Datum: 09. 06 2012
Autor: Claudia Schneidereit
Es ist schön und schlimm zugleich, wenn man sich so sehr in ein Land oder eine Region verliebt hat, dass es einen immer wieder dort hinzieht.
Schön, weil es manchmal schon wie nach Hause kommen ist und das Herz aufgeht beim Anblick der bekannten Landschaft. Schlimm, weil man allmählich seine anderen kleinen und großen Ziele vernachlässigt.
In 2012 sollte deshalb meine vorerst letzte größere Unternehmung auf der grünen Insel stattfinden – sagt zumindest mein vernunftgesteuertes Hirn. Nachdem ich bereits mehrmals im Südwesten der Insel unterwegs war, nämlich auf der Halbinsel Dingle, zog es mich diesmal in den rauen, einsamen Nordwesten: ins County Donegal!
Dort gibt es die höchsten Klippen Irlands und vielleicht auch Europas, die Slieve League. Und einen schönen ziemlich freistehenden Berg hat Donegal auch zu bieten, den Mount Errigal.
Im Juni 2012 verbrachten meine Schwester Andrea und ich also eine Woche in dieser Region. Im südlicheren Teil Donegals nutzten wir einen schönen sonnigen Tag, um die Slieve League zu erklimmen.
Als wir am Startpunkt ankamen, lag der obere Teil der Klippen noch in den Wolken. Und dort wanderten wir hinein.
Bereits nach den ersten Höhenmetern wurde die Markierung höchst fragwürdig. Oft suchten wir nach den kleinen Stöckchen im Boden und waren nicht sicher, ob es immer noch der richtige Weg war. Wir trafen Christine und Jürgen, ein Paar aus Nürnberg in unserem Alter, und suchten dann gemeinsam. Wir alle überlegten wohl zwischenzeitlich mehrmals, ob wir nicht doch umkehren sollten, da die Sicht so schlecht war. Aber dann wurde erstaunlicherweise das Wetter besser bzw. die Wolken lösten sich mehr und mehr auf. Und als wir fast ganz oben waren, riss der Himmel komplett auf. Wahnsinn, diese Aussicht!!!
Jetzt konnten wir auch das allerletzte Stück gut erkennen: den One Man´s Path. Himmel, was wird hierüber geschrieben - wie schmal und gefährlich dieser ist und dass man absolut schwindelfrei sein muss und und und.
Ok, das mit dem schwindelfrei sehe ich ein, aber so schmal ist der Weg nun auch nicht und bei weitem auch nicht gefährlich. Vielleicht will man die Touris auch nur davon abhalten, am Klippenrand irgendwelche allzu übermütige Spielchen zu treiben, wer weiß?
Es war ein langer Weg; wie gut, dass wir ihn immer weiter gegangen waren. Auf dem höchsten Punkt der Slieve League britzelte uns die Sonne herrlich ins Gesicht.
Den Rückweg nahmen wir über den Pilgrim´s Path, der auf gut ausgebautem Weg durch die Sonne bis nach Teelin führte. Am Parkplatz angekommen, fuhren wir noch mal hoch zum oberen Parkplatz an der Aussichtskanzel und sahen uns die Slieve League diesmal im Sonnenschein und ganz ohne Wolken an.
Am Abend fuhren wir mit unserem Mietauto in ein Örtchen namens Port. Örtchen? Na, eigentlich steht dort nur ein einziges Cottage. Aber es hat eine wahnsinnig schöne Bucht. Einsamkeit pur. Soviel Abgeschiedenheit ist der helle Wahnsinn. In der Abendsonne war die Stimmung dort romantisch und unglaublich ruhig.
Als wir dann tatsächlich nach diesem langen Tag zurück ins Hostel kamen, gekocht und gegessen hatten und geduscht waren, nahmen wir endlich unser erstes (und auch zweites) Guinness ein.
Um halb elf war es immer noch hell und der Himmel färbte sich über dem Meer zartrosa. Was für ein gelungener Tag!
Einige Tage später fuhren wir nach Norden und bezogen ein Zimmer im Mt. Errigal Hostel. Das Wetter hatte sich extrem verschlechtert, was in Irland bedeutet: es regnet Cats and Dogs! Trotzdem wanderten wir im Glenveagh Nationalpark und besichtigten die Gärten an dem alten Schloss.
Nach 3 Tagen Regen schaute dann doch endlich nochmal die Sonne hervor. Und wie! Der Tag war wie gemacht für einen Trip auf den Mount Errigal. Endlich auf den Errigal, meinen ersten 700er ;-). In voller und ganzer Pracht zeigte er sich uns und wir stiefelten vom nahe gelegenen Parkplatz aus los. Es ging durch endloses Matschland, was später Geröll wich und zu einem steilen, steinigen Pfad wurde. Und das Ziel immer direkt vor der Nase.
Der Aufstieg war leicht und ging relativ schnell. Da Sonntag war (unser Berg-Tag, wie wir feststellten), waren viele Leute unterwegs. Die Aussicht war zu jeder Zeit des Aufstiegs fantastisch.
Erst jetzt konnten wir erkennen, wie schön und idyllisch die Umgebung war, mit dem See auf der einen und den Bergen und weitläufigen Stränden auf der anderen Seite.
Der Errigal hat einen Doppelgipfel mit einem schmalen Sattel dazwischen. Sehr tolle Rundumsicht!
Und diese Steine! Ich konnte mich gar nicht daran satt sehen und fand immer wieder welche, die ich zu gerne mitnehmen wollte. Aber dann hätten wir beim Rückflug Übergepäck.
Nachdem wir uns nach dem Abstieg noch an einem schönen Strand gesonnt hatten und am frühen Abend zurück zum Hostel kamen, hatte ich immer noch nicht genug. Es war so schön und so sonnig hell, da bin ich noch allein zu einem Wasserfall auf der anderen Seeseite gewandert.
Mit einigen Hostel-Bekanntschaften haben wir einen feucht-fröhlichen Abend im berühmtesten Pub Donegals erlebt: Leo´s Tavern. Dort gab es natürlich Live-Musik und die Stimmung war klasse!
Unseren letzten Tag verbrachten wir am Horn Head und balancierten mal wieder entlang diverser Klippenränder. Ein erhabenes Gefühl, dort oben zu stehen und auf das tosende Wasser zu schauen.
Obwohl das Wetter nicht ganz so mitgespielt hat, wie bei unseren bisherigen Irland-Touren, gab es wieder traumhafte Erlebnisse. Unser Fazit nach einer Woche: Donegal ist wunderschön! Gebietsweise sehr einsam und mit unglaublich viel Landschaft – eben `Ganz viel Nichts´.
Mein Herz hängt an diesem Land, warum auch immer. Wahrscheinlich ist es die Kombination aus grandioser Landschaft mit Bergen und Stränden, Klippen und Seen und der herzlichen Gastfreundschaft der wunderbar entspannten Iren.