Anfang August zogen drei nimmermüde Wanderer und Bergsteiger, Gerd, Erwin und Rudi (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen bergsteigerischen Urgestein aus Harperscheid!) in die Schweiz in der Absicht, Höhen von 4000 Metern zu erreichen.
Auf dem Breithorn Westgipfel 4164m
Ehrgeiziges Ziel: Monte Cervino(4478m)!
In Zermatt sollte das Basislager aufgeschlagen werden. Nachdem das Auto in Täsch zwangsweise abgestellt worden war, konnte der Endpunkt der Anreise – Zermatt (1603m) - mit der Bahn angefahren werden. Erste Informationsgespräche im Alpincenter Zermatt ergaben im Gegensatz zu den früheren telefonischen Auskünften ein enttäuschendes Ergebnis: Das Matterhorn wurde in diesem Jahr nur dreimal von Bergführern bestiegen, und zwar Anfang Juli; seitdem sei das Wetter kontinuierlich dermaßen schlecht gewesen, dass keiner mehr dort oben gewesen sei. Der Wirt der Hörnli-Hütte hätte schon den Eremiten-Status beantragt!
Von solch schlechten Nachrichten lassen wir uns doch nicht entmutigen; es gibt doch noch andere 4000er in der Schweiz! Also zunächst einmal Besprechung der neuen Lage und Übernachtung in Zermatt-City. Heißer Tipp: Das Hotel "Bahnhof" direkt gegenüber der Bahnstation hat nicht nur Zimmer, sondern auch direkt unter dem Dach sogenannte "Lager" zu einem für den Ort spottbilligen Preis von SFr 30.- incl. Dusche.
Akklimatisation ist auch bei schlechtem Wetter möglich! Also Aufstieg am nächsten Morgen zur Fluealp (2618m). Der Wirt aus der Sippe derer von Taugwalder weist uns ein Dreibett-Zimmer zu und empfiehlt uns seine berühmte 4-Gänge-Halbpension. Jetzt, da das Überleben somit gesichert ist, kann uns eigentlich nichts mehr erschüttern.
Neues Ziel: Das Rimpfischhorn (4199m)!
Dreitägige nebulöse Akklimatisationsübungen auf Oberrothorn, Pfulwe-Gipfel und Hohtälli über insgesamt ca. 4500 Hm beginnen jetzt. Im Nebel und Schneetreiben erinnern die steinernen Wegweiser eher an Märchenfiguren, die unter den Schneehäubchen getarnt sind: "Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Steinemännlein heiß´!" Ein Glück, dass einige von uns bei den Pfadfindern gut aufgepasst haben; so bleiben wir trotz einiger unfreiwilliger Exkursionen doch noch auf dem rechten Wege. Übrigens: Der Hüttenwirt, der ständigen Fragerei nach dem zukünftigen Wetter leid, entwickelt eine einfache Methode: Jeden Abend um 10 vor Acht schaltet er das Fernsehgerät zur Sendung des Schweizer Wetterberichtes an. Während der folgenden 10 Minuten verstummen die Gespräche im Gastzimmer und alle hoffen, aus der Vorhersage eine wenigstens leichte Besserung heraushören zu können. Danach werden alle Theorien diskutiert.
Wir beschließen, am 4. Tag das Rimpfischhorn (6h Aufstieg bei gutem Wetter) anzugehen, zumal eine amerikanische Gruppe mit zwei Bergführern für den Tag das gleiche Ziel hat. Auch hier sind seit 2 Wochen keine Seilschaften mehr gegangen, d.h. absolut keine Spuren im Schnee! 3.00 Uhr wird als Weckzeit ausgegeben, Abmarsch um 4.00 Uhr. Ein Glück, dass wir den Weg zum Pfulwe-Sattel (3155m) schon einmal im Hellen bei einer Akklimatisationstour gegangen sind, denn im Schein der Stirnlampen ist die Spur, zumal in der Blockwerkregion, kaum zu erkennen.
Ergreifend ist natürlich die Ruhe und die sich ständig verändernden Berg-Silhouetten im Licht des untergehenden Mondes.
Dann, in der Dämmerung, kommen uns von oben 6 Gestalten entgegen: die Gruppe mit den Bergführern. Ihr vernichtendes Urteil: auf dem Gletscher ist aufgrund der Wetterlage kein gesichertes Fortkommen möglich; sie haben beschlossen, mit ihren Kunden umzukehren. Wir steigen noch zum Längfluegletscher auf, um uns die Situation vor Ort anzusehen: Eine Nebelwalze nach der anderen rollt auf uns zu, zwischenzeitlich unterbrochen von einem nur sekundenlangen Blick auf den begleitenden Felsgrat; na ja, wenn die Profis schon umdrehen... ...steigen wir schweren Herzens auch ab!
Dann ist endlich, für Dienstag, den 8. August, wirklich entscheidende Wetterbesserung vorausgesagt. Aber jetzt hat keiner mehr Lust und Laune, den gleichen Anstieg zum drittenmal anzugehen. Also beschließen wir, den Aufstieg zum Breithorn anzugehen; vielleicht ist in diesem Jahr wirklich nicht mehr drin! Der Tag verspricht gut zu werden, über dem weißen, gleißenden Schnee erhebt sich ein stahlblauer Himmel, für uns mittlerweile eine völlig neue Erfahrung! Viele Seilschaften sind unterwegs; es sieht aus, wie zu den besten Goldgräberzeiten am Klondike. In der Entfernung sieht man die Seilschaften wie Ameisen in einer breit getretenen Spur ziehen. Ab dem Breithornpass reihen wir uns in die Gipfelspur ein und sind nach ca. 1 h auf dem Gipfel.
Der Rundumblick ist überwältigend! So viele 4000er zum Greifen nahe, in der Ferne das Mont-Blanc-Massiv und gleich daneben in Italien das Gran Paradiso-Massiv; ganz in der Nähe das Monte Rosa Massiv mit vielen bekannten Gipfeln! In einer Art Euphorie beschließen wir, von dem eben erreichten Breithorn-Westgipfel (4164m) über einen scharfen Schneegrat mit extremem Tiefblick (mehrere hundert Meter Steilflanke zu beiden Seiten!) die Überschreitung zum nahe gelegenen, aber eigenständigen Breithorn-Mittelgipfel (4159m) mit seinen atemberaubenden Schneewächten, an denen die Spur sehr nahe vorbeiführt. Gegen Mittag aufziehende Wolken, die das Panorama wieder erheblich einschränken, bewegen uns dazu, nicht mehr länger auf dem Gipfel zu verweilen und schleunigst den Abstieg anzutreten.
Da der nächste Tag, unser letzter, sich schon wieder in der gewohnten (schlechten) Form anlässt, beschließen wir,den Urlaub auf der westlichen Seite des Mattertals mit der Besteigung des Mettelhorns zu beenden.
Rudi´s Gipfelspruch: "Das ist hier wie bei Windows ´98, dauernd macht jemand nur für ein paar Sekunden ein Fenster auf!"
Fazit: Die Schweizer Berge sind ein Erlebnis, stark, atemberaubend, - vorausgesetzt, man sieht sie!