Teilnehmer: Albert, Helmut, Ingo, Rene, Volker und Walter
Das Ziel unserer Bergtour 2021 war das Grödnertal in den Dolomiten, ein faszinierendes Bergtal mit berühmten Kletterwänden. Hier spricht die einheimische Bevölkerung teilweise noch die uralte ladinische Sprache, die nur noch in ganz wenigen Bergregionen erhalten ist.
Mittwoch, 01.September
Nach einer Nachtfahrt kamen wir über den Grödnerpass in Corvara an. Wir packten unsere schweren Rucksäcke und stiegen im Sonnenschein auf in Richtung Puezspitzen. Bald kamen wir zu einer Alm, wo uns laute Disko-Volksmusik entgegen schallte. Wir ließen uns nicht abschrecken und stärkten uns mit Cappuccino und einem ausgezeichneten Apfelstrudel.
Am frühen Nachmittag erreichten wir die kleine, 2475 Meter hohe Puezhütte. Da wir noch nicht ausgelastet waren, bestiegen wir noch den Hausberg, die Puezspitze mit etwa 2500 Metern. Ein großartiger Ausblick bot sich uns: Im Süden die nahe Sellagruppe mit dem Piz Boe, dahinter der weiß leuchtende Gletscher der Marmolata, im Westen der markante Langkofel und im Norden der etwas weiter entfernte schneebedeckte Hauptkamm der Alpen. Durch Volkers Fernglas konnten wir viele Details erkennen, unter anderem die Fassahütte auf dem höchsten Gipfel der Sella, den wir zwei Tage später besuchen sollten.
Albert, der noch nicht genug hatte, bestieg noch den Nachbargipfel, der noch etwas höher war.
Abends saßen wir noch gemütlich in der Hütte, genossen den ieuchtend farbigen Sonnenuntergang und das kräftige Bergsteigeressen.
Donnerstag, 02.September
Nach einem kargen Frühstück machten wir uns auf den Weg in Richtung Regensburger Hütte. Die Sonne schien und es ging wieder aufwärts. Bald mussten wir die steile Nivesscharte in 2740 Meter Höhe überqueren. Später kamen wir an eine Almwiese, auf der zahlreiche kleine Edelweißsterne blühten.
An der Regensburger Hütte legten wir ein zweites Frühstück ein. Diese alte Hütte, die schon Luis Trenker für zahlreiche Touren als Ausgangspunkt gedient hatte, lag schon an der oberen Waldgrenze.
Eigentlich wollten wir mit der Seilbahn nach St Christina abfahren, fanden aber nicht gleich die Bergstation, so dass wir zu Fuß abstiegen. Zur Mittagszeit kamen wir im Ort an.
Als ich meinen Rucksack auf der Brücke über dem Flüsschen Rio Gardena abstellte, hüpfte meine Trinkflasche aus dem Seitenfach und rollte unter dem Brückengeländer hindurch, um sich in das lustig rauschende Gewässer zu stürzen. Wir konnten nur noch nachblicken, wie sich die Aquintus-Flasche schaukelnd als Mützenicher Flaschenpost in Richtung Mittelmeer entfernte.
Mit einem Taxi ließen wir uns zur Talstation des Sessellifts in Richtung Langkofel fahren und erreichten bequem die Almregion zu Füßen des berühmten Felsmassivs. Von hier marschierten wir zur Langkofelhütte, die spektakulär zwischen den Felswänden des Lang- und des Plattkofels lag. Wegen des nahen Lifts herrschte hier touristischer Massenbetrieb.
Nach kurzer Trinkpause verließen wir den Menschentrubel und starteten unser Nachmittagsvergnügen, den Oskar-Schuster-Klettersteig auf den Plattkofel. Auf dem Weg zum Einstieg kam uns ein junges Pärchen entgegen, das in der Wand umgedreht war. Aha…
Doch dann standen wir vor die Felswand. Steil ging es hoch in einem dunklen Riss. Nicht ganz leicht, aber auch nicht wirklich schwer (Kategorie B und C, 1+). Allerdings hatten wir bereits einen sechsstündigen Marsch in den Beinen und trugen schwere Rucksäcke. Der Fels war sehr griffig und viele Stellen waren seilfrei zu klettern. In leichter S-Linie ging es etwa 380 Meter zum Gipfelgrat, den wir nach etwa zwei Stunden erreichten.
Am Gipfelkreuz in 2958 Meter Höhe angekommen, segelte elegant eine Bergdohle herbei, setzte sich auf einen Stein und betrachtete die komischen, ungelenken Zweibeiner neugierig. Was hatten die da in ihrem Revier verloren? Aber gerne nahm sie ein Stückchen Schokolade an.
Nach dem Eintrag im Gipfelbuch stiegen wir über die andere Seite des Berges ab, die wesentlich flacher und einfacher war.
Schließlich kamen wir in der modernen und geräumigen Plattkofelhütte an. Hier konnten wir uns nach der zehnstündigen Wander- und Klettertour erholen. Das Abendessen war ein Genuss und als Nachtisch gab es unter anderem einen fantastischen Sonnenuntergang. Feuerrot strahlte der Horizont, als die Sonne hinter der gezackten Felsenburg der Schlern versank. Bald darauf versanken auch wir in tiefen Schlaf.
Freitag, 03.September
Nach dem reichhaltigen Frühstück wanderten wir über den vielbegangenen Dolomiten-Höhenweg in Richtung Sellajoch. Hinter uns lag die gewaltige Felsenburg des Langkofels, der eine gezackte Krone trug mit den Türmen der Fünf-Finger-Spitze und der Grohmannspitze. An diesen wilden Zacken wurde einst Klettergeschichte geschrieben.
Um heute Abend noch unser Ziel in der Sellagruppe zu erreichen, nahmen wir nun die Seilbahn ins Tal hinab. Hier im Talgrund berieten wir uns über den weiteren Weg. Unser nächstes Ziel war die Forcella Pordoi-Hütte, die in der Gipfelregion des Felsmassivs Sella lag.
Schließlich fanden wir mit Hilfe der Karte und Kommot-Ortung den Einstieg in den gewünschten Weg. Dieser führte erst ganz seriös durch Lärchenwald, entlang der Autostraße, bog aber bald ab zu einem Parkplatz. Hier lockte uns die sanfte Stimme von Frau Kommot in dichten, fast undurchdringlichen Latschenwald. Der anfänglich erkennbare Pfad verlor sich bald im grünen, feuchten Urwald. Volker war jedoch überzeugt von dieser Richtung und so folgten wir ihm brav durch kniehohe, nasse Blaubeersträucher, zugewachsene Bodensenken und Latschengestrüpp, das unser Vorwärtskommen erfolgreich bremste. Einmal riss ich einen halben Baum mit meinem Rucksack ab, so dass ich mit einem hölzernen Hirschgeweih herumlief, bis mich Rene davon befreite.
Endlich hatten wir einen Pfad erreicht, der steil aufwärts führte über ein Schotterkar am Fuße einer senkrechten Felsklotzes. Das musste unser Weg sein, Volker hatte uns tatsächlich richtig geführt. Bald verließen wir die Baumzone und kletterten aufwärts, bis wir die mittlere Etage der Felsbastion Sella erreichten. Nun führte der Pfad durch ein Hochtal, das von gigantischen Dolomit-Türmen und Wänden eingerahmt war. In einer Felsscharte über uns sahen wir klein wie ein Insekt einen Bagger, der sich in Zeitlupe bewegte. Schließlich hatten wir auch diesen erreicht und sahen, dass er einen Graben für ein Abwasserrohr ins Gestein fräste.
Der Weiterweg in dieser bizarren Felslandschaft wurde immer steiler und unsere Beine immer müder. Auf dieser stundenlangen Wanderung hatten wir gerade mal zwei andere Bergsteiger getroffen.
Doch dann hatten wir es geschafft und wir standen in der Felsscharte Forcella Pordoi mit der gleichnamigen Hütte auf 2880 Metern Höhe
Es zischte, als das erste kühle Radler in unseren ausgetrockneten Kehlen rann und den Dolomitenstaub wegspülte. Wir betrachteten die vielen Tagestouristen, die sich über die nahe Seilbahn hochgeschaufelt hatten lassen und nun ungelenk über die Felspfade stapften. Wesentlich souveräner segelten die Bergdohlen über uns.
Nach kurzer Rast beschlossen Volker, Rene, Albert und ich den rucksacklosen „Nachmittagspaziergeng“ zum scheinbar so nahen Piz Boe mit 3152 Metern Höhe. Helmut begleitete uns bis auf das Hochplateau vor der Boespitze. Wir hatten bereits in den Tagen zuvor die Hütte auf der Bergspitze von Ferne gesehen und wollten sie nun besuchen. Wie so oft im Gebirge täuschte die gesehene Entfernung und der Schlussanstieg stellte sich als leichte Kletterei heraus. Doch dann standen wir am Gipfelkreuz des höchsten Berges in der Sella-Gruppe. Mittlerweile waren ein paar Wolken aufgezogen, so dass wir einen Rundblick mit Nebelschleiern zu genießen hatten. Wir kehrten noch ein in der winzigen, urigen Fassahütte und tranken Cappuccino.
Auf dem Rückweg, wir bewegten uns gerade in einer Kletterstelle, hörten wir mehrere Signaltöne und anschließend einen lauten Donnerschlag, so dass der Berg zitterte. Danach lag Staubgeruch in der Luft. Die nahen Bergarbeiter hatten einen Felsen für ihre Rohrleitung weggesprengt. Etwas später, nicht mehr weit bis zu unserer Unterkunft, zuckte ein Blitz und ein Donnergrollen rollte durch das Hochtal, aber diesmal natürlichen Ursprungs. Das war der Startschuss für Albert, der losrannte, um seine Wäsche vor dem kommenden Regen einzusammeln, die er vor der Hütte zum Trocknen ausgelegt hatte.
Dieser Abend in der Forcella Pordoi-Hütte war unser letzter gemütlicher Heuschnaps-Abend. Den hatten wir uns nach einer anstrengenden zehnstündigen Tour mit etwa 2000 Höhenmetern aufwärts verdient.
Samstag, 04.September
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne am tiefblauen Himmel und meine Oberschenkel brannten. Nach dem Frühstück brachen wir auf, am Piz Boe vorbei zur Boe-Hütte. Wir mussten aufpassen, da manche Felsen mit einer Eisglasur überzogen waren. Weiter stiegen wir über ein hohes Joch, dann hinab zur Pisciadu-Hütte. Hier stärkten wir uns noch mit Kuchen, Kaffee und Radler, bevor der Pfad weiter steil abwärts ins Tal führte. Mittlerweile waren graue Wolken aufgezogen.
Wir waren seit der letzten Hütte noch nicht lange unterwegs, da löste sich die Sohle von Ingos altem Bergstiefel. Wir hatten bereits Erfahrung in einer solchen Geschichten und so wickelte Volker Pflasterband um Ingos Stiefelspitze. In der Hoffnung, dass diese Konstruktion eine Weile halten würde, stiegen wir weiter ab über die nächste Steilstufe.
Der Talboden war nicht mehr allzu weit entfernt, wir mussten nur noch eine steile Klamm mit Wasserfällen absteigen. Da begann es zu regnen. Der Regen wurde zur Dusche und so erreichten wir den Talboden durchnässt.
Kurz vor unserem Ziel, dem Parkplatz, wo Renes Wagen stand, löste sich Ingos Notverband am Schuh, so dass sich dieser wie ein Schnabel öffnete. Storchbeinig stakste er die letzten hundert Meter zum Auto und die Heimfahrt konnte starten.
Auch diese Bergtour war wieder ein voller Erfolg. Spektakuläre Höhepunkte und eine etwa fünfzig Kilometer lange Rundtour durch diesen Teil der Dolomiten machte die Reise zu einem unvergesslichen Abenteuer. Dazu erlebten wir beste Kameradschaft, wobei die Jungen starken Buben immer auch Rücksicht auf die älteren, nicht mehr ganz so schnellen Opas nahmen. Und wir hoffen, dass bei unserer nächsten Bergtour unser unverwüstlicher Old-Sherpa und Flugpionier Rolf wieder mit dabei ist.