1. Tag: Jenner-Bergstation – Schneibstein – Seeleinsee – Hochgschirr-Pass - Landtal – Wasseralm
2. Tag: Wasseralm – Halsköpfl – Schwarzsee – Grünsee – Kärlingerhaus am Funtensee
3. Tag: Kärlingerhaus – Riemannhaus – Besteigung Breithorn
4. Tag: Riemannhaus – Eichstätter Weg – Ingolstädter Haus – Hundstodgatterl - Trischübelpass – Wimbachtal – Wimbachgrieshütte
5. Tag: Wimbachgrieshütte – Ramsau
Aus einer fixen Idee entstand ein Plan: die große Königssee-Reib´n!
Den Ankunftstag verbrachten wir auf dem Campingplatz Grafenlehen in Dorf Königssee. Nachdem wir das Zelt aufgebaut und unsere Schlafsachen darin verstaut hatten, folgte der in diesem Frühling und Sommer übliche Starkregen – und zwar ohne Unterbrechung. Oh je, ob das Zelt das aushält? Es hielt! Alles gut.
Großartige Unternehmungen waren an diesem Abend nicht mehr möglich. Dennoch spazierten wir ein wenig durch das verregnete Berchtesgaden und holten uns einen ersten Eindruck vom Königssee. Während ich bereits zum sechsten oder siebten Mal im Berchtesgadener Land unterwegs war, war es für Manfred Premiere.
Der nächste Tag begrüßte uns morgens zwar noch wolkig und etwas verhangen, aber das änderte sich bald. Die Jennerbahn trug uns bis auf gut 1800 m nach oben und wir stiefelten ganz ohne Regen los. Vorbei am Carl-von-Stahl-Haus ging es erstmal steil und schweißtreibend den Schneibstein hinauf. Irgendwann Ende der 90er war ich hier schon mal hochgeklettert, aber so hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Die viele Block-Kletterei schlauchte ganz schön, und für die erste Etappe mit schwerem Rucksack empfand ich mich als ziemlich „unfit“.
Aber egal wie, man kommt ja immer oben an – auch ich! Die Aussicht war gut und es wehte ein frischer Wind. Wir stiegen daher bald weiter Richtung Windschartenkopf und Seeleinsee durch das Hagengebirge. Der kleine Seeleinsee liegt romantisch in einer Mulde und schimmert schön türkisblau. Wir machten eine kleine Pause und stärkten uns ein wenig, bevor wir den Hochgschirr-Pass in Angriff nahmen. Das ging mit 20 Minuten schneller als erwartet und die Aussicht von dort oben war atemberaubend.
Von nun an folgte ein endlos scheinender Abstieg durch fruchtbare grüne Landschaften hinein in einen Wald. Ich dachte mir schon, dass es bestimmt nochmal kräftig bergauf gehen musste, und so war es auch. Belohnt wurden wir dabei aber mit herrlichen Aussichten auf den Obersee und den dahinterliegenden Königssee.
Als ich schon meinte, jetzt sei es aber langsam mal genug für heute, tauchte endlich die Wasseralm auf!
Diese liegt bezaubernd auf einem total idyllischen Fleckchen: ein Bach fließt, nicht weit entfernt rauscht ein Wasserfall, überall Blumenwiesen und Wald. Selten habe ich eine Berghütte gesehen, die so authentisch und gleichzeitig fast kitschig romantisch ist. Bis vor ungefähr einem Jahr gab es hier nur ein Plumpsklo. Jetzt existiert ein separates Sanitärgebäude mit Trockenraum. Man hat hier nur das Nötigste, aber das bei freundlichen Wirtsleuten – so, wie es auf Hütten eigentlich überall sein sollte. Zum Abendessen gibt es immer nur ein einziges Gericht: Gemüsesuppe mit nahrhafter Einlage und frischen Kräutern. Die insgesamt 40 Lager sind eng aber gemütlich. So bezogen wir ein kuscheliges Zweier-Eckchen, in dem mich eine unglaublich tiefe Zufriedenheit erfasste.
Ich stellte fest, dass ich schon lange nicht mehr so glücklich und zufrieden gewesen war!
Die Stimmung am Morgen war bei schönstem Wetter einfach wunderbar. Wir nahmen Abschied von dieser fantastischen Alm und begaben uns auf den in ständigem Auf und Ab führenden Weg Richtung Kärlingerhaus. Wir erreichten den Abzweig zum Halsköpfl, einem Aussichtspunkt über dem Königssee, den wir natürlich mitnahmen. Dort machten wir unsere Mittagspause und bestaunten die Sicht auf den See.
Weiter führte der Weg abwärts zum Schwarzsee, an dessen Ufer wir wiederum Pause machten. Es war hier einfach viel zu schön, um nur daran vorbei zu laufen. Wir machten uns im Gras und auf den Steinen lang und nahmen die absolut ruhige Stimmung in uns auf. Die lautesten Geräusche kamen von den Murmeltieren, die hier in größerer Anzahl zuhause waren. Der Weiterweg führte wiederum zu einem See, dem Grünsee. Hier ging der Weg oberhalb des Sees entlang, so dass man eine traumhafte Aussicht darauf hatte. Erneut machten wir Halt, um diese Momente zu genießen. Die Rast war auch angebracht, denn anschließend schaffte mich der letzte, irgendwie nicht enden wollende Anstieg über felsiges und stufiges Gelände kollossal. Zur Entschädigung stand nach einem weiteren Aufschwung über Stufen und Leitern plötzlich eine Gams vor mir – keine 10 Meter entfernt. Ich blieb stehen und wir beide schauten uns an. Die Gams zuckte ein paar mal, war sich nicht sicher, ob sie gehen oder stehenbleiben sollte. Ich rückte langsam näher, dann entfernte sie sich.
Endlich am Kärlingerhaus angekommen, spazierten wir nach einer ersten Verschnaufpause zum Funtensee. Einige jugendliche Hüttengäste wagten den Sprung ins kalte Wasser – unter lautem Getöse. Mir reichte ein Fußbad aus.
In der Hütte nutzte ich das kalte Wasser, um mir auch mal die Haare zu waschen. Herrlich!
Hier gab es zwar auch eine Dusche, aber ich dusche aus Prinzip nicht auf Berghütten. Ich weiß, das kann nicht jeder verstehen. Ich finde, Duschen haben auf Berghütten nichts verloren. Jeder hat die Möglichkeit, sich ein wenig mit kaltem Wasser zu waschen. Das muss reichen. Ich finde es ärgerlich, wenn Berghütten immer mehr zu verkappten Hotels mit immer mehr Komfort verkommen. Ich schaffte es, ein paar Herren zu schockieren, indem ich mich weigerte, mich am Damen-Waschraum in die Warteschlange einzureihen, sondern stattdessen den fast leeren Herren-Waschraum benutzte.
Das Kärlingerhaus war zwar groß, aber dennoch gemütlich. Und am Morgen war der Funtensee mit den dahinterliegenden Bergen wie verzaubert.
Heute stand eine kurze Etappe an. In drei Stunden wanderten wir zuerst durch saftiges Grün und blühende Landschaften, um dann später die riesige Weite des Steinernen Meers kennenzulernen. Das waren unglaubliche Kontraste. Die Sonne brannte jetzt schon ziemlich heiß und der Himmel zeigte sich in knalligem Blau.
Am Riemannhaus angekommen, war es etwas ungemütlich, denn hier wurde gerade renoviert. Dementsprechend war der Geräuschpegel – nicht gerade einladend. Dennoch machten wir eine längere Pause auf der Hüttenterrasse, dösten ein wenig, aßen von unseren Vorräten und beobachteten Kletterer am Sommerstein.
Wir entschieden uns dann, einen Gipfel in Hüttennähe zu besteigen, das Breithorn mit einer Höhe von knapp 2600 m. Eine gute Entscheidung! Der Weg war zwar steinig, steil und teilweise ein wenig ausgesetzt, aber ohne den schweren Rucksack waren wir in einer Stunde oben. Hier hatte man einen wundervollen Blick nach Österreich hinunter, von wo gerade Gewitterwolken aufzogen. Auch das Riemannhaus konnte man jetzt aus einem anderen Blickwinkel in seiner exponierten Lage betrachten.
Das Gewitter zog irgendwie vorbei und wir wagten den Abstieg, der zum Teil sehr rutschig war. Auf einem kleinen Aussichtsplateau legten wir uns noch ein bisschen ins Gras, bevor auch der letzte Teil des Rückwegs über ein paar Schneefelder gegangen wurde. Ich hatte irgendwann aufgehört, die Schneefelder zu zählen, die wir querten. Es wurden einfach zu viele. Ich schaffte es auch immer wieder, eine hübsche Rutschpartie hinzulegen. Tja, Schnee ist nicht wirklich mein Element.
Auch im Riemannhaus hatten wir ein gemütliches Lager und nur einen Schnarcher.
Am nächsten Morgen war wieder mal eine ziemlich lange Etappe angesagt. Über den Eichstätter-Weg trabten wir über unzählige Schneefelder und durch weitläufige Steinwüsten zunächst bis zum Ingolstädter Haus. Dort machten wir erst mal eine Mittagsrast mit Kaiserschmarrn, bevor es weiter ging Richtung Hundstodgatterl. Auch diese Strecke war mir nicht unbekannt. Aber ist es nicht so, dass man sich irgendwann nur noch an die schönsten Abschnitte erinnert und das Anstrengende leicht verdrängt?
Mir ging es jetzt ganz offensichtlich so. Dieses Sau-Aas von Hundstodgatterl! Welch elend steile Kletterei. 2002 bin ich diesen Abschnitt in tiefstem Nebel gegangen. Jetzt kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich das überhaupt gemacht habe.
Oben angekommen war ich erst mal fertig, aber man regeneriert ja schnell. Also weiter, steil abwärts, um allmählich wieder ins Grüne zu kommen. Da war der Trischübelpass mit der Wahnsinnsaussicht auf die Watzmannsüdspitze und ins Wimbachtal. Diese Aussicht hat Manfred so umgehauen, dass wir wiederum rasteten, um den Augenblick zu genießen.
Die nächste Übernachtung war dann auf der Wimbachgrieshütte, die wir gegen 18 Uhr erreichten.
Der letzte Tag: nur noch ein etwa 2-stündiger Spaziergang durch das Wimbachtal bis nach Ramsau. Ich ließ die Finger durch das hohe Gras und die Büsche an den Wegesrändern gleiten. Gestern noch an den rauhen Fels gefasst, wurden sie heute schon wieder vom weichen Grün verwöhnt. Ich war dankbar, unendlich dankbar für diese tolle Zeit. Das Wetter war genau richtig und mein Partner ebenso. Erstaunlich: wir kennen uns erst knapp vier Monate und harmonieren hervorragend (und das nicht nur auf Bergtouren ;-)).
Anfangs noch ziemlich einsam, wurde es weiter unten durch die massive Anhäufung von Tageswanderern, Jugendgruppen und Schulklassen so langsam Zeit für den Heimweg.