oder: Funktionstest einer neuen Tourenhose
Hochtour im Ortlergebiet
Endlich! Es ist soweit… 05.30 Uhr Abfahrt gen Süden, anvisiert ist das Ortlergebiet!
Stefan und Claudi holen mich ab, ich bekomme sofort den Ersatzschlüssel von Stefan´s schniekem Touran überreicht… man weiß ja nicht, wer von uns überlebt!
Die Hinfahrt gestaltet sich als ungemein unterhaltsam, wir kennen uns bis dato nicht und sind noch vor der Autobahnauffahrt Wisskirchen in guter Stimmung;
schnell stellen wir drei fest, dass wir den durchschnittlichen „Normalo“ weit verfehlen:
ohne Handy und Navi, normales Kartenwerk eben.
Am Stilfser Joch wird Stefan von Claudi und mir bei erheblichem Betrieb in den Kehren zum Held gekrönt: frei???? Jaaaa! Freiiiiiiiiii??? Sieht so aus…!!!!!!!
- und Deutschland gewinnt in der EM derweil gegen England 4:1!
In St. Caterina/Bormio angekommen nehmen wir den 45 minütigen Aufstieg zur Branca Hütte in Angriff, wo wir auf den gut gelaunten Tourenleiter Martin nach bestandener Aufnahmeprüfung zum staatl. anerkannten Bergführer stoßen.
Meine neue Haglöfs Tourenhose, Modell Alpin mit allem Zipp und Zapp kommt zum ersten Mal in Einsatz, es ist ganz schön warm, ich probiere sämtliche Reißverschlüsse…
Am Abend prüfen wir unser Material für die kommenden Tage und besprechen den Ablauf der Tour.
28.Juni:
Nach gutem Frühstück für italienische Gewohnheiten, Akklimation und Ausbildung auf dem „Hausgletscher“ (Forni) geht es in 4er Seilschaft Richtung Steileis, unter Einsatz von Pickel und ordentlich Frontzacken, hoch runter, kreuz, quer, Marsch über den Gletscher, ich darf spuren.
Außerdem wird noch einmal fleißig Spaltenbergung geübt, für alle Fälle..
Nach einem guten Kaffee und leckerem Essen sehen wir dem neuen Tag entgegen.
Palòn de la Mare steht auf dem Programm, 3.700 Meter, um 07.30 Uhr geht´s los.
Leider müssen wir Claudi zurücklassen, die sich am Vortag mit verstauchtem Fuß nach zuviel Spaltenbergung in der Kommunikation mit vielen Italienern an der Hütte üben wird, ein Tag Hüttenwellness eben.
In der 3er Seilschaft erreichen wir nach 4 Stunden Aufstieg in der Mittagszeit den Gipfel mit perfektem Alpenpanorama bei strahlend blauem Himmel.
Mit Martin´s Worten: „ Sabine, du schwitzt zu wenig“ (Dank meiner neuen Funktionshose mit allem zipp und zapp) darf ich noch mal spuren und Martin lässt mich als Etappensieger als erste auf den Gipfel – ich strahle mit der Sonne um die Wette!
Der heutige Spruch auf meinem Yogi-Teebeutel lautet: „Übe Dich im Vergeben.“ – den gebe ich dann direkt an den Tourenleiter weiter – Martin hat Wut im Bauch über Leute, die ohne Seil und Sicherung über den Gletscher und die hungrige Spalten tappern.
Der Nachmittag jedenfalls bringt wieder einen herrlichen Hüttenkaffee bei italienischer Musik und mit gut gelaunten Hüttenwirten. Claudi hat sich nicht unterkriegen lassen, ihre freundliche und kommunikative Art hat ihr viel Anschluss gebracht.
Das Abendessen, wieder 4 gängig und mehr als reichlich und sehr delikat, bringt den perfekten Tagesabschluss… ich setze Claudi noch eine Thrombosespritze bevor ich mir ein Glas Rotwein gönne.
30.Juni:
Punta S.Matteo steht auf dem Programm, ein 3.600 er, leicht, jedoch bei ordentlich Schnee.
Um 05.30 Uhr geht es los, Materialcheck: Gurt, Eisschrauben, jeder 3 Schrauber, 2 Schnapper, Reepschnüre, Bandschlingen, Pickel, Sonnencreme satt – auf geht´s.
Am Morgen lässt sich die Schneedecke noch gut begehen, die Disziplin des straffen Seils in der 3er Seilschaft ist nicht meine Stärke.
Wir stapfen „Treppen“ an der Eiswand, was für ein Schneegewühle!
Zieleinlauf nach 4,5 Stunden, die anfänglichen Schönwetterwolken sehen um halb elf nicht mehr ganz so schön aus.
Wir einigen uns auf eine kurze Gipfelrast und schauen, dass wir runter kommen, mit meiner vielfältigen Funktionshose fürchte ich keinerlei Unheil, die lässt sich im Zweifel zum Zelt umbauen...
Unterwegs immer wieder Kriegsüberbleibsel, Bombenhülsen – das sehen die Italiener in der Bergung ganz gelassen, wird irgendwann mal eingesammelt.
Am Abend trainiert Martin mit uns noch einmal Sicherungstechniken: Standplatzbau, Knoten, Seilkommandos, Materialkunde, wir sind ja nicht zum Spaß hier!
01.Juli:
Claudi fährt früh am Morgen mit dem Taxibus in´s Tal, wo Sie den Heimtransport antritt.
Stefan, Martin und ich üben klettern in St. Caterina, 5a UIAA eben im Vorstieg, hin und her an den Umlenkungen, wir erleben den gut gelaunten Tourenleiter nach einer sauber vorgestiegenen 8+.
Leider macht am Nachmittag eine Gewitterschauer dem Happening ein schnelles Ende, wir steigen zurück auf die Hütte, wo wir in den abendlichen Sonnenstrahlen einfach in den Liegestühlen einschlafen.
Das nenne ich Urlaub!
02.Juli:
- Ortswechsel.
Um 05.30 Uhr steigen wir ab. Stefan sammelt noch Thymian für den Garten daheim.
Wir fahren Bormio an, ein schnuckeliges Städtchen mit italienischem Flair und erleben das Stilfser Joch noch einmal, diesmal in genialer Morgenstimmung und Kamikaze-Murmeltieren – die kleinen, muppeligen Gesellen liegen faul auf der Straße und lassen sich die ersten Sonnenstrahlen auf den Pelz brennen.
Über Imst reisen wir Richtung Lechtaler Alpen, ein weicher Kontrast zum bisher erlebten. Entsprechend frisch erworbenen Kletterführer fahren wir hoch zur Mutterkopf Hütte – ein stark überfüllter Kulturschock nach den ruhigen Tagen auf der Branca Hütte.
In 5 Seillängen am Mittag und Nachmittag üben wir uns fleißig am Fels.
Wir bekommen noch einen Lagerplatz, die Bude ist rappel voll.
Der Lagerplatz ist die letzte Ecke im Seminarraum des Hauses, nach Bier und Grappa auf Kosten des Hauses – eben für die letzte Ecke – eine echte Herausforderung, noch in die Hochbetten zu gelangen.
03.Juli:
07.30 Uhr. Die Sonne strahlt – perfekt! Nach einer Stunde Zustieg erreichen wir den Südriß mit Gipfelplatte des Engelkartom, 7 Seillängen.
Ein enorm fest sitzender Friend an der Schlüsselstelle 5+ verlangt mir Nervenstärke ab.
„Ich falle!“ – „nein, du fällst nicht, du bist stark“ – zittern, Nähmaschine, irgendwie schaffe ich es dennoch… schnell weiter!
Nach der verdienten ausgiebigen Gipfelrast seilen wir uns ab
- am Abend gewinnt Deutschland gegen Argentinien 4:0;
der überfüllte Seminarraum mit Großleinwand lässt nicht eine winzige Spur Hoffnung, in mein Lager kriechen zu können: da sitzen lauter Fans mit Bier in Hochstimmung.
Jedem Tierchen sein Pläsierchen – ich mache ein Schläfchen auf der Wiese in Hüttennähe.
04.Juli:
Noch leicht bedüdelt von der Abschlussfeier und ohne jeglichen Kaffee steigen wir um 05.00 Uhr Richtung Ostriss, eine 5+-Route.
Nach kurzem Gipfelgenuss sind wir um 09.15 Uhr retour am Einstieg, rennen ungebremst zur Hütte, wo noch die restlichen Klamotten lagern und geraten via Lift ins Tal, wo wir die Heimreise antreten.
Hose gut – alles gut!
Danke Martin, Stefan und Claudi - Schön war´s!