Es ist, als ob irgendeine kletterbegeisterte Gottheit mit einem überdimensionalen Salzstreuer Felsbrocken in einem wunderschönen Wald mit sandigem Boden verteilt hätte: Der französische Nationalforst von Fontainebleau gilt zu Recht als einer der schönsten Flecken der Welt für das Bouldern. Dort gibt es alles, was das Kletterherz begehrt: vom Kinderparcours bis zu den knackigsten Boulderproblemen des Bleaugrades 8c (UIAA 12-), von der einliegenden Reibungsplatte bis zum Dach, vom Mini-Boulder mit eineinhalb Meter Höhe bis zum Highball von 15 Meter. Ende September machte ich mich zum vierten Mal auf den Weg nach Frankreich, um mir an den berühmten Sandsteinblöcken die Arme lang zu ziehen. Mit dabei waren meine Tochter Kira und mein Kletterkumpel Thorsten – für Kira war es das dritte Mal in Bleau, für „Toto“ die Initiation, die ihn sogleich zum Fan des Gebiets machen sollte.
Bei herrlichen Spätsommerwetter freundeten wir uns erst einmal in aller Ruhe mit den oft runden Griffen und den Mini-Leisten als Tritten an, ehe uns am nächsten Tag der sportliche Ehrgeiz packte. Gleich drei Gebiete besuchten wir, lernten Kletterer aus Spanien, Deutschland, England und natürlich Frankreich kennen, kletterten mal für uns, dann projektierten wir mit anderen. Kira ist immer wieder von den vielen Kontakten begeistert: „Es ist einfach toll, so viele nette Menschen kennenzulernen und gemeinsam zu bouldern!“ Erstaunlich ist es jedes Mal aufs Neue, wie schnell man im Wald von Fontainebleau lernt. Plötzlich hält man Sloper, die man vorher kaum als Griff identifiziert hätte, und steht sicher auf millimetergroßen Mikro-Tritten.
Eine Besonderheit an „Bleau“ sind die Parcours: In den einzelnen Gebieten sind Boulderprobleme aus ähnlichen Schwierigkeitsgeraden zu einem durchs Vertikale gewürztem „Spaziergang“ durch das jeweilige Gebiet zusammengefasst. Die einzelnen Parcours sind durchnummeriert, anhand der Farbe kann man den ungefähren Schwierigkeitsgrad von kindergeeignet bis extrem schwer abschätzen. Der letzte Boulder eines Parcours hält dabei oft eine besondere Finesse oder Überraschung bereit.
Auf einen solchen Parcours begaben wir uns am dritten Tag, um bei über 20 Grad Celsius gleich 23 Boulderprobleme am Stück zu lösen. Einer davon führte uns ungesichert in acht Meter Höhe – die letzten fünf Meter über eine Reibungsplatte, von der man wirklich nicht abrutschen wollte. Zum Spaß nahmen wir noch eine kleine, leichte Platte aus einem leichteren Parcours mit, die wir ohne den Einsatz der Hände kletterten, und machten noch ein zwar niedriges, aber knackiges Mantle-Problem. Zwischendurch bestaunten wir absolute Top-Kletterer, die nur so über die Felsen flitzten: Es gab jede Menge Eidechsen zu beobachten.
Ab Mittag des letzten Tages war Regen angekündigt. Wir fuhren noch einmal in ein Gebiet, in dem wir noch eine „Rechnung“ offen hatten. Es ging um ein niedriges Dach, bei dem man rund fünf Meter mit nur 50 Zentimeter Luft unter dem Hintern an Auflegern und mit Hooks traversiert, ehe man an einer fiesen Kombination von weitem Heel-Hook und kleinen Leisten auf den Felsbrocken aussteigt. Nachdem wir uns an leichteren Bouldern warmgemacht hatten und Kira ein weiteres, altes Projekt abknipste, konnte auch ich meinen Dauerbrenner durchsteigen und hatte damit eine FB 6b+ (etwa UIAA 8+) in der Tasche. Kira gelang am gleichen Boulder ein früherer Ausstieg, bei dem man sich aus dem Dach heraus über die Lippe rausdrücken („manteln“) muss. Jetzt war nur noch Thorsten dran – und der zog den Boulder mit dem „Kira-Ausstieg“ im letztmöglichen Versuch des Tages durch, während die ersten Regentropfen fielen. Gemeinsam bekamen wir das „Bleau-Grinsen“ nicht mehr aus dem Gesicht: Das war der perfekte Abschluss für ein perfektes langes Wochenende!
Im September 2017 gibt es übrigens eineF ahrt unserer Sektion nach Fontainebleau, das Angebot steht bereits online.