Datum: 30. 06 2025
Autor: Jo Wildenberg und Ruth Jenniches
Der geplante Urlaub in der Hermann von Barth Hütte im Herbst 2024 klappte wegen einem frühen Wintereinbruch leider nicht - daher planten wir erneut unseren Bergurlaub für das Frühjahr 2025. Und dieser Kletterurlaub war in der Tat „De Luxe“: Wir sind immer alleine geklettert - keine andere Seilschaft war in Sicht. Spätestens zum Nachmittagskuchen war wir immer zurück und konnten dabei auf die beeindruckenden Lechtaler Alpen von der Parseierspitze bis zur Valluga blicken. Wir hatten super Wetter (um diese Zeit ansonsten selten Schneefrei), beste Kletterbedingungen, eine tolle urige Unterkunft, einen gut gelaunten Hüttenwirt Harald und eine liebe Hüttenwirtin Marion. Das Essen war sehr lecker und mit den wenigen Gästen haben wir tolle Gespräche geführt.
Einen Abend haben wir Schach gespielt. In der Mitte des Spiels fragte Christian, der neben uns saß, ob er mit Ruth gemeinsam gegen mich spielen dürfe. Dies war für uns kein Problem - aber nach ein paar Zügen dachte ich: Was geht denn hier ab? Nur mit Mühe einigte ich mich mit Ruth auf ein Remis, worauf uns der Christian erzählte, dass er früher Jugendschachmeister von Bayern war (Lektion gelernt ;-).
Am Tag der Anreise starteten wir bereits um 5 Uhr mit dem Auto in Richtung Lechtal und erreichten bereits um 12 Uhr den kostenpflichtigen Parkplatz „Geierwally“ in Elbigenalp (Wochenticket 15 €). Den 1000 hm Aufstieg kürzten wir ab und nahmen für die ersten 300 hm ein Shuttle Taxi. Unser Gepäck luden wir in die Materialseilbahn und erreichten dann nach ca. 2h Aufstieg die Hermann von Barth Hütte. Sie bietet insgesamt 70 Schlafplätze, es gibt keine Duschen (die wir eigentlich auch nicht vermisst haben), kein warmes Wasser, keine WLAN und der Handyempfang ist nur außerhalb der Hütte bei schlechter Verbindung möglich.
Harald fragte uns gleich bei der Ankunft, welchen Grad wir klettern und was wir so vorhaben - dies empfanden wir als sehr fürsorglich. Auch versorgte er uns jeden Tag mit aktuellen Wetterinfos und beriet uns bei unseren geplanten Touren.
Für den Einstieg hatten wir mit dem Bartgeiersteig (III-) geliebäugelt. Dieser wurde aber mittlerweile abgebaut. Also starteten wir mit Mina (8 SL aka Seillängen III+) auf die Wolfebener Schulter. Der 1 km lange Zustieg war schnell bewältigt und in der schönen Tour gab es gut zu findende Standplätze. Der Abstieg von der Schulter ist vergleichbar mit dem Abstieg T5 vom Gimpel - aber viel kürzer und nicht so ausgesetzt. Weiter unten nutzte ich gerne eine Schuttabfahrt.
Am 2. Tag kletterten wir eine Kombi aus der Geierwally (1 SL IV) in der Plattenwand und der Himmelsleiter (4 SL III) über der Plattenwand. Der Einstieg zur Geierwally war sehr eng. Daher hatten wir schon auf der Hütte Gurt, Helm usw. angelegt und brauchten dann am Einstieg nur noch die Schuhe zu wechseln. Die Himmelsleiter auf den Plattenwandgipfel führte herrlich entlang der Kante der Süd-Ost-Wand mit schönem Tiefblick auf die Hütte. Die Tour hatte mehrere Besonderheiten bzw. Herausforderungen: Die 4. SL führte durch ein Labyrinth von kleinen Gipfeln entlang zu einem Abseilpunkt. Nach 10 m Abseilen ging es gegenüber durch einen ca. 15 m langen Kamin zum Hauptgipfel. Oben angekommen bot sich uns ein toller Blick in die umliegenden Berge - u.a. den Hochvogel. Da der Hauptdolomit der Wolfebener fast senkrecht aufgerichtet ist, gab es im Kamin nur abdrängende Griffe und Tritte. Daher legten wir für den Abstieg ein Seil und sicherten uns per Prusik. Die eigentliche Herausforderung war aber der 85 hm lange Abstieg auf die Wolfebener Schulter: Ein T6 mit Kletterstellen III-. In der Mitte des Abstiegs gibt es eine 45 lange, mit mehreren Haken versehene und für den Kopf sehr anspruchsvolle Strecke. Ein evtl. Ausrutscher würde einen unweigerlichen Absturz bedeuten. Daher sicherten wir die Stelle per Seil: Ruth, die ich per Halbmastwurf sicherte, ging voraus. Unterwegs legt Ruth das Seil mittels Exen in die Haken. Am Ende der Strecke sicherte Ruth mich ihrerseits und ich sammelte die Exen wieder ein. Ein anschließender kurzer Kamin forderte noch einmal unsere volle Konzentration und wir erreichten erleichtert die Wolfebener Schulter. Wir hatten uns vorgenommen, wenigstens einmal den Hauptgipfel und den Normalweg zu gehen - ein 2. Mal wollten wir uns dies bei dieser Tour aber nicht mehr antun.
Am 3. Klettertag wollten wir eigentlich die 4 SL kurze Baderführe (V+) in der Plattenwand gehen. Aber auf Grund des stabilen Wetters empfahl uns Harald den 10 SL langen Bluatschink (V-). Die Route gehört zu den meist begangenen Routen und entpuppte sich als wunderbar. Der Bluatschink hat gute Standplätze mit jeweils max. 5 Klebehaken dazwischen. Eine Besonderheit ist der Ausstieg: Während die Mina direkt auf der Schulter endet, mussten wir vom Ausstieg des Bluatschinks am und über den Grat bis zur Schulter gehen. Hier sicherten wir uns auch wieder gegenseitig und erreichten entspannt die Schulter.
Da Mittags Gewitter und Regen angekündigt waren, stand dann am 4. Klettertag die nur 4 SL kurze Baderführe (V+) auf dem Plan. Da wir bereits um 6:30 Uhr starten wollten, bereiteten wir unser Kletterzeug am Vorabend komplett vor und schmierten uns auch schon Brote. Der Weg zum Einstieg war ausgesetzt und kurz vor dem Einstieg gab es eine ziemlich glatte Stelle. Der Einstieg selber war mit V+ dann die größte Herausforderung. Danach folgten IV-er und auch wieder V-er Stellen. Eine herrliche Kletterei durch die beeindruckende Plattenwand mit guten Griffen und ohne Geröll. Es ging wie in einem Klettergarten zügig bis zum Ausstieg. In dieser Tour gab es mitten drin ein Wandbuch, wo Ruth uns verewigte. Oben angekommen hörten wir von der Hütte einen Jodler. Es war Harald, der uns beobachte und unseren Erfolg mit einem Jodler quittierte. Btw: Harald gibt auch Jodelkurse. Für den Abstieg hatte uns Harald empfohlen über die tiefer liegende Route Schwabentanz abzuseilen. Den Abstieg in der 3. SL der Himmelsleiter gingen wir konzentriert bis zum Ausstieg des Schwabentanzes. Der Abseilpunkt lag aber etwas unterhalb der Kante und wir mussten uns abgesichert das Maillon Rapide mit Blick in die Tiefe fischen, das Seil einlegen und uns fürs Abseilen vorbereiten. Das anschließende 2-malige, insgesamt fast 100 hm lange Abseilen machte Spaß.
Am Ende des Urlaubs war unser Hüttenzettel mit den genommenen Getränken und Speisen (aka „Kreditkarte“) fast voll - Harald „drohte“ immer mit der Rückseite, die noch frei wäre.
Nach dem Regen am Vortag war der Abstieg von der Hütte auf teilweise rutschigem Felsen nicht einfach - war aber dennoch in 1,5 h erledigt. Nach dem Shuttle fuhren wir mit vielen schönen Eindrücken und Erinnerungen nach Hause.