Die Planung der Hüttentour 2008 war schon ein wenig kompliziert. Ziel sollten zunächst die Allgäuer Alpen mit dem Heilbronner Weg sein. Da es in den nördlichen Alpen noch sehr spät und sehr viel geschneit hatte und wir aus verschiedenen Gründen mit dem 1. Ferientag am 26.6.08 losgehen mussten, hatten wir ein Problem. Gemäß aller Informationen wie Hüttentelefone (übrigens ein Band, das drei Wochen denselben Text lieferte) oder Tourismusbüro, sowie einem Anruf auf der Hermann von Barth Hütte in Österreich wurde uns abgeraten, die Tour zu probieren, zumal Gipfel wie Hochvogel erst recht nicht machbar seien.
Für diesen Fall hatten wir uns schon sehr zeitig als Alternative den Meraner Höhenweg mit der Texelgruppe in Südtirol ausgekuckt. Als ich dann Mitte Juni in St. Martin und in Partschins in den Tourismusbüros anrufe, erfahre ich zu meiner Überraschung, dass auch Teile unserer Alternative wegen zu großer Schneemassen und Lawinengefahr noch nicht begehbar sind. Allerdings gibt es einen riesigen Unterschied. Man ist bestens bemüht uns alle nötigen Informationen zukommen zu lassen und lässt nicht wie im Allgäu ein Band mit überholten Nachrichten laufen. Als ich ein zweites Mal anrufe, gibt man mir die Telefonnummer des Bergführers Vigil Kupprian in Pfelders, der uns danach in hervorragender netter und freundlicher Art berät. So planen wir unsere Alternative noch einmal um, so dass wir die durch Lawinen gefährdeten Stellen später erreichen. Wir können sogar mit unserer Gruppe in Vigils Fremdenzimmern übernachten, was mich sehr freut, da wir ihm mit diesem kleinen Geschäft ein wenig für seine Freundlichkeit zurückgeben können.
26.06.08
Also fahren wir in der Nacht direkt nach dem Fußballspiel Deutschland –Türkei frohgelaunt nach Südtirol. Unser erstes Ziel ist der Pirchhof, ein noch bewirtschafteter Bauernhof in 1450m Höhe oberhalb von Naturns im Vinschgau. Da wir in der Nacht zügig fahren können, sind wir gegen 8.30h rechtzeitig zum Frühstück dort. Dieses Frühstück hatten wir gut eine Stunde vorher vom Reschenpass aus telefonisch bestellt. Nachdem wir gesättigt sind und wir unser Nobellager mit Laminatboden und Balkon bezogen haben, wollen wir uns ein wenig einlaufen, allerdings sollten es nicht mehr als drei Stunden sein, da wir doch von der Nachtfahrt ein wenig geschafft sind.
Wir setzen uns noch einmal für 10 Minuten ins Auto und fahren zum Linthof, ebenfalls am Sonnenberg und in gleicher Höhe wie der Pirchhof gelegen. Von hier aus gibt es einen sehr schönen Weg über den Dickhof zur Dickeralm in 2060m Höhe, wobei sich unterwegs herrliche Aussichten mit schattigen Passagen abwechseln. Da wir die Dickeralm unerwartet schnell erreichen, beschließen wir noch ein Stück weiter zu gehen. So wandern wir über die Moaralm Richtung Schnalstal, um über den Meraner Höhenweg zurück zum Linthof zu gehen. Leider gab es hier nur dürftige Markierungen und wir müssen einige Male den Weg suchen, was uns einige Zeit kostet. Außerdem ist der Rückweg zum Linthof zwar wunderschön, aber um einiges weiter, als wir kalkuliert hatten. Wir erreichen nach einer weiteren kleinen Pause auf der Kopfron-Jausenstation gegen 17.00h den Pirchhof. Da die Seniorchefin alleine im Haus ist, darf Max auf der Terrasse kellnern. So sind aus den veranschlagten drei Stunden eben sechs geworden, nicht schlecht für den Anfang.
27.06.08
Nach dem Frühstück ziehen wir auf dem Meraner Höhenweg entgegen dem Uhrzeigersinn los. Der Meraner Höhenweg ist ein Rundweg in einer Höhe zwischen 1000m und 2900m, den man im und entgegen dem Uhrzeigersinn je nach Kondition und täglicher Gehzeit in 5-8 Tagen gehen kann. Man kann davon ausgehen, dass man in etwa jeweils nach einer Stunde eine Jausenstation passiert, so dass man nicht unbedingt viel Proviant dabei haben muss. Wir pausieren zunächst für eine Apfelschorle oder ein Radler am Hochforch und am Gasthaus Giggelberg. Winfried verspricht der Wirtin, dass wir im Laufe des Tages nach den zum Haus gehörenden Schafen, die schon auf der Hochweide Richtung Lodner Hütte sind, Ausschau halten. Nach weiteren zwei Stunden machen wir eine ausgiebige Rast an der im Jahr 2008 nicht bewirtschafteten Nassereith Hütte, nachdem wir vorher den höchsten Wasserfall Südtirols passierten.
Wir verlassen nun zunächst den Höhenweg und steigen zur Lodner Hütte in 2262m Höhe auf. Da einige Fahnen am Mast hängen, packt Winfried seine Deutschlandfahne aus, die wir zum Fußballendspiel am Sonntag brauchen, und hängt sie dazu. Hier oben ist noch nicht viel los und die Hütte ist auch erst einige Tage geöffnet. Vom Wirt erfahren wir, dass wir wohl ein weiteres Mal umplanen sollten. Wir beabsichtigten von der Lodner Hütte über das Hasljoch (2800m) und den Tschigatt (3000m) zur Leiter Alm oberhalb von Meran zu gehen. Er sagt uns, dass er wisse, dass oben noch sehr viel Schnee sei und dass in dieser Saison noch Niemand den von uns beabsichtigten Weg gemacht habe. Wanderer, die von der anderen Seite übers Hasljoch zu ihm kommen wollten, haben abgebrochen. Etwas später kommen zwar drei Bergsteiger an, die übers Hasljoch gegangen sind, doch sind diese nicht auf dem Tschigatt gewesen. Außerdem berichten sie, dass die vorhandenen Seilsicherungen sich noch im Schnee befinden. Nach diesen Informationen ist für unsere Gruppe klar, dass wir auf einem anderen Weg zur Leiter Alm gehen und wir setzen uns in die Sonne und genießen den Nachmittag. Nach dem Abendessen wird der folgende Tag besprochen und der Hüttenwirt schickt die letzten von uns gegen 10.00h aufs Lager.
28.06.08
Nach ausgiebigem Frühstück steigen wir in den Franz-Huber-Steig Richtung Hochganghaus ein. Der Franz-Huber Steig ist auch ein Höhenweg mit einigen Seilsicherungen, allerdings schon absolut schnee- und eisfrei. Es gibt zwei Varianten und wir entscheiden uns für den sehr steilen Weg über die Sattelspitze (2429m), wo eine erste Rast eingelegt wird. Bei herrlichem Wetter haben wir eine tolle Aussicht ins Zieltal und in den Vinschgau.
Wir wandern weiter zum Hochganghaus (1839m), wo wir zu Mittag essen. Die Wirtin fragt uns ein wenig aus und als sie erfährt, dass wir zur Leiteralm wollen, grummelt sie, dass wir dann auch bei ihr hätten bleiben können. Wir werden später erfahren, was das zu bedeuten hat. Das Hochganghaus ist nicht sehr einladend, besser gesagt, es ist nicht nur in die Jahre, sondern auch etwas herunter gekommen, weswegen ich hier keine Übernachtung plante. Das Haus wird derzeit wohl auch aus diesen Gründen komplett neu gebaut.
Bei herrlichem warmem Sommerwetter erreichen wir nach knapp zwei weiteren Stunden - jetzt wieder auf dem Meraner Höhenweg - die Leiter Alm (1522m) und setzen uns zunächst auf die schöne, große Terrasse mit herrlicher Aussicht auf Meran. Nachdem der Wirt uns begrüßt hat, ist Pause angesagt.
Irgendwann geht Rosi sich unsere Zimmer im Nebengebäude ansehen. Sie kommt dermaßen lachend zurück, dass sie fast die Außentreppe hinunter fällt. Wir starten alle zu Besichtigung und trauen unseren Augen nicht. Wenn ich die Zimmer mit meinem Holzschuppen vergleiche, beleidige ich den Letzteren. Das Ganze ist eine Bretterbude, notdürftig zusammengezimmert, es hat auch schon mal gebrannt, wie man an geschwärzten Brettern oberhalb eines Bettes leicht erkennen kann. Die Toiletten sind durch einen Vorhang vom Flur getrennt, man sollte bei Blähungen also durchaus vorsichtig sein. Eine Frau einer anderen Gruppe ist fassungslos und steht mit Tränen in den Augen in ihrem Zimmer.
Wir schauen uns an, stellen fest, dass wir ohnehin nichts an der Situation ändern können und finden, dass positiver Weise festzuhalten ist, dass es warmes Wasser in einer mit PVC ausgekleideten Dusche gibt. Den Rest muss man sich schön trinken und wie war das mit der Bemerkung der Wirtin am Hochganghaus?
Frisch geduscht und zurück auf der Terrasse befragt der Wirt uns nach unseren Wünschen bezüglich des Abendessens. Er überredet uns aber ohnehin das zu nehmen, was er vorschlägt, - und jetzt wird alles gut. Wir erhalten – wie auch die andere Gruppe – riesige Pfannen mit Hirtenmacaroni und Spagetti in Knoblauchbutter. Dazu gibt es reichlich in ebenso riesigen Schüsseln frischen Salat. Später bei Kerzenlicht werden unsere Reste mit den Resten der anderen Gruppe getauscht, wir haben uns bei Bier und Rotwein schnell angefreundet. Rückblickend ist die die Übernachtung auf der Leiter Alm als ein Höhepunkt der Hüttentour anzusehen. Der Wirt ist ein netter, freundlicher Mensch, der viel zu erzählen weiß und sich abends zu uns gesellt.
29.06.08
Wir sind früh aus den Betten und starten nach dem guten Frühstück Richtung Taufererscharte. Das bedeutet, dass wir abermals den Höhenweg verlassen, weil wir uns den vielleicht nicht ganz so interessanten Teil im Passeiertal sparen möchten und stattdessen einen Abstecher zu der größten Seengruppe Südtirols – den Spronser Seen – machen.
Da diese Tagesetappe relativ weit ist und über 1000 Höhenmeter hat, hatte ich am Vorabend erwähnt, dass wir ein klein wenig zügiger gehen sollten, da wir am Vortag doch sehr gemütlich unterwegs gewesen waren. Laut Wetterbericht waren außerdem Gewitter möglich.
Meine Bemerkung wird allerdings missverstanden und es beginnt eines unserer verrückten "Wettrennen", denn wir schaffen die 700 Höhenmeter bis zur Scharte mit vollem Gepäck in einer Stunde zwanzig Minuten. Als wir an der Scharte ankommen, ist an meinem Körper kein trockenes Fleckchen mehr, ich hätte mein Hemd auswringen können – aber das Bier vom Vorabend ist 100%-ig draußen.
Nach kurzer Rast (es war kalt) gehen wir weiter zu den ersten Seen und der daran gelegenen Oberkaser Hütte. Nach einer weiteren Rast steigen wir etwa eine Stunde weiter auf zu einer Stelle, wo man gleich mehrere der Seen überblicken kann. Hier wird etwas ausgiebige Pause gemacht und wir haben die Aussicht genossen, die allerdings etwas besser hätte sein können, da leider immer wieder auch Wolken aufgezogen sind.
Da wir auch jetzt noch nicht die Hälfte der Gesamtstrecke geschafft haben, konnten wir auch hier nicht zu lange verweilen und steigen also vorbei an weiteren Seen zum Spronser Joch (2581m) auf. Dies ist der höchste Punkt des Tages und wir gehen über einige Schneefelder zunächst zum Faltschnaljöchl (2419m), um dann durch das Faltschnaltal zur Faltschnalalm (1872m) zu wandern. Inzwischen ist es recht sonnig, so dass wir auf der Alm einen Sonnenschutz suchen. Bis nach Pfelders – ein winzig kleiner Ort in 1622m Höhe - ist es nur noch gut eine halbe Stunde. Da Endspieltag ist, packt Winfried seine Flagge wieder aus und wir ziehen mit wehender Fahne in den Ort ein. Gleich eines der ersten Häuser ist unser Ziel, die Frühstückspension unseres oben bereits erwähnten Bergführers Vigil Kupprian. Nach einigen Erfrischungen auf der Terrasse und einer Dusche hat Vigil uns ein Restaurant empfohlen, das keine Karte kennt. Die Wirtin schlägt ein paar Gerichte vor und man entscheidet sich für eines. Das klappt auch und es schmeckte hervorragend.
Leider zieht ein richtiges Berggewitter auf. Keiner von uns hatte eine Regenjacke dabei und da wir allmählich zum Fußballspiel in Vigils Aufenthaltsraum zurück wollen, müssen wir durch den strömenden Regen laufen. Das Spiel, auf das wir uns so gefreut hatten, ist dann eine einzige Enttäuschung. Rosi, obwohl an Fußball sehr interessiert schafft die 2. Halbzeit nicht mehr und geht ins Bett. Auch einige andere Augen fallen immer wieder zu, der Tag war wohl doch anstrengend gewesen. Das Spiel wurde bekanntermaßen verloren, Vigil hat kein Weizenbier mehr, also Feierabend.
30.06.08
Nachdem wir uns am hervorragenden Frühstücksbuffet gestärkt haben brechen wir zu den Eishöfen (2060m) im Pfossental auf. Vigil hatte uns bereits am Vortag berichtet, dass dies jetzt problemlos möglich ist, da durch das sehr milde Wetter der letzten Woche so viel Schnee abgeschmolzen ist, dass keine Gefahr mehr gegeben ist. Wir gehen zunächst längs des Pfelderer Bachs bis zur Lazinser Alm (1858) und steigen dann auf einer ehemaligen italienischen Militärstraße aus dem 1. Weltkrieg zur Stettiner Hütte (2875m) auf. Es gibt noch einige größere Schneefelder, an einer Stelle ist der Weg auch weggespült worden, doch der Aufstieg ist insgesamt einfach. Die Hütte hat sogar am Vortag geöffnet, so dass wir uns stärken können. Nach der Rast sind es nur 5 Minuten bis zum Eisjöchl (2895m) und da das Wetter schön ist, gehen wir sehr gemütlich abwärts zu den Eishöfen. Da die Eishöfe telefonisch nicht zu erreichen sind, gehen Winfried und Klaus vor, um rechtzeitig unsere Unterkunft zu buchen. Als wir schließlich ankommen, erklärt uns die Wirtin, dass ihr Haus schon sehr belegt ist, und dass bei einer Übernachtung eine Person schon bereit sein müsse bei ihr zu schlafen. Sie hat hohe Ansprüche, es darf auch kein Bartträger sein, denn Bart mag sie überhaupt nicht. Ich scheide also sofort aus und wir diskutieren, wer von uns denn jetzt das große Glück hat unter Waltrauds Bettdecke schlüpfen zu dürfen.
Es stellt sich schließlich heraus, das wir ein Sechsbettzimmer erhalten und eine Person in einen anderen Raum ausweichen muss. Winfried opfert sich – oder hat er doch das große Los gezogen? Auf jeden Fall war er am nächsten Morgen beim Frühstück in alter Frische wieder da.
Die Wirtsleute waren in jeder Beziehung in Ordnung und wir möchten uns an dieser Stelle für das gute Essen und die hervorragende Bewirtung bei Waltraud und ihrem Mann bedanken. Ich glaube sie waren auch mit unserer Gruppe einverstanden, denn abends hat man uns noch einen leckeren Schnaps auf Kosten des Hauses eingeschenkt.
01.07.08
Über Nacht ist es hier oben kalt geworden, wir stärken uns mit einem sehr guten Frühstück (Waltraud überrascht uns mit Rührei). Anschließend wandern wir zurück zum Pirchhof, von wo aus wir gestartet sind. Der Weg ist weit, aber unschwierig, größtenteils eher abschüssig oder zumindest eben. Man hat überall eine herrliche Aussicht, zunächst noch im oberen Pfossental, dann im Schnalstal bei St. Katharinaberg und schließlich wieder ins Etschtal. Walter rutscht noch auf einer Steinplatte aus und nimmt ein unfreiwilliges Bad in einem kleinen Gebirgsbach, nach ca.4 Stunden landen wir nochmals auf derselben Jausenstation, wo wir schon am ersten Tag so gut gegessen haben. Nach einer ausgiebigen Rast geht es weiter Richtung Pirchhof. Wir sehen von hier oben eine ganze Weile auf den Wohnsitz von Reinhold Messner – Schloß Juval.
Auf dem Pirchhof ist bis auf die Wirtin die ganze Familie mit dem Einbringen der Heuernte beschäftigt, denn wir haben - wie wir später erfahren - die Woche mit dem besten Wetter der letzten Zeit erwischt. Es hatte auch in Südtirol vorher kein "Heuwetter" gegeben.
Wir schließen unsere Tour ab und da wir unsere Autos wieder erreicht haben können wir nach der Dusche unsere stinkenden Klamotten gegen frische Wäsche tauschen. Abends gibt es einen hervorragenden Ziegenbraten. Klaus Mombach, der zu Hause bleiben musste, meldet sich telefonisch und lässt uns eine Runde Schnaps zukommen.
Wir sind uns einig, dass die Tour zwar als Notlösung begonnen wurde, abschließend aber zu den interessantesten und gelungensten Wanderungen gezählt werden kann, die wir bisher unternommen haben.