Es war auf einem unserer gemütlichen Bergfilmabende, an dem diese Idee in unseren Köpfen Gestalt annahm. An wunderschönen Kalkwänden in malerischer Landschaft schwang sich Chris Sharma furchtlos empor und bezwang nach etlichen missglückten Versuchen und spektakulären Abflügen ins Meer eine der beeindruckendsten Linien der Welt: „Es Pontas“. Gefangen von dieser Kulisse stand der nächste Urlaubsort schnell fest. Wir fliegen nach Mallorca!
Im Norden dieser Insel ist von Ballermann-Tourismus nichts zu spüren. Die Tramuntana reicht bis ans Meer und vom Wasser aus entsteht der Eindruck, dass hier jemand ein Alpenpanorama auf eine Ansichtskarte vom Mittelmeer geklebt und die Schnittstelle hinter Olivenhainen verborgen hat. Wir sind uns schnell einig: Mallorca ist in unserer kleinen Reisesammlung wohl das landschaftlich schönste Klettergebiet.
Es ist ohne Frage schön anzusehen, über schmale Serpentinen durch diese herrliche Landschaft zu fahren. Und man hat viel Zeit zum Schauen, kommt man doch nicht schneller als mit 30 km/h vorwärts. Zum einen wegen des Gegenverkehrs, der einen immer wieder bis zur letzten Haltebucht zurückwirft, zum anderen wegen des Frühstücks, das sich spätestens in der zwanzigsten 180-Grad Kurve langsam wieder meldet. Umso erleichternder ist es, dass die Klettergebiete nicht allzu weit von unserem Stützpunkt im malerischen Küstenörtchen entfernt liegen. Herrliches Wetter und schönste Kulisse entschädigen bald für den aufgewühlten Magen und wer erst einmal gelernt hat den Kletterführer richtig zu lesen (je weniger Sterne, desto schöner die Tour?), dem ist der Traumurlaub in der Tramuntana gewiss.
Leider ist nicht jedes Glück von Dauer. Nach einem langen, spannenden und kräftezehrenden Duell „ Rucksack gegen Wirbelsäule“ beim Canyon-Hopping unterlag der Körper nach zähem Kampf. Wie gut, dass man auf Mallorca nicht nur klettern kann. Heißer Sand und blaues Meer lassen sich auch mit Hexenschuss ganz gut ertragen und tapfer lässt sich Sven von mir auf den ein oder anderen Spaziergang scheuchen. Auf einem davon sind wir nicht ganz allein, denn wenige hundert Meter von unseren Klippen entfernt treffen zwei Familien von Delfinen aufeinander und stellen spielend und springend in bester Flipper-Manier jeden Naturfilm in den Schatten.
Einmal auf Mallorca, müssen wir natürlich auch Es Pontas einen Besuch abstatten, und so machen wir uns auf den Weg gen Süden. Wenn wir auch nicht mehr klettern können, so wären wir keine echten Felsfanatiker, wenn wir an der Südküste nicht an den Klippen abwärts kraxeln würden, um uns auf einem zerlöcherten, muschelbesetzten Felsplateau kaum über Meereshöhe wiederzufinden. So stehen wir mitten in einem ungewöhnlichen Klettergarten, auf der eigentlich falschen Seite der Klippen, das Meer im Rücken und ab und zu auch in den Schuhen. Seltsamerweise sind hier nur die völlig kompakten Wände eingebohrt, wo doch traumhafte, leichte Strukturen überall dazwischen zu finden sind. Ein wenig daran zu bouldern kann nicht schaden, denken wir uns. Schon nach den ersten Zügen wird uns schlagartig klar, warum die griffigen Kanten nicht zum Klettern taugen. Schließlich sind wir direkt am Meer und der Fels hier ist noch mehr Kreide als Kalk. Auf jeden Fall zu jung für über einen Zentner Kletterergewicht.
Nach einem ruhigen, einsamen Nachmittag im Kreideklettergarten machen wir uns schließlich auf zu unserem finalen Ziel. Einem unscheinbaren schmalen Pfad folgend stehen wir, wenige Meter aus der Zivilisation heraus, wieder an Klippen. Dort steht er, live und in Farbe: „The Arch“. Hinter dem Geländer für Wanderer beginnt der Zustieg die Felsen hinunter, den wahrscheinlich auch Chris Sharma so viele Male benutzt hat und den auch wir nun hinunterklettern bis auf den kleinen Felsvorsprung, von dem aus man nun ins Wasser springen und in wenigen Zügen zum Einstieg gelangen könnte zur in meinen Augen beeindruckendsten Klettertour der Welt. „Es Pontas“