Es war schon eine nicht alltägliche Überraschung, an die man sich auch nicht so gleich gewöhnen konnte, als wir von unserer Tochter Simone erfuhren, dass sie ihr Studium in Neuseeland zu Ende bringen will, und halt für 3 + X Jahre dann mal weg ist. Aber in den Monaten danach schlich sich die Gewöhnung an diesen Gedanken in uns. Und im Frühsommer 2009 war es dann soweit. Kurz vor Mitternacht starteten Simone und ihr Freund Michel in den Himmel über Frankfurt, im Hoch ihrer Gefühle ihrem neuen Morgen entgegen.Von den andersartigen, weniger hohen Gefühlen ihrer Eltern auf der nächtlichen Fahrt nach zurück Hause, werden sie nichts geahnt haben.
Ein schöner, aber auch langer Tag hatten Hermann Fleischheuer und ich hinter uns. Morgens sehr früh waren wir von Sulden über die Düsseldorfer Hütte auf den Großen St. Angelus aufgestiegen. Nach der Rückkehr hatten wir uns das abendliche Bier verdient, und es schmeckte besonders gut. Unvermeidlich kam das Thema Neuseeland. Hermann griff es sofort auf. Er plante schon länger dort hin zu fliegen. Ja, und dann könnte man sich ja in den neuseeländischen Alpen treffen, und gemeinsam versuchen den Mt. Cook zu besteigen. Der Gedanke begeisterte. Eine gemeinsame Bergtour in den neuseeländischen Alpen, und dann noch auf den Mt. Cook. Der begeisternde Gedanke hielt lange an, bis wir uns näher mit dem Mt. Cook und den neuseeländischen Alpen beschäftigten. Weit über 1000 Kilometer ziehen die antarktischen Wolken über die raue Tasmanische See, um an ihr 1. Hindernis zu stoßen, die neuseeländischen Alpen an der Westküste der Südinsel. Dort sorgen sie dann an ca. 300 Tagen im Jahr für Niederschläge, Nebel und Sturm, und lassen an solchen Tagen ist die Gipfelchance auf gleich Null schrumpfen, von einer glücklichen Rückkehr erst gar nicht zu sprechen. Weshalb sollten gerade wir an ein paar Tagen Kaiserwetter haben. Mit der Wegfindung etc. haben wir uns dann erst gar nicht mehr beschäftigt.
Nein, dass ließ sich nicht mit einem Besuch bei den Beiden in vernünftigen Einklang bringen.
Im Februar 2010 war es dann soweit. 7 Wochen Urlaub lagen vor Anneliese und mir. Michels Eltern waren vor einen halben Jahr schon dort gewesen, hatten uns mit ihren Bildern und Erlebnissen beeindruckt. Von Frankfurt ging es in einem Tagflug zunächst nach Los Angeles, wo wir der Einladung einer Jugendbekanntschaft folgten.Vor fast 30 Jahren hat Wilma unser Dorf mit einem Koffer und etwas Geld verlassen. Das Abenteuer Amerika hat sie mit Fleiß und langem Atem erfolgreich bestanden.Wilma hat uns so einiges in und um Los Angeles gezeigt. Am schönsten waren jedoch die Erzählungen morgens am Frühstückstisch aus alter Zeit, und für Wilma, in Eefeler Platt.
7 Tage später ging es in einem Nachtflug nach Auckland/Neuseeland. Nach kurzem Aufenthalt weiter nach Wellington. Dort eine weniger schöne Überraschung. Nichts lief mehr auf dem Flughafen. Schließlich erfuhren wir, dass in Christchurch ein schweres Erdbeben war, und alle Flüge in Neuseeland gestoppt seien. Stunden später hatten wir das Glück, dass als einer der wenigen Flüge an diesem Tag unser Flug uns doch noch nach Dunedin in den Süden der Südinsel brachte, und wir unser Tochter nach fast 2 Jahren wieder sehen konnten. Eine Woche haben die Beiden uns Dunedin und die Umgebung gezeigt. Neben der unbeschreiblichen Landschaft, Königsalbatrossen, Pinguinen, Robben etc. haben der Bahnhof und das Otago Museum in Dunedin besonders beeindruckt.
Im Otago-Museum ist einiges aus dem Nachlass des bekanntesten Neuseeländers, Sir Edmund Hillary, zu sehen; u. a. seinen Pass zum Zeitpunkt der Erstbesteigung des Mt. Everest, die Kamera mit der er Norgay Tenzing auf dem Gipfel des Mt. Everest fotografiert hat etc.. Nach dieser Woche ging es dann mit Simone und Michels Schwester Lisa 3 Wochen mit dem Wohnmobil über die Südinsel. Wir sind gleich Richtung Mt. Cook gefahren. Auf dem Weg dort hin liegt der Lake Tekapo mit der Kapelle zum Guten Hirten. Ich weiß nicht weshalb, aber dieser Ort und der Besuch in der Kapelle haben mich tief berührt. Es ging weiter zum Mt. Cook. In Mt. Cook Village haben wir dann Hermann und seine Ingrid getroffen. Verglichen an den ersten Planungen war das Treffen zu kurz. Nur eine Wanderung im Tasman Vallay, mit einem schönen Blick zum Mt. Cook und Mt Tasman haben wir geschafft. Danach erlebten wir dann das Wetter am Mt. Cook – Regen und Sturm. Nun konnten wir uns auch eine Tour auf Sir Edmunds Hillarys ersten Gipfel, den 1933 m hohen Mt. Ollivier aus dem Kopf schlagen. Es ging dann weiter über Twizel und Queenstown, Te Anau zum Miford Sound, wo wir eine Schiffstour über den grandiosen Fjord bis hin zum offenen Meer erlebten. Hier sahen wir die ersten Kea, den Bergpapagei.
Bis dahin hatten wir schon viele schöne und abwechslungsreiche Landschaft erlebt. Simone hatte einige schöne Touren herausgesucht. Mit dem Wohnmobil haben wir ausschließlich auf Plätzen des DOC übernachtet. Alle diese Plätze befinden sich in abgelegenen, ausgesuchten Plätzen in der Natur. Nach ca. anderthalb Wochen gelangten wir über den Haast Pass in eine wiederum andere Welt, die Westküste, eine der regenreichsten Regionen der Erde. Unten in Haast erwartete uns die 2. Plage der Westküste, die berüchtigten Sandflies-Mücken. Unvermeidlich die Bekanntschaft mit ihnen, aber wir haben sie überlebt.
Dort haben wir auch ein weiteres Highlight der Tour erlebt, eine Bergtour über den Copland-Track bis zu den heißen Quellen in den Neuseeländischen Alpen. Einst ging der Track über die Alpen bis Mt. Cook Village. Die Ausaperungen und Hangabstürze aufgrund der allgemeinen Erderwärmung haben den Weg und Brücken zerstört, und ihm im Bereich Mt. Cook unbegehbar gemacht; er wird nicht mehr hergerichtet. Vom Startplatz aus ging es morgens gleich durch einen Nebenfluss des Copland-River. Abends zuvor hatte ich mit Steinen an einer seichten Stelle einen Übergang geschaffen. Das ersparte einen längeren Umweg. Durch tropischen Urwald, Graslandschaften, Sumpfwegen (die dann jemand besonders intensiv kennen lernte) ging es durch Gräben, über Geröllfelder, Felsblöcke, grobes Wurzelwerk, steile Ab- und Aufschwünge und zahlreiche Hängebrücken bis zur „Welcome Flat Hut“ an den heißen Quellen. Das Bad in den heißen Quellen belohnte für alle Qualen der Tour. Die Möglichkeit der Abkühlung im nahen Copland-River wurde nicht von allen angenommen. Die Tour ließ uns alle gut schlafen.
Am nächsten Morgen ging es nach dem Stirnlampen-Frühstück zu Beginn der Dämmerung zurück. Total verschwitzt zurück tat ein – zugegeben - kurzes Bad im gletschergespeisten Copland-River allen tapferen Berggehern gut, und weckte neue Geister. Weiter ging es auf der Küstenstraße. Im Lake Matheson spiegeln sich bei entsprechen gutem Wetter die Alpen mit Mt. Cook und Mt. Tasman. Wir hatten Glück haben, dies zu sehen.
Die im tropischen Regenwald endenden „Fox-Gletscher“ und „Franz-Josef-Gletscher“ lohnen nur aufgrund dieser Besonderheit, es sei denn man besteigt sie bis in die Höhen. In Okarito nahmen wir an einer nächtlichen Kiwi-Wanderung teil. Mittels Peilsender können einige Tiere dort nachts geortet werden. Leider haben wir nur kurz eines dieser nachtaktiven Tiere gesehen. Die scheuen Tiere sind sehr vorsichtig. Weiter ging es. In der Jade-Stadt Hokitika gab es einen Gewittersturm. Auch ein bis dahin unbekanntes Erlebnis.
Es gäbe noch vieles zu erzählen, aber genug. Über Greymouth und den Lewis Pass ging es zurück nach Christchurch. Und wieder Abschied. Simone fuhr mit dem Überlandbus zurück nach Dunedin (Michel wird froh gewesen sein).
Uns standen die Rückflüge bevor. Stundenlanges fliegen, stundenlanges rumlaufen auf Flughäfen. Nach 45 Stunden waren wir zu Hause. Und es gibt ihn tatsächlich, den Jetlag, tagelang. Und dann kommt auch er wieder, unvermeidbar, der Alltag.
Aber diese Tour bleibt ein unvergessenes Erlebnis.