Wir waren uns alle einig, dass diese Amis verrückt sein müssen.
Nach dem Lunch Break mit unseren Guides ging es zwar nicht mehr so steil, aber doch steiniger weiter. Jetzt waren wir aus dem Regenwald raus und liefen in der Moorland-Zone. Bäume und Sträucher waren nur noch höchstens mannshoch. Viele Erika-Gewächse gab es zu sehen.
Mit dem „Unterwegs-Pipi-Machen“ haben wir sicherlich den absoluten Rekord aufgestellt. Alle Guides meinten, so etwas noch nie erlebt zu haben, sagten aber, das sei absolut gut so. Das würde zeigen, dass sich unser Körper gut anpassen und er gut funktionieren würde. Es ist zwar etwas lästig, aber nun einmal notwendig.
Unser heutiges Etappenziel ist das Shira Camp 1. Es hat eine tolle Rundumsicht – wenn nicht gerade Wolken da sind. Der Kili selbst hüllt sich heute auch ganz schön in Wolken, aber man sieht an seinen Hängen teilweise Sonnenflecken.
Die Guides kümmern sich rührend um unser Befinden. Gemeinsam schaffen wir es, sagen sie. Ich komme mir jetzt schon vor wie in einer großen Familie und das meine ich von Herzen. Glücklich und zufrieden liegen wir im Zelt, die Beine aus Platzmangel zwangsläufig etwas hochgelegt.
Nach dem Frühstück kam ich aus dem Küchenzelt heraus, wollte gerade etwas sagen – da blieben mir die Worte im Hals stecken und der Mund offen stehen: unser Berg zeigte sich! Und wie! Mit blauem Himmel und den Gletschern lag er wunderschön vor uns. Ein ganz traumhafter Anblick.
Einige Fotos später ging es dann los zum Shira Camp 2. Der Weg durch Erika-Büsche und große dahingeworfene Steine hindurch fühlte sich fast eben an. Wie ein gemütlicher Spaziergang. Das Schlendertempo haben wir beibehalten. Wer weiß, wofür es gut ist...
Wir haben Riesen-Lobelien und Riesen-Senecien gesehen und Sebastian, Eggy und ich sind auf einen freistehenden Felsen geklettert. Dort oben waren wir mit dem Kili im Hintergrund größer als dieser. Sah toll aus. Außerdem haben wir auch dieses Mal viel gesungen und gelacht. Bohemien Rhapsody auf 3.800 m – und das 4-stimmig! Freddy wird uns zugehört und bestimmt auch gelacht haben.
Am Shira 2 hingen die Wolken sehr tief. Also Waschen im Feuchten und schön den dicken Pulli anziehen. Mit Sebastian haben wir uns noch lange unterhalten. Über Safaris, über Selbstverantwortung am Berg und – wie immer – über bekloppte Amis. Es ist sehr schön, mit ihm und seinen Leuten zusammen zu sein.
Jetzt sind wir also auf 3.900 m gelandet. Mir geht es hervorragend. Keine Kopfschmerzen, kein Durchfall, keine Müdigkeit. Ich bin fit, hab noch nicht mal Muskelkater. Wovon auch? Bis jetzt war wirklich alles pole pole...
Wir haben – neben ein bisschen Swaheli – schon viel gelernt:
– unsere Fingernägel werden in diesem Leben nicht mehr sauber werden
– Klamotten sind zum Dreckigwerden da
– Frische Klamotten werden total überbewertet
– der Mensch braucht keinen Spiegel (ich hab seit 3 Tagen in keinen mehr geschaut)
– HAD-Tücher sind die beste Erfindung seit der Glühbirne
– Unglaublich, wozu eine Fleecejacke alles gut ist.
Wir sind mit Hassan und Salim ein gutes Stück in Richtung des nächsten Camps gegangen. Ein Akklimatisierungsspaziergang. Das Wetter war jetzt sonnig und wieder ganz plötzlich lüftete der Kili seinen Wolkenvorhang. Er ist natürlich noch näher gerückt und ist einfach fantastisch anzusehen.
Dann eine himmlische Ruhe und absolute Windstille. Bis auf etwa 4.100 m sind wir ganz in Ruhe gestiegen. Dort oben haben Andrea, Iris und ich eine Yoga-Übung mit Blick zum Kili gemacht. Tief ein- und ausatmen! Es war einfach wunderbar.
Auch jetzt sitzen wir auf einem ca. 5 m hohen Felsen im Camp und blicken auf den komplett wolkenfreien Kili mit blauem Himmel im Hintergrund. So schön hier!
Schon werden wir wieder zum Essen gebeten – schon wieder essen??? Den anschließenden Tee musste ich draußen einnehmen, denn mittlerweile gab es ein fantastisches Abendrot zur Talseite hin und der Kili auf der anderen Seite war komplett frei. Dazu war der Mond als Sichel über mir und immer mehr Sterne tauchten auf. Zum Heulen schön!
Aber jetzt wurde es empfindlich zu kalt, um in der Fleecejacke draußen zu bleiben – trotz warmem Pullover. So klar wie der Himmel jetzt ist, sollte es morgen schön werden. Trotzdem hat Sebastian uns auf jedes Wetter vorbereitet: es könnte heiß oder kalt, sonnig oder wolkig sein, es könnte regnen oder sogar schneien. Wir hoffen das Beste für uns alle.
Ich glaube, auch meine Hände werden nie mehr richtig sauber, egal, wie oft ich auch wasche. Das Shira 1 gestern war sehr staubig und ich hab das Gefühl, das hat sich überall festgesetzt. Andrea hat heute abend ihre Akkus aus der Kamera mit in den Schlafsack genommen. Die Trekkingsocken liegen sowieso drin. Die Schuhe stehen in dem Mini- Streifen von Vorzelt, damit sie morgen schön kalt sind :-) Da unsere gesamte Ausrüstung im Fußraum des Zelts liegt, fällt es mir schwer, mich ganz auszustrecken. Gestern ist es mir aber gelungen, eine kleine Lücke zu finden, in die meine Füße rein passten. Mal sehen, ob das heute auch klappt.
Vom Shira Camp 2 zum Barranco Camp
Der Schlaf wird immer besser, man gewöhnt sich einfach an alles. Das Wetter ist sowas von bezaubernd: strahlend blauer Himmel, die Sonne kommt gerade über den Kili, unten im Tal liegen die Wolken wie Kissen. Wir sind sehr langsam los gegangen. Die Landschaft änderte sich jetzt und wurde so etwas wie eine Steinwüste. Unendliche Weiten. Ganz hinten kam der Mount Meru aus den Wolken heraus. Und der Kili hatte sich den ganzen Tag über für uns hübsch gemacht. Kein Wölkchen bedeckte ihn, azurblauer Himmel über ihm. Immer näher rückte er – natürlich. Gewaltiges Massiv, unbeschreiblich präsent!
Dann gingen wir der Akklimatisierung wegen weiter pole pole bis zum Lava Tower auf ca. 4.600 m – und uns allen ging es gut. Der Lava Tower ist ein hohes Steingebilde, dort war es sehr windig. Man kann dort auch campen und es gibt ein paar Klohütten, die ich mal eben benutzt habe.
Dann ging es wieder abwärts Richtung Barranco Camp. Je näher wir dem Camp kamen, desto fruchtbarer wurde die Landschaft. Riesen-Senecien, ein Bach mit kleinem Wasserfall – es sah aus, wie eine Oase.
Am Barranco Camp auf 3.960 m angekommen, gab es wieder das obligatorische Foto.
In unserem Zelt herrscht das Chaos. Alles ist dreckig – aber ich fühle mich sauwohl. Wir haben heute festgestellt, dass Singen und Lachen in der Höhe sehr helfen. Zufrieden und voller Glück schlafen wir ein.
Vom Barranco Camp zum Karanga Camp
Ich wache kurz nach 6 Uhr auf, weil ich dringend zum Klo muss. Es nicht halb so kalt, wie ich erwartet habe. Es wird hell und das Wetter ist atemberaubend. Wieder ist alles klar und frei, unten über Moshi liegt eine Wolkendecke.
Endlich geht es dann los Richtung Barranco Wall. Riesig hoch riegelt sie die eine Seite des Camps ab. Als wir die Wand erreichen gibt Salim uns Anweisung, Abstand zu halten und auf seine Bewegungen zu achten. Noch ist es kalt, aber schon bald kommt die Sonne hervor. Es ist Block-Kletterei und wir gewinnen schnell an Höhe. Das Klettern macht Andrea und mir total viel Spaß und der Blick nach unten ist atemberaubend. Alles ist jetzt sonnig.
Dann haben wir sie gepackt, die Great Barranco Wall. Oben gibt es ein Plateau mit Blick ins teils wolkenverhangene Tal und hoch zum - wieder mal für uns hübsch gemachten – Kilimanjaro. Wie nah er jetzt schon ist! Kein Wölkchen verdeckt die Sicht. Seine Gletscher glitzern in der Sonne. Wir machen viele Traumfotos und genießen einfach nur.
Wie jeden Tag kommen gegen Mittag die Wolken nach oben. Den Weg zunächst abwärts und dann immer auf und ab in Richtung Karanga Camp laufen wir die meiste Zeit im Nebel. Hinunter ins Karanga Valley, dort wachsen wieder die Riesen-Senecien. Noch über einen Bach (die letzte Wasserstelle) und dann ein langer Aufstieg zum Karanga Camp. Etwas außer Puste kommen wir an. Die übliche Registrierung und das Einschreiben ins heilige Buch. Schon wieder aufwärts, denn unsere Zelte sind weiter oben aufgebaut.
Ankommen, auspacken (immer das Anstrengendste am ganzen Tag), Matten aufpusten (meine Aufgabe) und Waschen. Es ist zwar noch neblig, aber es ist relativ warm. Also fällt das Waschen heute etwas gründlicher aus und ich ziehe mich sogar komplett um. Premiere für meine Jogginghose!
Morgen werden wir zum letzten Camp im Aufstieg gehen, das Barafu-Camp auf 4.700 m Höhe. Dort gibt es nur ein bisschen Schlaf, bevor es in der Nacht zum Gipfelaufstieg geht. Ich mache mir darüber keine Gedanken. Nach allem, was bisher war, habe ich keine Zweifel mehr (hatte ich je welche?). Natürlich wird es dann erst so richtig hoch gehen, aber hey, wir haben selbst auf 4.600 m am Lava Tower nichts gespürt. Dann ist es mir auch egal, wenn ich auf 5.000 m Kopfschmerzen bekommen sollte.
Jetzt liegen wir im Zelt. Ich schreibe, Andrea liest … just relax. Immer wieder sagen wir: „Mann, was geht es uns gut!“ Wir trinken jeden Tag wie die Kühe und wir essen so gesund wie nie. Jeden Tag gibt es frische Früchte: Papaya, Orangen, Ananas, Bananen. Dann Salat, Gemüse, Kartoffeln, Nudeln und immer eine warme Suppe. Ich hab auch immer noch guten Appetit. Alles in allem ein gutes Zeichen.
Am späten Nachmittag haben Hassan und Sebastian einen Akklimatisierungsspaziergang mit uns gemacht. Den Hügel hoch, da kam die Sonne. Der Kili zeigte sich wieder und zwar in seinem schönsten Kleid. Die Abendsonne schien wie Feuer auf manche seiner Flanken. Dann kamen wieder Wolken und schon wurde es kälter.
Noch etwas heißes Wasser getrunken und dann ab zu den Zelten, die außen schon gefroren waren. Da blieb mir wieder der Mund offen stehen: ein sternenklarer Himmel, tausende Sterne am Nachthimmel, der Sichelmond und über dem freien Berg nochmal so viele Sterne. Leider haben wir es nicht geschafft, diesen Traum auf ein Foto zu bekommen. Dann haben wir also die Bilder im Kopf.
Zitternd versuchen wir, uns in die Schlafsäcke zu manövrieren, die Trekkinghosen aus- und die lange Unterhose anzuziehen. Ehe ich fertig im Sack liege bin ich am japsen wie blöde. Das bringt mich wieder zum Lachen. Wie kann es sein, dass ich beim Gehen bisher konditionell kaum gefordert war, und bei der Rödelei im Zelt völlig fertig bin???
Jetzt, beim Schreiben, fällt mein Blick auf meine – eigentlich gewaschenen – Hände: der Dreck sitzt überall! Aber das wird sowieso mal wieder alles überbewertet.
Vom Karanga Camp zum Barafu Camp und zum Uhuru Peak
Guten Morgen, Herr Berg! Der Kili strahlt uns auch heute wieder an und zum Tal hin ist eine einzigartige Wolkendecke zu sehen. Heute zum Frühstück hatte ich nicht mehr ganz so viel Appetit. Aber es geht allen immer noch sehr gut. Wir sind startbereit für die nächste Etappe, stehen in der Sonne und warten nur noch auf unsere Wasserration.
Dann ging es los: Erst den steilen Hügel hoch, oh da war der Anfang schwer. Zu viel gegessen, der Rucksack voll mit 4,5 Litern Flüssigkeit. Aber bald fanden wir unseren Rhythmus wieder, dank Salim. Weiter oben brannte die Sonne, eine wahre Pracht! Ich weiß, ich wiederhole mich, aber der Kili macht sich einfach für uns hübsch!!! Die Aussichten sowohl in die Steinwüsten als auch auf den Berg sind so unbeschreiblich schön. Alle können das Wetterglück nicht fassen. Ein Traum, sagen selbst die, die schon so oft hier waren.
Es war die kürzeste Etappe bisher. Gegen 12.15 Uhr trafen wir nach einem letzten kraftraubenden Anstieg am Barafu-Camp auf 4.700 m ein. Hier ist es nahezu windstill und absolut sonnig. Unsere Zelte stehen neben der Registration zwischen Felsen an einem geschützten Platz. Den Beginn des Weges nach oben können wir von hier aus einsehen. Da kommen auch immer wieder einige runter. Was für ein Gipfeltag. Aber den werden wir morgen auch haben, bestimmt.
Letzte Nacht war ich dann doch ein wenig aufgeregt. Wie wird es wohl sein? Aber noch immer hab ich keine Zweifel, dass wir es alle schaffen. Die Betreuung durch unsere Guides und die restliche Crew ist mit Worten nicht zu beschreiben. Gestern sagte Sebastian, dass die ganze Mannschaft will, dass wir nach oben kommen. Dann ist sie stolz. Ach, ich hab mich schon jetzt in alle verliebt!!!
Heute ist die Ankunft im Camp sonnig warm, wir lüften unsere Schlafsäcke und Sachen auf den Steinen ringsum. Belgien liegt im Zelt und ruht. Andrea bereitet unser Zelt vor (thank you!) und ich – der Jeck – sitze im Unterhemd und mit nackten Füßen auf einem Stein in der Sonne und schreibe. Alle sind glücklich, alle freuen sich.
Nach dem Lunch sollten wir uns ausruhen und bestenfalls was schlafen. Was mir auch gelungen ist. Andrea leider nicht. Gegen 4 Uhr haben Hassan und Salim mit uns mal wieder den obligatorischen Akklimatisierungsspaziergang gemacht. Das geht natürlich nur in eine Richtung :-). Das hatte auch den Sinn, uns im Hellen den Weg zu zeigen, den wir nachher im Dunkeln gehen werden. Der ist zum Teil nicht ohne. Felsplatten mit recht tiefem Blick nach unten. Aber Salim in seiner unendlich ausstrahlenden Ruhe ist wie ein Fels in der Brandung. Allein seine Stimme ist wundervoll beruhigend. In der Höhe wurde dann der Mawenzi, der Nachbar des Kili, frei. Wir sind bis auf ein Plateau gewandert, haben dort im Angesicht des Mawenzi nochmal was Yoga gemacht und sind dann wieder zurück gegangen.
Früh sind wir schlafen gegangen. Um 23 Uhr weckte uns ChaCha (und mein Wecker). Das meiste hatten wir schon im Schlafsack angezogen, den Rucksack schon gepackt. Es gab noch Kekse und Tee und dann, ja dann, ging es los!
Ein wunderschöner Mond schien am sternenklaren Himmel. Ich durfte aber nicht mehr fotografieren, da die Kamera schon warm im Rucksack verpackt war, so wie Salim uns das aufgetragen hatte. Mehrere Gruppen brachen auf oder waren schon unterwegs den Hügel hinauf. Eine kleine Lichterprozession, die ein bisschen an St. Martin erinnerte. Es war noch nicht so kalt, das würde sich aber bald ändern. Zuvor hatten Salim und Sebastian unsere Kleidung komplett gecheckt. Also waren wir warm angezogen.
Wichtig war auch, immer die Reihenfolge einzuhalten, und dass jeder in die Fußstapfen des anderen tritt. Also ein richtiger Gänsemarsch.
Oft überholten uns Gruppen, die schneller waren, aber dann öfter Pause machten, so dass wir wieder voran gingen. Salim hatte uns eingeschärft, nicht so oft stehen zu bleiben, um nicht auszukühlen. Dafür würden wir aber gleichmäßig langsam gehen.
So ging es auch, ohne Probleme. Wir haben auch das ein oder andere Mal gesungen, wie in den vorangegangenen Tagen auch. Irgendwann kam dann die Kälte. Und das so heftig, dass meine Füße total kalt wurden. Ich brauchte auch irgendwann meine Sturmmaske und die dicken Handschuhe. Ansonsten war es von der Kälte her auszuhalten. Bis auf meine Füße.
Brav gingen wir hintereinander, von Salim so eingeteilt: er voran, dann Iris, Andrea, ich und Eggy. Es kam mir teilweise vor, wie in einer dieser Everest-Dokus: die extrem langsamen Fußstapfen im Schnee und dieser schnelle Atem dazu. Nur dass wir (Gott sei Dank!) keinen Schnee hatten, sondern schottriges Geröll. Also, Fußspitze ins Geröll schieben, kurze Pause, andere Fußspitze, kurze Pause.......
So ging es immer weiter, teilweise steil nach oben, teilweise in kleinen Serpentinen. Wenn man nach oben schaute, sah man die Lämpchen-Kette ins Unendliche reichen. Also schnell wieder den Blick nach unten und auf die Füße des Vordermanns konzentriert.
Unsere Guides fragten immer wieder zwischendurch, ob alles ok ist. Jeden einzelnen. Ja, es war ok, sau-anstrengend, aber ok.
Irgendwann sagte auch niemand mehr was. Alle waren mit sich selbst beschäftigt. Eine Zeitlang fühlte ich mich wie in einem Traum. Bei den Serpentinen kam es mir in jeder Kehre vor, als stünde dort eine offene Holzhütte. War ich am fantasieren?
Als ich zwischendurch Andrea fragte, wie es ihr ging, sagte sie laut: „Das ist wie Kinder kriegen! Ich hab drei Kinder gekriegt, dann schaffe ich das hier auch!“. Ja, sagte ich, und wenn die Sonne aufgeht, ist alle Anstrengung vergessen.....
Dann nochmal eine Minipause. Insgesamt vielleicht die dritte. Salim hatte uns gebeten, niemals anzuhalten, ohne es ihm zu sagen. Da war auf einmal der Moment, in dem ich merkte, dass ich jetzt sofort etwas brauchte: Energie! Da unsere Trinksysteme trotz Isolierung eingefroren waren (das Mundstück ist nunmal die Schwachstelle), konnten wir nur noch aus unseren Flaschen trinken: Wasser, das mit Magnesiumtabletten versetzt war. Das hab ich dann getrunken und ein Stück Schokolade gegessen. Sofort ging es mir besser. Aber sobald man stehen blieb, schlug die Kälte in dieser klaren Nacht erbarmungslos zu.
Ich weiß nicht, wie ewig lange wir unterwegs waren, als Andrea mich auf einen leicht hellen Streifen am Horizont aufmerksam machte. Ich wagte nicht zu hoffen, dass es wirklich hell wurde. Als Salim stoppte, sich nach uns erkundigte, uns in den Arm nahm und sagte „We are almost there. You´re strong!“, da konnte ich ihm gar nicht wirklich glauben. Nein, der will uns nur trösten, wir sind bestimmt noch lange nicht da.
Aber doch: schnell wurde es wirklich heller, und dann ging die Sonne auf und wir sahen Stella Point ein wenig oberhalb von uns. Der Kraterrand war fast erreicht. Dann war es plötzlich richtig hell und wir sahen zum ersten Mal aus nächster Nähe die Gletscher des Kili. Da fiel alles zusammen. Mir kamen die Tränen. Wir waren am Kraterrand, am Stella Point auf über 5.700 m! Sebastian sagte irgendwo hinter uns „Ein Traum wird wahr!“.
Lange blieben wir nicht dort, Salim drängte nach etwas Tee und einem Riegel zum Weitergehen. Das taten wir, und der Weg zum Uhuru Peak, der höchsten Stelle des Kraterrands und somit der Gipfel, war kaum noch steil.
Vom Uhuru Peak zum Barafu Camp und zum Mweka Camp
Ich merkte schon, dass ich auf dieser Höhe nicht mehr ganz so tief durchatmen konnte, aber schlagartig fiel mir auf, dass ich immer noch keine typischen Symptome der Höhe hatte.
Dann war es soweit: Alle vier erreichten wir bei strahlendem Wetter den höchsten Gipfel Afrikas – 5.895 m. Wir fielen uns alle in die Arme, herzten und küssten unsere Guides, weinten ein bisschen, aber strahlten auch vor Glück.
Der Abstieg bei strahlendem Sonnenschein war einfach. Die Geröllpiste rutschten wir runter wie beim Snowboarden. Jetzt, wo wir sehen konnten, wo wir aufgestiegen waren, waren wir uns einig: Gut, dass es dunkel gewesen war!
Natürlich war auch der Abstieg ordentlich lang. Hinter einem Felsen tauchten auf einmal ChaCha und einer unserer Träger auf und kamen uns singend und klatschend entgegen. Sie hatten kühlen Saft für uns und gratulierten und umarmten uns. Wir waren unglaublich gerührt. Andrea wurde jetzt Kili Mama und ich Kili Dada (Schwester) getauft.
Endlich kamen wir wieder am Barafu-Camp an, wo uns Tee in der Sonne erwartete und die vielen Glückwünsche der anderen. Völlig erledigt legten wir uns ins Zelt, schliefen zwei Stunden, bevor wir wieder mal essen mussten – Lunch. Danach folgte der Abstieg bis zum Mweka Camp. Weiter unten fing dann wieder der Wald an. Der Abstieg bis zum Mweka Camp klappte erstaunlich gut, obwohl wir an diesem Tag etwa 2.800 m nur runter gelaufen sind. Das Mweka Camp auf 3.100 m war ähnlich wie beim Aufstieg das Big Tree Camp sehr feucht und matschig. Allerdings gab es offensichtlich genug Wasser, so dass erstmals jeder eine Waschschüssel für sich bekam.
Vom Mweka Camp zum Mweka Gate und nach Moshi
Letzter Tag, Abstiegstag, Abschiedstag.
Nach dem Frühstück, bei dem ich zum ersten Mal überhaupt keinen Appetit hatte und nur was Porridge gegessen hab, gab es eine kleine Zeremonie. Alle versammelten sich und sangen und tanzten ausgelassen für uns, angeführt von ChaCha. Andrea machte die Trinkgeldübergabe. Der Mannschaft habe ich gesagt, dass sie wirklich wie eine Familie für uns waren. Alle drückten und herzten uns.
Zum ersten Mal in diesen Tagen ging es mir nicht gut. Mein Nacken schmerzte rechts und mein Rücken links unten. Außerdem war mir leicht übel.
Der Abstieg bis zum Mweka Gate zog sich wirklich lange hin. Es ging durch zauberhaften Regenwald, doch ich konnte es nicht richtig genießen. Mir ging es dafür zu schlecht. Die Übelkeit und der Rückenschmerz verschwanden zwar, aber vom Kopf her fühlte ich mich krank. Bis ich irgendwann diagnostizierte, dass ich einfach nur hundselendmüde war. Total erschöpft müde.
Als wir endlich am Mweka Gate ankamen, mussten wir uns wieder mal registrieren und dann bekamen wir von Salim feierlich unsere Urkunden überreicht. Obwohl ich auf so etwas ja grundsätzlich keinen Wert lege, fand ich es doch schön.
Nachdem wir uns dann noch mal von unserer Crew verabschiedet hatten, wurden wir nach Moshi gebracht. Was für ein Unterschied zu Arusha! Befahrbare Straßen, irgendwie europäischer. Wir haben in einem Coffee Shop zu mittag gegessen und ich hatte auf dem dortigen Klo Gelegenheit, nach 8 Tagen nochmal in einen Spiegel zu schauen. Ich war überrascht: es war nicht so schlimm, wie es sich anfühlte.
Nachdem ich im Coffee Shop beinahe am Tisch eingeschlafen bin, wurden wir in das Park View Inn Hotel gebracht. Nach etwa 2,5 Stunden Schlaf (ja, ok, ich gebe zu, mich zuerst hingelegt und dann erst geduscht zu haben...) dann die lang ersehnte heiße Dusche.
Moshi
Sebastian fuhr heute mit uns zum Gabriella Reha Centre, sozusagen ein Heim für behinderte Kinder. Ich fand es unglaublich interessant. Von zu Hause hatten wir jeder eine ganze Tasche voll Mitbringsel mitgebracht: Kleider, Buntstifte, Kulis, Papier, Malsachen etc. Die Freude war groß! Es tut gut, ein Projekt (auch künftig) zu unterstützen, das man selbst besichtigt hat.
Nach einem späten Abendessen sind wir mit Sebastian in die angesagteste Bar Moshis gegangen und haben unsere gemeinsame Tour mit ein paar Cocktails ausklingen lassen. In der Malindi Bar finden sich Afrikaner und Europäer zusammen, trinken und feiern. Alles ist in Holz gestaltet, sehr rustikal. Am Eingang wird man von Security-Leuten mit Detektoren abgescannt. Fand ich witzig. Als ich gegen halb eins ins Zimmer kam, hab ich mich nur noch was aufs Bett gelegt und ein bisschen geweint.
Von Moshi bis nach Ettelscheid
Zwei Stunden später haben wir uns am Kili Airport rührselig von Sebastian verabschiedet.
Bis Addis Abeba brachte uns eine Maschine, die so klein war, dass ich zum ersten Mal bei einem Flug leise Bedenken hatte. Aber schon sind wir wieder auf diesem quirligen Flughafen Addis Abeba und steigen gleich in das nächste Flugzeug ein. Gegen 16.35 werden wir in Frankfurt ankommen.
Geerdet, stark, stolz und völlig erfüllt bin ich zurückgekehrt. Mein lang gehegter Traum ist in Erfüllung gegangen. Es war noch schöner, als ich es mir vorgestellt habe, unglaublich aber wahr. Es hat einfach alles gestimmt, angefangen bei der Wahl des fantastischen Anbieters Snow & Savannah Safaris aus Heilbronn. Hier stimmte die Chemie sofort. Ich habe das Gefühl, als wär ich ewig weg gewesen. Herrje, was für tiefgreifende Erlebnisse, was für tiefgehende Beziehungen. Wie werde ich sie alle vermissen.