Datum: 11. 10 2013
Autor: Martin Boekholt
Was kann man Alpen-erfahrenen DAV-Wanderern eine Woche lang Spannendes bieten? Wie begeistert man einen Haufen Jugendlicher mit viel Energie und einer Portion Skepsis für das Thema „Bergwandern“? Diese und ähnliche Fragen hatte ich im Kopf, als ich mich im letzten Jahr mit der Ausschreibung für eine mögliche Berg(wander)tour abmühte. Heraus kam der Vorschlag für eine „Erlebniswanderung“, laut Text in der Vorabinformation „Diese 8-tägige Erlebniswanderung führt uns in die Kalkstein- und metamorphen Gesteinsformationen der Zentralalpen in Vorarlberg. Wir werden auf leichten bis schwierigen, teilweise ausgesetzten und mit Drahtseil gesicherten Wegen und Steigen eine Streckenwanderung „von Hütte zu Hütte“ durchführen, einige mit Wanderpfaden erreichbare Gipfel besteigen und teilweise durch leichteres wegloses Gelände unterwegs sein. Wir werden in 3 Hütten übernachten, und in 2 Hütten mehrere Nächte bleiben, sodass wir von dort dann auf Tagestouren mit sehr leichtem Rucksack unterwegs sein können. Ein leichter Klettersteig ist Teil der Tour, wenn (und nur wenn) das Können der Teilnehmer dies zulässt.“ So versprochen, so geplant… Die Tour war schon im Januar ausgebucht, und nach entsprechender Vorbereitung inklusive Anschaffung der notwendigen Sicherheitsausrüstung (Hüftgurte, Klettersteigsets, Helm, Stirnlampen, Teleskopstöcken) trafen wir uns dann am letzten Sonntag im August morgens in Lindau am Bodensee, mit den Bergen des Rätikons als Ziel.
Wir, das war eine 10-köpfige Gruppe, bestehend aus 5 Jugendlichen im Alter von 10 bis 15 Jahren und 5 Erwachsenen mit einer etwas weiteren Altersspanne (bis 67 Jahren). Die Organisation der Anreise klappte vorzüglich, der Großteil der Gruppe war schon einen Tag vorher zum Bodensee angereist und die Deutsche Bahn lieferte die letzten ankommenden Teilnehmer pünktlich am Hauptbahnhof ab. Es war morgens früh, und da nach 2-wöchigen stabilen Hochdruckwetter nun ein Tiefdruckgebiet in Anmarsch war, waren wir die einzigen Leute mit Rucksack am Bahnhof. Schnell in die Vorarlbergbahn nach Bludenz und Vadans gestiegen, und schon fing die Tour an. Im Zug kam die richtige Vorfreude auf - Gespäche, Witze und Schabernack wurden nicht von den an den Zugfenstern vorbeiziehenden tiefliegenden Wolken getrübt.
In Vadanz aus dem Zug gestiegen, war das erste Stückchen der Wanderung flach. Die folgenden 1200 m Höhenmeter waren mit Hilfe der Golmerbahn schnell geschafft, und an der Bergstation waren wir schon fast oberhalb der Wolken. Die Sicht war variabel, durch die Wolkenlücken waren die übersteilten Grasberge zu sehen, die wir an diesem Tag durchwandern wollten. Teleskopstöcke fertiggemacht, und bald war der erste Gipfel bestiegen (sogar mit Gipfelkreuz, haha) und die ersten Gämsen gesichtet. Der Wanderpfad entlang des Kammes beinhaltete einige „ups“ & „downs“ und mutierte beim Anstieg zur Geißspitze zu einem Steig auf dem Grat, mit einigen Hundert Metern Abgrund an beiden Seiten. Aufgrund der Höhe waberten die Wolken um uns herum, und gaben nur sehr plötzlich und dann unerwartet kleine Fenster mit Aussicht auf die spannende Umgebung frei. Super! Auf der Geißspitze war dann mit 2234 m der höchste Punkt dieses Tages erreicht. Die Messwerte meines GPS bestätigten die Höhenangabe der Karte, somit ein Kalibrierungspunkt für den Luftdruck, gut… Die Aussicht in den Wolkenfenstern auf die höchsten, aus Kalkstein bestehenden Berge des Rätikons (Sulzfluh, Drei Türme, Drusenfluh, Schesaplana) war gewaltig und die Gruppe konnte diese Gipfel als Ziele für die nächsten Tage sehen. Als letzte Etappe für den ersten Tag blieb dann nur der Abstieg von der Geißspitze herunter zur Lindauer Hütte (1744 m), wo wir 3 Nächte übernachten sollten. Dieser Abstieg durch den die Gipfel aufbauenden Tonsteine war aufgrund der Nässe sehr rutschig, und ausnahmslos jeder in der Gruppe war dann froh, die Stöcke einzusetzen. Für einen Großteil der Gruppe war dieser Tag das erste Mal mit Wanderstöcken, sodass neben den Tips & Tricks der beiden DAV-Wanderleiter Martin & Herbert noch eine Menge „Try & Error“ zu sehen war. „Error“ resultierte dann in nasse und wegen der Tonsteine vermatschte Hosenböden. Nach etwa 800 Höhenmetern und 4 Stunden unterwegs war die Lindauer Hütter erreicht, wo wir dann 3 Zimmer für uns alleine hatten. Die Hütte war einfach gut, die Halbpension (vegetarisch oder nicht) tadellos. Abends stellte sich heraus, dass die Teilnehmer meine Vorabinformationen zur Tour sehr intensiv studiert hatten. Norbert zeigte uns auf seinem mitgeschleppten Tablet-PC dann die Wegstrecke aller Tage und die zu besteigenden Berge in 3D-Animation! Als Fan eines leichten Rucksacks wäre ich nie auf die Idee gekommen, so ein High-Tech-Teil mit in die Berge zu nehmen, aber die Vorführung war schon klasse.
Nachdem die Gruppe am ersten Tag die steilen Grashänge auf Wanderwegen / Steigen problemlos gemeistert hatte, stand für den nächsten Tag (den 2ten) ein Ausflug nur mit Tagesgepäck in die hochaufragenden Kalksteinfelsen der Drei Türme auf dem Programm. Das Kleingedruckte: meist wegloses Gelände!!! Über einen konventionellen Wanderweg durch Wiesen und Schrofen Richtung Drusentor wurden die ersten 400 Höhenmeter zurückgelegt, bevor ein teilweise erkennbarer, manchmal durch Steinmännchen markierter Pfad zu unserem Ziel „Sporaturm“ (2489 m) abbog. Wir wanderten über Felsen, Grundmoränen und Seiten- bzw. Mittelmoränen eines kürzlich vergangenen Gletschers. Wie erwartet, war das Zeug noch so richtig locker! Der von dem Gletscher abgeschliffene Kalk als unterliegendes, aufgeschlossenes Festgestein, auch wenn steiler, war dann eine Wohltat. Eine Höhle in einer Kalksteinwand etwas fernab des „Weges“ war erreichbar über ein Schneefeld und eine extrem lockere Grundmuräne, und nach einem kurzen, sehr luftigem Felsband und noch etwas Kraxelerei stand die Gruppe am Fuße des Sporaturms. Hurra! Diese Felszinne an der Basis der Felsgruppe „Drei Türme“ war dann der höchste Punkt des Tages. Herunter ging es dann direkt weglos nach Norden, wieder über den Boden eines ehemaligen Gletschers, dessen Reste nur höher als der Sporaturm Richtung „Drei Türme“ noch vorhanden sind. Diese Grundmoräne, gespickt mit Steilabstürzen über nacktem Fels und erst in den letzten 50 Jährchen freigeworden von der Eisbedeckung, hatte es mit ihrer durchgehend minimal 30º Neigung schon in sich. Spätestens hier war jeder von dem Nutzen der Teleskopstöcke voll überzeugt. An dem aus Kalk bestehenden Felsriegel an der anderen Seite des Gletschertals mit passendem Namen „Gamsfreiheit“ gab es dann eine große Höhle, die besichtigt werden wollte. Gregori (15) und der andere junge Spund Herbert (67) rannten vorneweg, der mehr abenteuerlustige Teil der Gruppe hinterher. Da die Wolken um uns herum waberten (das Wetter war nicht so dolle, immer noch dieses Tiefdruckgebiet…) entschloss ich mich, mich an strategischer Stelle etwa 70 Höhenmeter unterhalb der Höhle zu positionieren, auf der Grundmoräne zwischen 2 Steilabstürzen, und dies war dann der Treffpunkt für die Gruppe mit und ohne Höhlenbesichtigung. Weiter unten, nach Durchquerung des flacheren Stückchens namens „Tierpark“ ließ sich ein Steilstück nicht vermeiden, und es gab die erste Bekanntschaft mit den Händen am Kalk. Die leichte Kletterei (Schwierigkeitsgrad I) über 30 Höhenmeter konnte ich verbinden mit einigen Erläuterungen zu den dort vorzufindenden, durch Wasser hervorgerufen Erosionsformen des Kalks. Weiter über Wiesen und Latschengebiete höhenlinienparallel bis zu dem Rätikon-Höhen-Wanderweg, und die Pflicht des Tages war geschafft. Für den Teil der Gruppe mit zu viel Energie kam noch die Kür, über 100 Höhenmeter Grashang mit minimal 30º Neigung weglos zum Zerneuer Jöchle hoch, dann Abstieg bzw. höhenlinienparallel in die einsame, namenlose und von Wegen nicht berührte Alm an der anderen Seite des Zerneuer Jöchles und später zum und auf den Wanderweg hoch zum Hätaberger Joch. Treffpunkt mit dem etwas ruhigeren Teil der Gruppe (die zur Abwechslung mal über „normale“ Wanderwege ging) war dann die Latschätzalpe, mit einer frischen Milch und anderen Getränken. Letztendlich war der Tag in der Lindauer Hütte zu Ende mit einem leckeren Abendessen, und ein großes Lächeln stand in allen Gesichtern angesichts des spannenden Tages. Für die meisten Teilnehmer war das durchgehende Gehen im weglosen Gelände (und dieses nicht einfach) eine neue Erfahrung.
Der dritte Tag brachte dann ein Erlebnis der anderen Art – den Klettersteig zur und durch die Gauerblickhöhle. Der Zustieg führte durch ein Gletschertal mit passendem Namen „Rachen“, und musste mit viel Schweiß während eines rassigen Anstiegs über einen mehrere hundert Höhenmeter hohen Felsriegel erwandert werden. Glücklicherweise war die Sonne immer noch von Wolken bedeckt, obwohl die Wettervorhersage besseres Wetter versprach. Nur der barometrische Höhenmesser des GPS und auch das Bauchgefühl des Führers war nicht in Einklang mit dieser Vorhersage… Nun ja, nach gefühlten 2 Stunden bis zu einer Ewigkeit (je nach Kondition der Teilnehmer) standen wir dann am Eingang des Klettersteigs, und nach Anlegen der Klettersteigausrüstung konnte es dann losgehen. Die ersten 200 Höhenmeter waren nicht allzu schwer (Grad A/B), und erlaubten eine sehr gute erste Erfahrung im Klettersteiggehen für diejenigen, die dies vorher nicht gemacht hatten. Die Trockenübungen am Abend vorher in der Umgebung der Lindauer Hütte zahlten sich aus, die Mechanik des Karabinerbedienens war perfekt. Gregori (normalerweise als Sportkletterer im Fels im Vorstieg Grad V sicher zu Hause) war der erste unserer Gruppe, die restlichen Leute mit Kletter- und Klettersteigerfahrung verteilten sich zwischen die Anfänger. So kamen wir zügig zum Höhepunkt des Klettersteiges, die Gauerblickhöhle. Der Klettersteig führte mit leichtem Auf und Ab auf einer Länge von 350 m durch diese Höhle, die einen massiven Felsriegel (Kalkstein) durchquert. Mit Stirnlampen und Helm ausgerüstet, war diese Höhlenbegehung für die Gruppe absolut erlebniswert. Am Ausgang der Höhle ging es dann wieder in die Vertikale, und zwar fast durchgehend in vertikalen Verschneidungen, Graten und Überhängen (Grad B/C). Nur leider hatten Bauchgefühl und barometrischer Höhenmesser Recht bezüglich des Wetters, und gerade als die ganze Gruppe mit den letzten 100 Höhenmetern in dem schwierigsten Stück des Klettersteigs zu Gange war, erwischte uns der erste und einzige starke Regenschauer während der gesamten 8-tägigen Tour. Verschneidungen und Risse wurden zu Bächen, Grate zu Wasserfällen und wir wurden nass, mit oder ohne Regenjacke. Der Klettersteig wurde durch diese Regeneinlage nicht einfacher, und während die Sportkletterer in der Gruppe noch immer spielerisch am Fels turnten, war es für die Anfänger unter uns eine beachtliche Leistung, den Fels sicher zu begehen. Zügig (wegen des Regens) war die Gruppe dann beim Ausstieg, wo natürlich der Himmel teilweise aufklarte und der Regen aufhörte. Da wir alle patschnass waren, war die Wahl zwischen weiteren 400 Höhenmetern zum Gipfel der Sulzfluh (manchmal sichtbar mit all den Wolken) und einem heißen Kakao in der Tilisuna-Hütte einfach. Der Weg Richtung Hütte führte erst über ein faszinierendes Kalksteinplateau mit allen möglichen Karsterscheinungen wie Spalten und Dolinen, und später in tieferen Lagen durch sehr glitschige Tonsteine. Trotz der Feuchte war noch viel Humor und Sinn für Blümchen, Steine und andere Begebenheiten entlang des Weges. Glücklicherweise hatte die Tilisuna-Hütte einen funktionierenden Trockenraum, und der Kachelofen war an. So fanden wir uns wieder vor einem Kakao und anderen Leckerschmeckerchen in der Hütte. Die Hälfte der Truppe musste an die Marathonwanderung im Juni denken, wo wir auch völlig nass zur Mittagspause beim Restaurant an der Wesertalsperre saßen (siehe Bericht dort). Nun ja, nach einer langen Pause die nassen Klamotten wieder an, und dann leicht hoch zur Schwarzen Scharte, stahlseilgesichert höhenlinienparallel und dann den Bilkengrat herunter zur Lindauer Hütte. Trotz nassen Zustands zeigte die Gruppe sich immer noch interessiert für das geologische Bla-bla des Leiters: Die schwarze Scharte liegt in einer geologischen Störung, an einer Seite das Schwarzhorn aus dunklem Vulkangestein, an der anderen die rutschigen Ton-Sandstein-Wechsellagerungen der Flysch-Gesteine. Am Bilkengrat gaben die Jugendlichen jedoch Gas (und verpassten dadurch den Bilkengrat-Granit), während die Erwachsenen mit normalem Tempo zur Hütte gingen. Wieder ein erlebnisreicher Tag, der mit Weißbier, Spezi und anderem Dope in der Hütte seinen Abschluss fand.
Nach 2 Tagen mit Volldampf war Tag 4 wesentlich ruhiger. Wir wechselten die Hütte, und marschierten mit vollem Gepäck über den Rätikon-Höhenwanderweg zur Douglashütte am Lünersee. Diese Hütte mit ihren tollen Zimmern sollte für die nächsten 3 Nächte unsere Basis sein. Der Weg führte uns über den Öfapass und das Verajoch, vorbei an einer Herde von 18 (!) Gämsen und unzähligen Murmeltieren, die von den kids ihre Namen bekamen (z.B. „Dickie“ für ein besonders prachtvolles Exemplar). Da das Wetter immer noch mau war, schauten wir unter unsere Füße, und Herbert erzählte eine Menge zu der vorzufindenden Botanik, komplementär zu den geologischen Einlässen von mir. Angekommen an der Hütte, verspürten wir nicht mehr viel Lust um unsere Beinmuskeln noch anzustrengen, und ließen den Rest des Nachmittags vergehen mit etlichen Gesellschaftsspielen, die in der Hütte vorzufinden waren. Nur Sabine, sportlich wie eh und je, joggte noch eine Runde um den See (6 km).
Am Tag 5 zeigten sich die Berge von ihrer besten Seite: blauer Himmel, Sonnenschein, tolle Temperaturen. Die geplante Tour zur Schesaplana (2961 m), dem höchsten Berg des Rätikons, konnte also bei super Bedingungen stattfinden. Der Wanderweg führte uns vom Ufer des Lünersees zuerst auf die Karstlandschaft des Kalksteinplateaus bei der Totalphütte (passender Name in der Steinwüste), weiter ab etwa 2700 m Höhe durch Neuschnee (hurra) und auf Steinplatten und in schrägstehenden, linienförmigen Wechsellagerungen von Kalk und Ton (wir liefen auf den Tonschichten, mit der Unterstützung der Hände am Kalk) bis zum Gipfel. Die 1000 Höhenmeter waren flott geschafft, sodass wir noch am Vormittag vor dem Massenandrang auf diesen berühmten Gipfel die 360º Aussicht genießen konnten. Die Eisberge in den Schmelzwasserseen des Brandner Gletschers waren lustig, die Butterbrote schmeckten, die Sonne schien und das Leben war schön. Da es ja noch so früh war, bogen wir dann nach dem Abstieg durch die Felsbänder auf dem Kalksteinplateau auf einen Weg ab, der durch diese überaus interessante Landschaft zu einem Übergang namens „Gamslucken“ in die Schweiz führte. Die Stimmung war bestens, und da noch massenhaft Energie übrig war, übten wir alle das abklettern in allen Positionen (vorwärts, seitwärts, rückwärts) an einer passenden Stelle. An dem Gamslucken war es dann ziemlich luftig und steil, und die ersten 50 Höhenmeter Abstieg in den Kalkfelsen zu den darunter liegenden Grashängen waren vernünftigerweise mit Drahtseil gesichert. Beim Gras angekommen, lustwandelten wir dann zu einer kleinen Kuppe, die ich für die (jetzt späte) Mittagspause in Visier hatte. Dort angekommen, Beine ausgestreckt, sahen wir eine unendlich lange Reihe Schafe hintereinander am Berghang in unsere Richtung ziehen. Süß! Die Viecher bzw. die Leithammel (es waren 2 Gruppen) sahen uns aber auch, sodass wir etwas später Besuch von mehreren Hundert neugierigen und aufdringlichen Schafen hatten. Die Ruhe war für eine Weile vorbei, bis dass diese Viecher ihr Interesse wieder interessanteren Angelegenheiten zuwandten und in der Nähe grasten. Wir liefen irgendwann in bester Stimmung weiter, über das Gefalljoch zurück nach Österreich und zum Lünersee. An der Douglashütte angekommen, zeigte das GPS dann 1300 Höhenmeter und 19 km Strecke für den Tag an.
Der nächste Tag fing genauso an wie der vorige aufgehört hatte, mit Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen. Nach dem gestrigen anstrengen Tag wollte ich es etwas gemütlicher angehen lassen, und deswegen war das Tagesziel die Besteigung des Saulakopfs unweit der Hütte (nur bzw doch noch 2 ½ Stunden Gehzeit), der in meinem Klettersteigführer als „einfach“ angegeben war. Über einen ausgesetzten Pfad durch die Steilhänge der Schafgefall-Gipfel (schwarze Amphibolitgesteine, bestimmt schön zum klettern) erreichten wir schon nach einer Stunde die weite Sattelfläche des Saulajochs. Damit hatten wir uns schon die erste Pause verdient, die für eine Yoga-Lehrstunde genutzt wurde (danke, Sabine). Mental richtig ausgerichtet und mit gedehnten Muskeln nahmen wir dann den Anstieg zum Saulakopf in Angriff, der erst in Serpentinen über Grashänge verlief (Tonsteine unterliegend), bis dann der Kalkklotz erreicht wurde, der den Gipfel aufbaut. Dort teilweise wandernd, teilweise an den Drahtseilen, teilweise die Hände am Fels erreichten wir den Gipfel. Wieder eine tolle Aussicht, die Butterbrote schmeckten, die Sonne schien und das Leben war schön. Und da es ja noch so früh war, bogen wir nach dem Abstieg zurück aufs Saulajoch zur anderen Seite zu den „Gipsköpfle“ ab. Dieser Name sagt schon, welche Gesteine man dort findet (Gips), wir kletterten auf die Köpfle und ich konnte meine Erläuterungen zu der Entstehung des Gipses und die Funktion als Gleitfläche für die oberliegenden Kalkgesteine bei der Gebirgsbildung der Alpen loswerden. Auch hier eine super Aussicht, wir verfolgten die Gipsbänder weiter nach Norden bis zu dem vertikalen Felsriegel der Zimba (Kletterberg im Norden) und sahen unter uns eine Alm, wo wir hofften, eine leckere frische Milch zu bekommen. So runter zur Alm, dort enttäuscht (keine Bewirtschaftung) und dann durch Grashänge hoch zur Lünerkrinne (Übergang zum Lünersee). Der Übergang war wieder in Gipsgesteinen, eingeklemmt zwischen senkrecht stehenden Kalklagen. Dort nochmal zurück und danach vorwärts geschaut, und nach der entgangenen Milch lockte die Lünerseealpe einen Teil der Gruppe magisch an. Da wir 2 DAV-Wanderleiter dabei waren, teilten wir uns hier, ein Teil marschierte den Umweg zur Lünerseealpe, um dort eine Bananenmilch / Capuccino usw zu geniessen und Ziegen auf den Tischen zuzuschauen. Der andere Teil ging direkt zur Douglashütte, um dort Spezi/Bierchen zu genießen bzw. um die Badehosen zu holen. Gregori hatte die Idee, dass man sicher einmal in dem Lünersee schwimmen musste, wenn man dort schon 3 Nächte bleibt und die Sonne so schön scheint. Nun ja. Das Problem war der passende Einstieg. Wegen Wartungsarbeiten an der Staumauer war das Wasser im Frühsommer abgelassen, der mehrere Quadratkilometer große See füllte sich langsam wieder, aber der Wasserspiegel war niedrig. So mussten wir wieder halb um den See laufen, um den Treibsand am Fuße des Sees zu vermeiden und in dem normalerweise unter Wasser liegenden Canyon des größten Wildbachs sicher ans Seeufer zu gelangen. Dort waren der Schlick und der Treibsand nicht abgelagert. Das Schwimmen war ein kurzes Vergnügen, das Wasser war eiskalt: 4º C brrrrrrr. Der Kreislauf war in Schwung, die Bananenmilchtrinker kamen von der Lünerseealpe zu uns hinzu, und zusammen ging es dann nach einem tollen Tag zur Douglashütte zurück. Nach diesem gefühlten „Ausruhtag“ zeigte das GPS nochmals 1300 Höhenmeter und 19 km Strecke für den Tag an.
Am Tag 7 sollten wir von der Douglashütte aufbrechen, und zur Sarotlahütte in den Gebirgsstock der Zimba wandern. Von 2 möglichen Wegen entschied sich die Gruppe für den stressfreieren – für einen Klettersteig bzw. drahtseilgesicherten Steig waren mache Rucksäcke einfach zu schwer und zogen den Schwerpunkt zu sehr vom Körper weg. Also abgestiegen ins Brandner Tal über den „Bösen Tritt“ (Name ist zu Recht…) und dann am Bach entlang lustwandelnd über Wiesen bis zur Ortschaft Brand. Dort hatte uns die Zivilisation wieder in Form von Eis und Cappucino beim Naturschwimmbad. Nach einer überlangen, aber immer noch zu kurzen Pause rafften wir uns wieder auf und stiegen durch Wald und an Wasserfällen vorbei zur Sarotlahütte auf. Diese urig gelegene Hütte, nett auf der Kreuzung zweier alter, schon grüner Endmoränen gebaut, bot neben der Aussicht auf die Simba noch leckeren Kaiserschmarren und eine stundenlange Beschäftigung mit den zur Hütte gehörenden Kühen. Nach einem lustigen Abend hatte die Gruppe dann zum ersten Mal ein gemeinsames Matrazenlager – Jugend oben, Erwachsene unten.
Am nächsten Tag (unser letzter Wandertag) mussten wir zurück zur Bahn in Bludenz. Für die geplante Route (Aufstieg auf das Eiserne Törle, dann runter nach Bludenz) war das Wetter zu unsicher. Nach den Wolkenbildern zu vermuten, war eine Kaltfront schneller als in der Wettervorhersage angekündigt in Anmarsch. So die Entscheidung, statt oben herum zu gehen besser abzusteigen. Dies getan, und dann durch die Bürser Schlucht Richtung Tal der Ill. Die Bürser Schlucht war die große Überraschung, welch Naturschönheit! Wildes Wasser, Wasserfälle, steile Hänge, dichter Tannenwald, Travertinbildungen, und ein Wanderweg mit Holzbrücken über die Klamm. An einigen Stellen stiegen wir bis zum Wasser ab, und am Ende der Schlucht wurde dann Pause gemacht, die zum Steine sammeln, zur Entdeckungstour und zum Nichtstun einlud. Die Berge waren schon lange in dunklen Wolken, während wir noch trockenes Wetter hatten. Trotzdem ging es nach der Pause zügig zum Bahnhof in Bludenz, wo die Wolkenwalze der Kaltfront uns dann mit Regen erreichte, als wir gerade in der Bahnhofshalle standen. Super Timing. Wären wir den längeren Weg durch die Berge gegangen, hätten wir den ganzen Tag in den Wolken verbracht und noch mindestens 3 Stunden kalten Regen abbekommen. So waren wir froh, trocken in dem Zug zu sitzen, der uns nach Lindau zum Bodensee zurückbrachte. Als Abschluss der Wanderung gab es noch ein gemeinsames Eis bzw. Kuchen in einem Cafe am Hafen von Lindau. Kommentare der Jugendlichen wie „So cool - Die Wanderung war Hammer“ zeigten, dass die Erlebniswanderung gelungen war.