Man glaubt kaum, wie flott Tourenplanung und Unterkunft stehen, als nach meinem jahrelangen schlechten Gewissen, die Kinder zu reichlich mit in die Berge und zum Klettern genommen zu haben, unser Sohn Jan ankommt und fragt: " Mama, wann wandern wir nochmal in den Bergen?"
Wir vereinbaren eine Woche im Tannheimer Tal, wo wir bereits vor zwei Jahren mit unserem Sektions-Leiter Herbert aus Wertach so schöne Eindrücke hatten.
Irgend jemand meint es gut mit uns, denn während Deutschland nach verpasstem EM-Sieg auch noch im Regensommer 2016 versinkt, haben wir im wahrsten Sinne des Wortes "echt Sonne."
Nach der Ankuft am Samstag Mittag schlüpfen wir gleich in unsere Wanderschuhe und nehmen unseren ersten Gipfel, den "Einstein" (1866 m) mit seiner schönen Rundumsicht und für die Orientierung in Angriff; wir finden den Typ erwartungsgemäß nicht am Gipfel, vielmehr handelt es sich hier um einen "auffallenden Felsgipfel in exponierter Lage." Auch gut - für uns ein Aussichtsgipfel der Extraklasse.
Sonntag morgen starten wir zur Rundtour Vilser Alpe via Zustieg Füssener Jöchl. Auf der Alpe ist bereits mittags ordentlich Stimmung. Wieder in der Höhe am Vilser Jöchl / Sebenalpe teilt sich der Weg zum Brentenjoch hoch, wir hatten ja heute noch keinen Gipfel. Das Brentenjoch ist unser erste 2000er des Tages, es steigt Nebel auf, eine echt gruselige Atmosphäre auf dem selten bestiegenen Berg. Auf dem Rückweg über die Sebenalpe treffen wir auf eine Herde Gämse, ganz ruhig und furchtlos lassen sie sich von uns Zweibeinern beobachten; 8 Stunden Fußmarsch, wir fallen am Abend müde in die Betten.
Tags darauf sind wir der Meinung, es ist Zeit für den ersten leichten Klettersteig. Die Wahl fällt auf die "Hohe Gänge" zwischen Rotspitz, 2033 m, und Breitenberg. Ausgangspunkt ist der Hindelanger Ortsteil Bruck. Auf einem Jägersteig geht es fast schon langweilig stetig in die Höhe, wo es am Sattel des Rotspitz richtig spannend wird. Mit wenig Kletterei, jedoch relativ stark ausgesetzt, führen uns Seilsicherungen auf den Gipfel; zwischendurch muss ich leichte psychologische Hilfe leisten, "immer zum Fels hin und nicht in die Tiefe gucken!" Es wird alles gut, wir überschreiten den Grat in die erste Scharte südöstlich, laufen auf Steigsuren über Gras und Schrofen zur benachbarten Heubatspitze, 2002 m; hier treffen wir auf eine leicht verzweifelte Familie mit schlechten Schuhen und helfen mit unserer Karte aus. Ich bläue Jan das Berggesetz ein: Wasser, Karte, Uhr und Lampe (und dem GPS kann auch mal das Akku leer gehen!). Der Klettersteig ansich ist dann ein freundliches Auf und Ab an Gratzacken hin zum Breibenberg wieder auf 1887 m Niederung. Wieder eine Herde Gämsen, die Nachmittagsonne bricht gänzlich durch, wir fühlen uns erfüllt nach unserem Tagewerk.
Es ist schon Dienstag - wir haben für den Tag den Klassiker des Tals im Blick, die Rote Flüh mit leichtem Klettersteig auf den Schartschrofen, den wir schon in den Bergferien 2011 mit unserem lieben Vorstandsmitglied Claudia und ihren Mädels von Osten her erleben durften.
Man hat uns bereits im Vorfeld gewarnt, dass die Rote Flüh auf 2111 m der beliebte Gipfel der "mach doch mal ein Foto vom Dieta, wie er sei Lieblingsschinke isst" -Fraktion ist, so ist es dann auch! Wir fliehen schnell unter Freunde zum Einstieg des Friedberger Klettersteigs; auch dort herrscht Hochbetrieb (und ich denke nicht an die Unfälle im brüchigen Gestein, das gerne Halterungen ausbrechen lässt). Wir kommen heil über den Steig an der Läuferspitze an, senkrechtes Hochangeln an Ketten geht nochmal ordentlich in die Arme.
Über das Füssener Jöchl laufen wir linksseitig wieder ins Tal, wo wir auf die Kletterer vom "Gimpel" treffen, die wir am morgen mit Seilen in die Wand haben einsteigen sehen.
Für Mittwoch und Donnerstag ist Spitzenwetter mit hochsommerlichen Temperaturen angesagt. So starten wir Mittwoch früh zur großen Vilsalpsee Runde mit Rauhorn, 2240 m. Der See wirkt mächtig und still am morgen unter strahlend blauem Himmel. Der Aufstieg wird begleitet durch viel Mückenvieh und wir freuen uns auf das Ende der Baumgrenze an der Verzweigung Rauhorn - Gaishorn. Das Rauhorn gilt als anspruchsvoll, wohl vornehmlich durch die Kletterstellen, es ist viel Material verbaut. Wir blödeln entspannt nach der Überschreitung und geben hintenweg ordentlich Gas am Sattel der Hinteren Schafwanne und im Karstgelände des Kirchdachsattels, immer mit traumhaftem Blick auf den Schreckensee; es muss hier das Hobbit-Tal sein, Auenlandschaft und Almrücken, soweit das Auge reicht.
An der DAV Landsberger Hütte ist ordentlich Betrieb, sie liegt an einer einzigartigen zerklüfteten Kulisse des Steinkar, wir denken an Mount Rushmore, es fehlen nur noch die gemeißelten Köpfe...
Wir entscheiden uns für Erdbeermilch und Kaffee an der rustikalen Traualp-Hütte zwischen Hühnern und vorwitzigen Schweinen und freuen uns über den erlebnisreichen (langen) Tag.
So richtig in Fahrt gekommen wollen wir die Tour keinesfalls ohne den Königsgipfel der Tannheimer, der Leilachspitze, 2274 m, beenden. So erlaufen wir uns am frühen Donnerstag die exquisite Route durch das Birkental auf den höchsten Berg des Tals. Die Bergwelt des Birkentals ist in der Tat unberührt und fasziniert uns vor allem durch die vielen erfrischenden Gumpen. Der Berg ist kaum schwer, der lange bröselige Zustieg bis zum Gipfel ist für uns aber nicht wenig anstrengend. Was für eine Rundumsicht, wieder einmal staunen wir schweigend!
Zurück am Fuße des Berges fallen wir fast über die ersten Murmeltiere der Tour direkt vor unseren Füßen hinter einem dicken Fels. Da haben die muppeligen Kerlchen offensichtlich ihr Dorf und haben uns ausnahmsweise nicht kommen gehört.
Schon fast dankbar sind wir für den Durchzug eines Regengebietes am letzten Tag. Wir schlafen richtig aus und entspannen unsere fleißigen Muskeln und Gelenke im Solebad. Was für eine tolle Woche, was für ein gewachsenes Kind. Ich hoffe insgeheim noch einmal auf die Frage: "Mama, wann gehen wir noch mal in die Berge...?"