Schon im April hatten wir mit Freunden ein Haus ab Mitte September auf Sardinien gebucht – und eingeplant, dass wir (mein Mann und ich) auf dem Weg in der Schweiz noch eine kleine 3tägige Bergtour machen (also oberhalb der Baumgrenze, auf der Hütte bleiben, nicht zwischendurch absteigen). So, wie sich dieser Sommer in den Bergen entwickelte, haben wir zunächst nicht mehr dran geglaubt. Erst 3 Tage vor der Abfahrt und nach umfangreichen Recherchen haben wir einen konkreten Plan gemacht:
Im Tessin, unmittelbar südlich vom Gotthard, praktisch auf dem Weg, hatten wir die Capanna (Hütte) Cristallina entdeckt, auf 2575m, Zugang vom Val Bedretto (das Tal westlich von Airolo, Richtung Nufenen Pass).
Nach einem halben Arbeitstag und gut 7 Stunden Fahrt kamen wir abends im Tal an, hatten eine Übernachtung in All ´Acqua am Ende des Tals gebucht.
Der Aufstieg von dort (1600m) wurde mit 2.30Std. beschrieben, bei 1000 Höhenmetern erschien uns das nicht ganz unsportlich, aber wir hatten uns auch einen ganzen Tag Zeit genommen – erster Tag, wir lassen´s ruhig angehen... Zeit war dann auch notwendig, nach dem Almabtrieb fanden wir einige Markierungspfähle liegend vor und erkennbar war vor allem, welchen Weg die Kühe genommen hatten. Wir haben jedenfalls eine Weile gesucht, den Weg aber nicht gefunden sondern sind das Tal an einem sehr schönen Hang entlang ostwärts gegangen, um dann den eindeutigen Zugang zur Cristallina von Ossasco aus zu nehmen. Immer noch 1000 Höhenmeter, aber jetzt nach 4 Stunden Wanderung. Der Weg ist gut zu gehen, ständig begleitet durch gurgelnde Bergbäche, einige übriggeblieben Kühe und Ziegen und unglaublich viele Blumen.
Die Cristallinahütte guckte schon recht früh (ab ca. 2200 Höhenmetern) durch einen Sattel in unser Tal. Sie ist 2003 nach einem Architektenwettbewerb neu erbaut worden, die alte Hütte in der Nähe war mehrmals durch Lawinen beschädigt und schließlich zerstört worden. Es handelt sich jetzt um eine Art Schuhkarton aus Holz und Beton, der da auftauchte. Rechtzeitig zum Bier vor dem Abendessen waren wir oben, ganz schön geschafft nach dem ersten Wandertag – und schon sehr weit weg vom Alltag und der Arbeit. Belohnt mit 100% Bergwelt, Gipfel, Bergseen und Gletscher „gegenüber“, junge Steinböcke, die sich abends am See trafen, vorzüglichem Abendessen in der Hütte zu siebt und einem 4 Bettzimmer für uns beide.
Am nächsten Morgen blauester Himmel, glitzernder Gletscher, Steinböcke beim Frühstück vor der Hütte. Dort oben gibt es viele mögliche Touren, wir haben uns die Seen vorgenommen und sind eine wunderschöne Runde mit Einkehr in der Bergstation Robiei und wieder zurück zur Cristallinahütte gewandert, auch wieder 840 Höhenmeter und noch viel mehr wunderschöne Ausblicke.
Auf der Hütte war an dem Abend der Bär los, Gruppen waren eingetroffen und auf einmal waren wir 70 Menschen. Bei der Gelegenheit haben wir erfahren, dass wir in dem ganzen Stolz des Tessiner Alpenvereins untergekommen waren (und einmal mehr frage ich mich, wie Kinder mit diesem Dialekt eigentlich richtig schreiben lernen können).Essen wieder sehr lecker (auch den Steinböcken hat´s geschmeckt) wir wieder ordentlich müde. Schwer vorstellbar, dass wir am nächsten Abend in Genua die Fähre besteigen würden!
Aufwachen am nächsten Morgen mit Überraschung: es hatte etwas geschneit, war noch bedeckt und naturgemäß kalt. Für unseren Rückweg hatte die Hüttenwirtin uns einen anderen Weg empfohlen, durch das benachbarte Val Valleghia runter ins Val Bedretto. Das war ein toller Morgen in den Bergen, die Sonne machte sich Platz zwischen den Wolken, die Luft war unglaublich frisch, Schnee hatte so gerade allen Blumen eine Mütze aufgesetzt und es schimmerte doch noch gelb oder blau oder violett durch. Der Weg war noch gut erkennbar und kaum rutschig. Dieses Mal waren der Gotthard und seine Nachbarn klar erkennbar und es wurde ein sonniger Abstieg. Als wir um 12 Uhr zum Mittag in All´Acqua waren, hatten wir erst 2 ½ Tage Urlaub, waren voller sehr unterschiedlicher Bilder aus den Bergen, hatten uns richtig ordentlich bewegt, waren ausgeruht und sehr zufrieden.
PS: Dass es diesen kurzen Bericht hier gibt, hat natürlich damit zu tun, dass wir wirklich sehr begeistert von diesem Kurztrip „richtig in die Berge“ waren und den Abstecher gerne weiter empfehlen. Es gibt noch einen 2.Grund. Beim Packen, 1 Tag vor der Abreise, waren unsere DAV-Ausweise spurlos verschwunden, zumindest die von diesem Jahr. Sehr liebenswerter Weise hat Rudi Berners und ganz kurzfristig eine Bestätigung der Mitgliedschaft zugemailt, gegen einen kleinen Bericht unserer Tour. Was wir gerne gemacht haben und uns noch mal sehr herzlich für die prompte Nothilfe bedanken. Die Ausweise sind schließlich übrigens wieder aufgetaucht: Als mein Mann die Armbanduhr mit Kompass, Höhenmesser etc. aus der dafür vorgesehenen Kiste holte, waren die Ausweise mit dabei. Was er sich „damals“ dabei Kluges gedacht hatte, leuchtet sofort ein. Klarer Fall von: Trick 17 mit Selbstüberlistung.