Datum: 16. 06 1987
Autor: Rudi Berners
Wie hieß es doch so schön in der letzten Vereinsinformation? "Der Heilbronner Weg und vielleicht noch weitere Klettersteige in den Allgäuer Alpen ist Ziel einer Tour die vom 17.6. -20.6.87 gemacht wird." Aber es kam doch etwas anders.
Morgens um 7 Uhr brachen Stefan Engel, Eckhard Klinkhammer und Rudi Berners voller Tatendrang und gut ausgerüstet den Weg nach Oberstdorf im Allgäu an. Schon bei der Anreise wurde der Elan der drei Bergsteiger durch einige größere Autobahnstaus gebremst. Oberstdorf wurde am frühen Nachmittag erreicht. Unverzüglich fuhr man mit der Fellhornbahn bis zu deren Mittelstation um den Weg zur Fiderepaßhütte zu verkürzen. 15 cm nasser Neuschnee lagen hier auf ca. 1750m Höhe. Von dem Pfad zur Fiderepaßhütte keine Spur. Nachdem der Wirt des Seilbahnrestaurants mit seinen Lawinenwarnungen die Drei nicht zur Aufgabe ihres Vorhabens abbringen konnte, erklärte er ihnen noch den Weg und sie gingen bei leichtem Schneetreiben los. Schon nach einer halben Stunde standen die Drei vor dem ersten gefährlich geneigten Hang. Jetzt hieß es "Abstand halten". Der Hang war schon gequert als sich die Sicht verschlechterte. Über abgegangene Schneebretter ging es weiter bis nach wenigen hundert Metern die Hangneigung bedrohlich wurde. Um keine Lawine auszulösen mußten wir jeden Schritt mit Bedacht und Ruhe ausführen. Hinter dem Lawinenhang war der Pfad in Teilen wieder zu sehen. Vor dem letzten Aufschwung zur Paßhöhe wurde gerastet. 300 Höhenmeter waren noch zu bewältigen. Hier an der Kühgundalpe mußte entschieden werden, die Tour abzubrechen oder zur Hütte weiter zu gehen. Immerhin zeigte die Uhr schon 18:30. Da bei einem Abbruch des Hüttenanstiegs die Kühgundalpe als Biwak gut geeignet erschien, konnte der Aufstieg bedenkenlos fortgesetzt werden. Nach einer Stunde anstrengendem Voranstapfen im nunmehr kniehohen Schnee gegen einen beißenden Wind und in immer dichteren Hebel kamen die drei Bergsteiger bei der Hütte an.
Auf die Idee, auf der Hütte besseres Wetter abzuwarten, waren auch ca. 30 andere Alpinisten gekommen, die alle schon länger in der Hütte verweilten. Die Gesichter der Drei erhellten sich als sie einen warmen Teller Erbsensuppe bekamen, – die Küche hatte eigentlich längst geschlossen.
Am nächsten Morgen wurde das weitere Vorgehen besprochen: Die Klettersteige könnten auch nach Tagen mit schönem Wetter nicht begangen werden. Von den 3 Übergängen zur Mindelheimer Hütte waren mindestens 2 unter den gegebenen Bedingungen nicht passierbar. Ein Blick vor die Hüttentür zeigte die drastisch verschlechterte Situation: 1m Neuschnee, Sturm, starker Schneefall und Nebel. Damit war auch der letzte Übergang zur Mindelheimer Hütte versperrt. Gegen 10 Uhr entschlossen die Drei sich zum Abstieg nach Oberstdorf. Der anfangs hüfthohe Schnee wurde in tiefer gelegenen Gefilden immer weniger. Für den Abstieg wurden nur 2,5 Stunden benötigt.
Die restlichen Tage der Tour verbrachten die Drei im Bregenzerwald, wo sie noch die 2047m hohe Kanisfluh bestiegen. Am 20.6. trafen alle wieder glücklich zu Hause ein.
Trotz der Strapazen, welche die Bergsteiger auf sich nahmen, braucht keiner die außerordentlich lehrreiche Tour zu bereuen. Zu den Erfahrungen, die ein Bergsteiger machen sollte, gehören eben auch diejenigen, die den Alpinisten auf die Grenzen seiner Möglichkeiten hinweisen.