Randa, Chalet Malepartus, 13.8.1989: Wir sind mal wieder in dem uns lieb gewordenen Chalet unseres Vereinskameraden Anton Blettner in Randa. Es steht im Ortsteil Unter Lärch, westlich der Bahnstrecke Visp-Zermatt, unterhalb der steil aufragenden Felswand, die nur zwei Jahre später mit einem gewaltigen Bergsturz das Chalet begraben wird....
Malepartus - so nannte Johann Wolfgang von Goethe in seiner Tierfabel "Reineke Fuchs" dessen Schloss.
Randa am 9.5.1991 - Zum zweiten Mal innerhalb von 4 Wochen stürzen Felsmassen ins Tal der Matter Vispa. Den Ortsteil Unter Lärch gibt es nicht mehr. Die Bahnstrecke und die Straße sind zerstört. Mit knapper Not konnte die Überschwemmung des Ortes durch die aufgestaute Vispa in ihren Auswirkungen begrenzt werden, indem eine Ablaufrinne und ein Tunnel für das Wasser geschaffen wurden.
Wir sind schon ein paar Tage hier, Eckhard Klinkhammer und ich, um die schönen Gipfel der Walliser Alpen zu besteigen. Besonders fällt dem Reisenden bei der Fahrt hinauf ins Nikolaital das Brunegghorn mit seiner strahlend weißen Nordflanke auf. Diese Nordflanke und die des Bishorns sind unser Ziel für die nächsten Tage.
Morgens gehts los nach Schwindern, dem Ausgangsort für unsere Tour. Wir steigen durch den Wald recht steil hinauf. 1600 Höhenmeter sind zu ersteigen, mit vollem Gepäck, denn die Topalihütte ist nicht bewirtschaftet. Bald nachdem wir aus dem Wald emporsteigen öffnet sich der Blick auf die Gipfel der anderen Talseite: es grüßen der Dom und all seine Gefährten der Mischabelgruppe. Der Weg verliert jetzt an Steiheit. Dafür wird er zum Hüttensehweg: Die Topalihütte ist jetzt für die nächsten Stunden immer im Blick.
Entsprechend der Strapazen des Anstieges trifft man hier auf wenig Publikum. Wir sind zunächst allein in der Hütte. Erst spät abends kommt eine kleine Gruppe an, die von grausigen Verhältnissen am Weg von der Turtmannhütte hierher berichten. Ein steiles Eisfeld sei im Abstieg zu bezwingen gewesen.
In der Nacht kühlt es ab, wie es sich für diese Höhe gehört. Damit ist natürlich die Wasserversorgung am Morgen nicht mehr gegeben. Wir verlassen gegen 5 Uhr die Hütte, bepackt mit allem, was man für so eine Eistour braucht. Eisgeräte und Eisschrauben, Steigeisen, frischen Mut...
Sehr schnell wird es warm an diesem Morgen. Ein wenig Nebel zieht auf, aber wir kommen gut voran in Richtung Abberggletscher, aus dem die Nordflanke des Brunegghorns herausragt. Hunderte von Steinmännern markieren eine Schar von möglichen Wegen, die durch die Geröllfelder ziehen. Man muss sich halt entscheiden können.
Am Abberggletscher angekommen weicht das Eis bereits wegen der hohen Temperaturen auf. Es ist recht schwül geworden. Die Bewölkung sieht schon fast bedrohlich aus, jedoch rechnen wir frühestens für den Nachmittag mit Gewittern. Die Nordflanke jetzt noch anzugehen wäre wohl doch zu gefährlich. Aber was tun, mit dem angebrochenen Vormittag? Wir sind für steiles Eis ausgerüstet und motiviert, also wollen wir in steilem Eis klettern. Was liegt da näher, als den Gletscherbruch des Abberggletschers mit Eisgeräten und Steigeisen zu perforieren. Serac um Serac klettern wir den Gletscherbruch hinauf, bis plötzlich das Geräusch eines mächtigen, über uns hinweg fliegenden Eisblockes uns klarmacht, dass wir uns auch hier wegen der hohen Temperaturen in großer Gefahr befinden. Längst ist der break-even-point überschritten, also zügig weiter hinauf!
Ein halbes Stündchen später haben wir das Bruneggjoch erreicht und kein Eis mehr über uns, dass hinabfallen könnte. Damit der Tag noch einen Gipfel bekommt steigen wir den seichten Schutthügel nach Norden hinauf. Schöllihorn heißt dieser unscheinbare Berg, der es immerhin auf stolze 3499m Höhe bringt. Wir überschreiten den Berg weiter nach Norden, um auf den Verbindungsweg zwischen Turtmannhütte und Topalihütte zu gelangen. Ein steiles Schneefeld von vielleicht 30m Höhe gilt es am Joch abzusteigen. Jetzt erinnern wir uns an die schaurigen Schilderungen der kleinen Gruppe, die gestern über diesen Weg zur Topalihütte gelangt war.
Wir bleiben noch eine Nacht in der Hütte und steigen am nächsten Morgen ab. Die Temperatur war nicht unter den Gefrierpunkt gefallen. Nach den Eiswänden der Hörner war uns jetzt nicht mehr zumute.