Am zweiten Tag unseres Gletscherkurses standen wir wieder alle früh auf, damit wir rechtzeitig starten und den Föhn ausnutzen konnten. Nach dem gemeinsamen Frühstück in unserer Pension ging es dann erstmal mit dem Auto über die steile und kurvenreiche Mautstrasse bis auf ca. 2700m Höhe zu unserem Ausgangspunkt. Vor uns lag die Weißseespitze, die wir ja schon vom letzten Tag kannten. Doch heute sollte es nicht dabei bleiben sie von unten anzusehen. Wir wollten sie gemeinsam besteigen. Mit dementsprechend starkem Willen und Motivation zogen wir, das waren Rudi als Leiter, sein Sohn Paul, Rafael, Björn, Markus und ich, los und nahmen Kurs auf die Gletscherzunge.
Bevor wir das Eis betraten, legten wir unsere Steigeisen an, um den nötigen Halt zu haben. Zunächst gingen wir ein langes, flaches Eisfeld hinauf, bevor die Neigung dann deutlich spürbar zunahm. Zudem lag auf diesem Stück Firn, was das Gehen nicht unbedingt einfacher machte. Als wir auch dieses Feld überwunden hatten, machten wir eine kleine Verschnaufpause auf einem flachen Firnfeld und zogen uns die Steigeisen wieder aus, da das nächste Wegstück aus einem steilen, felsigen Grat bestand. Es wechselten sich leichte Kletterstellen mit gutem Gehgelände und rutschigem Geröll ab. Immer wieder ging es am Rand des Grats entlang, wo sich fast im Minutentakt Steine lösten und mit großem Gepolter nach unten stürzten. Zudem wehte auf dem exponierten Grat ein starker Wind, so dass man immer wieder das Gefühl hatte, man könnte heruntergeweht werden.
Nachdem wir alle den Grat überwunden hatten und die Anstrengung langsam anfing an unserer Kondition zu nagen, sahen wir vor uns den Gipfelaufstieg. Es waren wohl doch noch einige Höhenmeter zu schaffen, aber der Anblick des Gipfelkreuzes, was gar nicht mehr so weit entfernt schien, gab uns die nötige Motivation, um weiterzugehen. Der “Weg“, der vor uns lag, führte steil an der Westwand der Weißseespitze hinauf und bestand aus einer Spur im Geröll, die man teilweise nur erahnen konnte. Markus, Rafael, Björn und ich waren ein Stück vorausgegangen und warteten vor dem letzten Eisfeld auf Rudi, der mit Paul wenige Minuten nach uns eintraf.
Wir betraten den Gletscher und machten uns gemeinsam auf den Weg zum Gipfel.
Als dieser dann endlich direkt vor uns in Sicht kam, war die Anstrengung des Tages wie vergessen und es ging wie von selbst zum Gipfelkreuz auf 3518m Höhe.
Oben angekommen machten wir ein gemeinsames Gipfelfoto und Rudi trug uns ins Gipfelbuch ein. Man hatte eine herrliche Aussicht auf die Weißkugel und den größten Gletscher Österreichs, die wir alle genießen konnten. Nach einer kleinen Brotzeit und Fotopause machten wir uns schließlich über die gleiche Route wieder an den Abstieg.
Da wir es für sinnvoll hielten, dass jeder beim Abstieg sein eigenes Tempo gehen konnte, und wir zugegebenermaßen teilweise Respekt vor dem Wetter hatten - obwohl Rudi mit der meisten Erfahrung gesagt hatte, es bleibe trocken - gingen Björn, Rafael und ich voraus und waren zügig über die Westwand der Weißseespitze, und den Westgrat wieder an der Gletscherzunge angelangt. Dort legten wir unsere Steigeisen an und machten uns auf den Weg zu unserem Ausgangspunkt vom Morgen. Da wir einige Zeit vor den übrigen Teilnehmern wieder unten waren, setzten wir uns auf die Terrasse der Gletscherrestaurants, tranken etwas Kühles und sahen den anderen beim Abstieg zu. Als alle wieder gut angekommen waren, fuhren Markus, Björn, Rafael und ich mit dem Auto ist Tal. Rudi blieb mit Paul noch etwas oben und wurde wenig später von seiner Frau abgeholt. Am Abend setzten wir uns noch mal alle zusammen und unterhielten uns über die erfolgreiche Besteigung und die gelungene und lehrreiche Tour ins Kaunertal.