Datum: 04. 05 2017
Autor: Armin Zalfen
Der Brassel mit den Problemen fing schon bei der Planung mit der Frage nach den isotonischen und lebensrettenden Getränken an. Nun ja, beim Alkoholfreien wurden wir uns noch einig, aber was der eine als Bier bezeichnet – bekannt als die etwas herbere Sorte aus der Eifel - ging beim anderen nur als Gurkenwasser durch. Trotz Zustimmung einiger, auf Weizenbier auszuweichen, wurde dann aber doch Kölsch vom Tourenleiter „befohlen“.
Das nächste Problem stellte sich dann am 8. März beim Import in die Schweiz. Ursprünglich war eine Anreise mit drei Autos und eine Aufteilung der geistigen Getränke auf zollgerechte Mengen je Auto und Mitfahrer geplant. Leider fielen Bernd und Sonja aus, weil der arme Bernd am Mittwoch noch arbeiten musste, was wiederum weitere Anreiseprobleme bei den beiden nach sich zog. Andererseits wurde der korrekte Anreiseweg bei Armin und Helmut erst dadurch sichergestellt. Armin stieg kurz vor der Grenze im Austausch mit zwei Flaschen Wein also von Helmuts Auto zu Christoph um, damit die Kiste Kölsch zwei Personen zugerechnet werden konnte.
Der Anreiseweg und -verlauf wurde bei Christoph im Auto besprochen. Er wollte in Chur kurz zum Bahnhof abfahren, um die aus Leipzig anreisende Alexandra abzuholen, während Helmut und Armin nach erneutem Auto-Umsteigeschwung weiter fahren sollten, um Touren-Ski und -Schuhe in St. Moritz leihen zu können (was übrigens auch erst im dritten Anlauf bei einem Verleih in Pontresina gelang). Glücklicherweise erwähnte Christoph gegenüber Armin, dass die Autobahn bis nach Thusis zu befahren sei. Helmuts Navi hätte uns glatt über Klosters und die Vereina Bahnverladung oder den gesperrten Albulapass geleitet. Genau dies wurde dann leider Bernd und Sonja in der Nacht zum Verhängnis, die anstatt gegen Mitternacht erst gegen 4 Uhr morgens nach einem mordsmäßigen Umweg eintrafen.
Am nächsten Morgen ging es für die zwei also noch leicht unausgeschlafen mit uns erst mal auf die Piste am Corvatsch, damit Christoph unser Fahrkönnen einem prüfenden Blick unterziehen und auch erste Lerneinheiten Fahrtechnik für schweres und steiles Gelände erteilen konnte. Auch die Umgewöhnung von reinen Pistenski mit zackigem Einlenkverhalten auf Freeride- bzw. Tourenski bedurfte ob des etwas schwammigen Fahrverhaltens hier und da noch der Feinabstimmung. Die Kontaktaufnahme mit dem fremden Schnee ging folglich auch mal ungewollt plötzlich vonstatten. Auf der letzten Abfahrt an diesem Tag, der langen Hahnensee-Abfahrt, wurde bereits die erste Lerneinheit bezüglich Lawinenkunde durchgeführt und der Schneekontakt weiter intensiviert. Bei bereits vorhandenem Durst auf die lebensrettenden isotonischen Getränke erzählte uns Christoph dann auch noch was von Becherkristallen. Diese Becherkristalle sind gerne für Lawinen verantwortlich, bieten aber als Gegenleistung leider keinen Platz für einen „wärmenden“ Schnaps aus dem für die Lawinenrettung verherrlichten Fässchen eines Bernhardiners. Stattdessen mussten wir uns beim Graben eines Schneelochs aufwärmen. Es galt, ein Schneeprofil zu erstellen und eine Schneesäule auszugraben, an der ein Test zur Stabilität der Verbindung zwischen den Schneeschichten stattfinden sollte. Die Becherkristalle – eine Schwachschicht in der Konsistenz etwas fester als trockener Sand – und das Abrutschen der Säule nach ein paar Schlägen mit der Hand auf die oben aufgelegte Schaufel zeigte: Wir hatten es mit einem so genannten Altschnee-Problem in gut 80 bis 100 cm Tiefe zu tun. Hänge über 30° Neigung waren für die nächsten Tage zu meiden, zumal die Lawinenwarnstufe „erheblich“ dummerweise für alle Expositionen – also alle Himmelsrichtungen der Hangneigungen – galt. Dies ist dem so genannten Lawinenbulletin der Schweiz zu entnehmen. Zusätzlich gibt es für die Tourenvorbereitung spezielle topographische Karten, in denen Hänge über 30° Neigung besonders eingefärbt sind. Außerdem sind noch viele andere Regeln zum Einschätzen der Lawinengefahr und dem korrekten Verhalten zu beachten, die man sich nach einem solch kurzen Kurs gar nicht alle merken, geschweige denn sicher anwenden kann.
Wir hatten also nur einen kurzen Einblick in die Lawinenkunde genossen. Aber selbst der reichte aus, um uns am nächsten Tag über Tourengeher zu wundern, die am Julierpass unterhalb eines Hanges mit mehr als 30° Neigung gingen, offensichtlich ohne Gedanken daran zu verschwenden, dass man durch eine Lawine ins nahe gelegen Bachbett gerissen und mit zwei Meter Schnee überdeckt werden könnte. Am Nachmittag war die Aufstiegsspur tatsächlich von einem Schneebrett überdeckt worden. Ursprünglich war dieses Seitental auch Christophs Vorschlag für eine Tour, aber da machten wir uns keine zusätzlichen Probleme und wichen sicherheitshalber auf eine Tour nahe Bivio aus. Wir gingen an unserem zweiten Tag nunmehr in Richtung Septimerpass und Piz Lunghin bzw. Piz dal Sasc. Mit den Fellen unter den Ski ging‘s bergan und das nächste Problem ließ auch nicht lange auf sich warten: Trotz genauen Befolgens von Christophs Anweisung, die Ski sofort nach dem Aufkleben der Felle in den Schnee zu legen, damit sich diese nicht in der Sonne erwärmen, stollte der Schnee unter Armins Ski. Das heißt, er blieb unter den Ski wie Honig kleben, was den Aufstieg nicht gerade leichter macht. Nachdem wir etwa 5 bis 6 Kilometer Strecke und 700 Höhenmeter zurückgelegt hatten, wurde einerseits wegen mangelnder Aufstiegskondition und andererseits wegen der Gedanken einiger an die nötige Kraft für die Abfahrt der Aufstieg nicht weiter fortgesetzt. Eine schöne Aussicht von der Passhöhe gen Süden blieb uns so leider verwehrt.
Die Abfahrt war zu großen Teilen durch den vom Wind angepressten Schnee anstrengend. Aber auf einzelnen kurzen Abschnitten mit loser Schneeauflage kam beim ein oder anderen doch der richtige Freeride-Flow auf und die Ski flitzten fast wie von selbst von einem Parallelschwung zum anderen. Für die Schwungauslösung reichte der Gegendruck des Schnees und das Aufschwimmen der Ski am Ende des vorherigen Schwungs. Und so gelangen hier und da ein paar schöne Zöpferl-Muster im Hang.
Am dritten Tag wurden dann wieder die mechanischen maschinellen Aufstiegshilfen in Form von altmodischen, aber teils sehr willkommenen Ankerliften bei Bivio genutzt. Nach kurzem Aufwärmen auf der Piste war erneut Freeriden angesagt und wir fuhren fleißig neben der Piste, um die Fahrtechnik in weitgehend unverspurtem Gelände zu verbessern. Dies alles natürlich immer im Gelände unter 30° Neigung und nicht ohne die LVS-Geräte. Nachdem am Vortag noch alle Richtungswechsel im Aufstieg mit großen Kurvenradien bewältigt wurden, sollte heute die Spitzkehre in steilen Hängen geübt werden. Spannende Frage: Wie bekommt man einen Ski, der aufgrund mangelnder Fersenfixierung nur lose vorne am Skischuh hängt, um etwa 180° gedreht. Die Skispitze zieht es beim Anheben des Skis magisch Richtung Schneedecke, um sich darin einzugraben und jeglichen Wendeversuch zu vereiteln. Ohne entsprechende Übung und immer mit der Angst im Nacken, rücklinks den steilen Hang herunter zu purzeln, führte diese Lehrstunde zu einem netten Tänzchen im Schnee, wo abwechselnd mal das linke und mal das rechte Bein nach hinten zu strecken und anschließend in die neue Richtung zu verrenken war.
Den vierten und damit letzten Tag fuhren wir an Lagalb und Diavolezza mit grandiosem Blick auf den Piz Palü, den Piz Bernina und seinen Biancograt. Die Abfahrt über den Morteratsch-Gletscher blieb uns wegen Schneemangel verwehrt. Es blieb daher bei gelegentlichem Verlassen der Piste.
Alles in allem war dies ein gut geleiteter Einführungskurs mit interessanten Einblicken in die Lawinenkunde, genügend Möglichkeiten zum Fahren und Üben abseits der Piste und für den Geschmack des Autors dieses Berichtes nicht zu viel Aufstieg ohne maschinelle Hilfen. Herzlichen Dank an Christoph für die Organisation, die Geduld mit den Teilnehmern und den gemeinsamen Spaß.