Donnerstag 02.07.09
Es hat uns im letzten Jahr gut gefallen, nachts zu fahren. Also fahren wir gegen Mitternacht ab und wir sind tatsächlich um 8.30h in Ums - einem winzigen Ort - am Fuße der Seiser Alm. Hier lassen wir unsere Autos stehen und wir gehen die 350 Höhenmeter zum Hofer Alpl (1365m), unsere Unterkunft für den ersten und den letzten Tag. Das Frühstück ist sehr gut, hat allerdings auch seinen Preis. Das soll allerdings auch die einzige Kritik sein, denn ansonsten waren wir auf dem Hofer Alpl sehr gut aufgehoben. Wir beziehen ein schönes Lager und wollen uns wie im letzten Jahr nach der anstrengenden Fahrt einlaufen.
Wir gehen über den Tschafon zur Völseggspitze 1834m, einem herrlichen Aussichtspunkt über weite Teile des Eisacktales bis nach Bozen. Auf der gegenüberliegenden Talseite blickt man, wie übrigens vom Hofer Alpl auch, auf den Ritten. Da ein Gewitter aufzieht, können wir nicht so lange an diesem exponierten Punkt bleiben und wir gehen zurück zur Tschafonhütte, um uns zu erfrischen. Das Gewitter zieht glücklicherweise an uns vorbei und wir bekommen nur ein paar Tropfen ab. Als wir zurück am Hofer Alpl sind, sagt mir mein Höhenmesser, dass wir zum "Einlaufen" immerhin an diesem Tag insgesamt etwas mehr als 970 hm gemacht haben. Dies ist nach einer Nacht mit wenig oder fast gar keinem Schlaf dann doch zu viel. Als wir nach dem Abendessen noch ein wenig zusammen sitzen, fehlt uns Klaus M. irgendwann. Er ist nicht bei den ersten Schnarchnasen im Lager und draußen ist er auch nicht. Als ich zur Toilette muss, löst sich das Problem. Man kann auch im Sitzen schlafen, und wer unseren Klaus kennt, der weiß, dass er tief und fest schläft. Wir haben Angst die Türe zu zerdonnern bis wir es doch schaffen, ihn zu wecken.
Freitag 03.07.09
Uns steht ein langer und anstrengender Tag bevor. Wir wollen über die Schlernhäuser zum Tierser Alpl wandern. Zunächst gehen wir durch die Teufelsschlucht über den "Prügelweg" Richtung Sessel Schwaige, einer Alm in 1940m Höhe. Das Wort Prügel hat hier allerdings die Bedeutung von Knüppel/Balken, wie man auch auf dem Bild erkennen kann.
Über diesen Weg wird übrigens das gesamte Vieh der Gemeinde Völs am Schlern auf den Schlern und die Seiser Alm aufgetrieben. Dann werden wir hier auch acht Eifelbauern hinauf treiben können. Wir finden ein Hufeisen - ein Glücksbringer? – nehmen es mit, und da uns ein Reiter mit Pferd und zwei Kindern begegnet war, fragen wir bei der ersten Pause auf der Sessel Schwaige die Wirtin, ob sie das Hufeisen dem Reiter zuordnen kann. Sie sagt uns, dass ihr Mann mit den Kindern ins Tal gegangen ist, um ihre Mutter auf dem Pferd zur Alm zu bringen und das Hufeisen wahrscheinlich verloren hat. Ehe wir ausgetrunken haben, taucht er tatsächlich mit seiner Schwiegermutter und den Kindern wieder auf. Er muss runter und wieder rauf gerannt sein, bringt das Pferd auf die nahe Weide und bedankt sich bei uns mit einem ganz besonderen Schnaps.
Wir ziehen weiter zu den Schlernhäusern und der Weg zieht sich auch. Wir legen unsere durchschwitzten Hemden und Kappen auf einen Zaun neben dem Haus und stärken uns mit einem Mittagessen. Als wir wieder weiter gehen wollen, sind wir überrascht, dass unsere Sachen fast komplett auf dem Boden liegen. Zunächst denke ich, dass mein teures Funktionsunterhemd in einen Kuhfladen gefallen ist, doch es stellt sich heraus, dass das das Grün auf meinem Hemd frisches Grün ist, denn eines der Rinder hat mein saftiges, vom Schweiß gesalzenes Hemd durchgekaut und sich damit die Zähne geputzt. Das Tier ist aber sehr gefühlvoll vorgegangen und ich kann nur ein paar kleinere Löcher erkennen. Winfrieds Kappe ist es nicht besser gegangen, allerdings verbindet sich - als wir weiter gehen - sein frischer Schweiß mit dem alten Speichel des Rindes zu einem etwas unappetitlichen "Sabber", so dass er seine Kappe doch noch einmal gründlich reinigen muss.
Auf unserem Weg von den Schlernhäusern zum Tierser Alpl wandern wir durch ein Blumenmeer. Ich habe noch nie in meinem Leben eine solche Masse an "Schusternägeln" gesehen. Wir beschließen, da das Wetter nicht mehr sicher ist, den kürzesten Weg zu nehmen und den Maximiliansteig auszulassen. Wir haben aber auch so bei knapp sieben Stunden Gehzeit ca. 1370 Höhenmeter hinter uns.
Samstag 04.07.09
Heute ist Klettersteigtag und außerdem hat Walter Geburtstag, er wird 62. Wir wollen ohne das schwere Gepäck über den Laurenzi-Klettersteig zur Antermoia-Hütte und dann über den Grasleitenpass und den Molignonpass zurück zum Tierser Alpl. Bis zum Einstieg des Laurenzi-Steiges ist es ca. eine halbe Stunde Gehzeit. Nach dem Anlegen der Gurte geht es gleich steil aufwärts.
Danach klettern wir eine lange Zeit am Grat entlang. Unterbrochen wird der Klettersteig immer wieder von Gehpassagen am Grat mit toller Aussicht Richtung Seiser Alm, Lankofel und Plattkofel, ins Fassatal oder Richtung Kesselkogel, in der Ferne grüßt die Marmolada. Teilweise liegt auf dieser Höhe (ca. 2800m) noch Schnee. Irgendwann geht es fast senkrecht ca. 30m bergab in einem Kamin und ich muss zugeben, dass ich froh bin, dass das Seil straff gespannt ist, so wie übrigens der gesamte Klettersteig in einem hervorragenden Zustand ist.
Da dies laut Literatur noch nicht die "Schlüsselstelle" ist, bin ich schon ein wenig gespannt, wie dieser Tag ausgehen wird. Da ich Niemanden verunsichern möchte, sage ich nichts, und nachher stellt sich heraus, dass die gesamte Gruppe der noch bevorstehenden "schwierigsten" Stelle höchsten denselben Schwierigkeitsgrad zumisst. Also kommen wir alle ohne Probleme durch diesen doch anspruchsvollen Klettersteig. Am Ausstieg läuft ein Kletterer zu uns auf, der beschließt den gleichen Weg flott wieder zurück zu laufen. Wir gehen jedoch, nachdem wir ein Schotterfeld hinunter gerutscht sind, ca. 20 Minuten zur nahe liegenden Antermoiahütte, um etwas zu essen und zu trinken. Anschließend geht es weiter über den Antermoiapass zum Grasleitenpass und zur gleichnamigen Hütte. Da es zu tröpfeln beginnt kommt uns die Hütte gerade recht und nach einer halbstündigen Pause ist das Wetter wieder besser, und wir ziehen weiter. Vom Pass hinunter kann man über Schneefelder rutschen, so dass wir zügig vorankommen. Wir steigen zum Molignonpass auf und passieren die Einstiegsstelle zum Klettersteig vom Vormittag. Der Vorschlag noch eine Runde zu drehen ist doch nicht so ernst gemeint, denn wir freuen uns jetzt auf ein Bier zu Walters Geburtstag. Wir treffen auf eine andere Gruppe, die ebenfalls auf dem Tierser Alpl übernachten will. Später erfahren wir, dass es in diesem Fall doch gut war, vorzubuchen, denn die Ärmsten mussten noch, obwohl man den ganzen Tag unterwegs und ziemlich geschafft war, zweieinhalb Stunden bis zur Plattkofelhütte weiter gehen.
Die Hütte ist bis auf den letzten Platz belegt, da erstens Wochenende ist, und zweitens ein Harfenkonzert - Sie lesen richtig - auf der nahe liegenden Scharte stattfinden sollte. Das Konzert wurde wegen aufziehendem Regen in die Hütte verlegt, Walter wurde von der Hüttenwirtin mit einer ortsüblichen Schürze beschenkt. Er sieht jetzt aus wie ein Einheimischer. Ob der noch einmal ausreisen darf?
Sonntag 05.07.09
Der nächtliche Regen hatte sich verzogen, kein Wölkchen am Himmel. Wir beschließen vormittags den am 2.Tag ausgelassenen Maximiliansteig zu gehen. Wir lassen das Gepäck nochmals auf der Hütte zurück und steigen direkt neben der Hütte in den Klettersteig ein. Dieser Klettersteig ist in der Literatur als einfach beschrieben, doch hat er – wie wir alle finden – seine Tücken. Er ist längst nicht so gepflegt, wie der Laurenzisteig, das Seil ist teilweise lose und die Verankerungen sind bis zu sieben, acht Meter auch an exponierter Stelle auseinander. Obschon man in Klettersteigen immer konzentriert sein muss, sollte man hier besonders auf der Hut sein. Außerdem gibt es am Grat des Maximiliansteiges einige Passagen ohne Seil, wo wir uns sehr eines gewünscht hätten. Es entschädigt eine tolle Aussicht in alle Himmelsrichtungen.
Gegen elf Uhr sind wir wieder am Tierser Alpl und nehmen das Gepäck auf, um durch das Bärenloch über die Grasleitenhütte und die Grasleitenpasshütte zur Vajoletthütte zu gehen. Wir haben noch zweimal Glück mit dem Wetter, denn sowohl an der Grasleitenhütte wie an der Grasleitenpasshütte können wir gerade aufziehende Schauer durch ohnehin geplante Pausen überbrücken. Auf der Grasleitenpasshütte gibt es Grappa aus Senfgläsern, der Wirt ist ein Lebenskünstler. Wir erreichen im späten Nachmittag die Vajoletthütte.
Montag 06.07.09
Ursprünglich wollten wir früh raus, schnell in zwei Stunden zur Rosengartenhütte gehen, das Gepäck abstellen und den Mazaré - und den Rotwandklettersteig machen. Doch es ist vorbei mit unserem Wetterglück. Es ist grau, wolkenverhangen und es regnet ein wenig. Wir gehen dennoch zur Rotwandhütte, deponieren unsere Sachen im Trockenraum und schlagen die Zeit bis zum Mittagessen tot. Dann hört es erstaunlicherweise auf zu regnen, obwohl Dauerregen angesagt war. Wir sind uns einig, dass es keinen Sinn macht, in die Klettersteige einzusteigen, da man oben nichts sieht. Also wandern wir nachmittags auf dem Fassaner Höhenweg zur etwas tiefer gelegenen Ciampediehütte und später auf einem nicht bezeichneten anderen Höhenweg zurück zur Rosengartenhütte. Bruno - unser Hüttenwirt - entschuldigt sich abends. Er möchte noch ins Tal absteigen, da er zwei Tage vorher Vater eines strammen Jungen geworden ist.
Dienstag 07.07.09
Bruno ist morgens nach dem Frühstück schon wieder auf der Hütte und verabschiedet sich von uns. Er schenkt uns eine kleine Flasche Schnaps, die anlässlich seiner Hochzeit abgefüllt wurde, wir erhalten eine DVD über das Rosengartengebiet und er gibt uns ein Buch, das die Entstehung und Entwicklung der Rosengartenhütte beschreibt. Er ist anlässlich der Geburt seines Sohnes in absoluter Spenderlaune.
Wir wollen eine Almwanderung hinab ins Tal machen – so weit die Füße tragen und so weit die Witterung mitspielt. Zunächst ist es trocken, wir passieren das Christodamusdenkmal, das dem Erschließer des Rosengartengebietes gewidmet ist und wandern über den Hirzlweg Richtung Hanicker Schwaige, eine der schönsten Almen, die ich je gesehen habe. Leider beginnt es nach ca. zwei Stunden zu tröpfeln und gerade als wir die Hanicker Schwaige erreicht haben, setzt Dauerregen ein. Wir machen eine ausgiebige Rast, die ins Mittagessen übergeht und beschließen bei dem Wetter mit dem Taxi zurück zum Hofer Alpl zu fahren. Allerdings gibt es auf der Alm kein Telefon und auch keinen Handy-Empfang. Die Wirtin weiß allerdings, dass man in der letzten Ecke des Areals, oben am Zaun, Empfang hat und so begebe ich mich in den Regen zum Telefonieren.
Irgendwann habe ich eine Verbindung und kann einen Treffpunkt an der Fahrstraße vereinbaren zu der wir allerdings noch eine Stunde durch den strömenden Regen wandern dürfen. Winfried hat unterwegs und am Ziel zur Vorbeugung vor Krankheit noch unsere Eifelmedizin "Monschauer Els" bereit, der bei dieser Witterung mehr als passend ist.
Das Taxi kommt pünktlich und bringt uns zurück zum Hofer Alpl. Das Wetter wird besser und wir können wieder auf der Terasse sitzen und unsere Tour ausklingen lassen. Es soll auch dieses Mal nicht allzu spät werden, es war zwar sehr schön aber auch sehr anstrengend. Uns fallen zeitig nach dem Abendessen die Augen zu.