Frage: Wie gelangt man innerhalb von zwei Stunden ins Stubaital? Antwort: Wenn man nicht, wie üblich, die Fahrt in der Eifel beginnt, sondern beispielsweise gleich von den Alpen aus startet..
Drei unermüdliche Alpinbergsteiger, Rudi, Günther und Arne, die mit mir schon in der voran gegangenen Woche das Wettersteingebirge unsicher gemacht haben, steigen am Samstag, den 24. August, nach dem Abstieg vom Kreuzeckhaus in Garmisch ins Auto und können schon kurze Zeit später die schneebedeckten Gipfel der Tiroler Bergwelt bewundern.
Wir haben uns Gletscher- und Gipfeltouren in den Höhenbereichen 3000m -3500m zum Ziel gesetzt. Nachdem das Auto hinter der Grawaalm am Straßenrand abgestellt ist, beginnen wir den Aufstieg. 600 Höhenmeter liegen vor uns, die uns zunächst an der Sulzaualm 1860m,und später durch einen Felsenweg zur Sulzenau Hütte auf 2191m führen. Da das Wetter weiterhin gut zu bleiben verspricht, beschließen wir, direkt am nächsten Tag über den Lübecker Weg in die 3000er Region aufzusteigen.
Den Gletscher der Fernerstube erreichen wir auf 2700m. Hier wird zunächst die komplette Gletscherausrüstung angelegt; alle werden am Seil gesichert. Die Seilsicherung erkennen alle spätestens dann als sinnvoll an, nachdem schon ganze Reihen von Spalten übersprungen worden sind. Vielleicht ist ja auch noch die eine oder andere versteckte Spalte dabei?
Denn aus allen bisherigen Lehrgängen bezüglich Spaltenbergung kann ich nur sagen: Am besten ist es auf jeden Fall, den Spaltensturz zu vermeiden! Wir streben aufmerksam dem höchsten Punkt dieses spaltenreichen Gletschers zu; der Übergang auf das italienische Gebiet (Pfaffennieder 3149m) stellt sich in Form einer ca. 100 Meter hohen Felswand dar, die jedoch als Klettersteig ausgebaut ist.
Nach dem Passieren eines respekteinflößenden Bergschrundes im oberen, steilen Gletscherbereich muss dieser relativ kurze Steig erklommen werden. Hierbei lernen die Teilnehmer jedoch den Unterschied kennen zwischen dem Begehen eines Klettersteigs im 2000er Bereich (Kurze Hose, T-Shirt) und dieser Anlage auf über 3000 Metern. Ohne gut isolierende Handschuhe, Mütze unter dem Helm und windabweisender Jacke wäre der Aufstieg doch eine relativ kühle Angelegenheit. Außerdem kommt die Erfahrung hinzu, dass die Trittsicherheit auf eiskalten, rutschigen Eisenstiften und Bügeln noch eine andere ist als in der Woche zuvor.
Wenige Minuten nach dieser Passage sehen wir die Müller Hütte mit dem schönen italienischen Namen "Rifugio Cima Libera" auf 3148m, die direkt auf dem Sattel des Pfaffennieders liegt. Nach dem Lagerbezug in der Hütte und dem Auslöffeln einer heißen, herzhaften Leberknödelsuppe machen wir uns wieder mit Tagesgepäck auf den Weg, denn wir wollen noch den "Hausberg" der Hütte, den Wilden Freiger (seltsame italienische Übersetzung: Cima Libera), ersteigen. Dazu muss der Übeltalferner in Richtung Becherhaus gequert werden, damit die Gruppe dann über den Südgrat (Blockwerk, z.T. gesichert) den Signalgipfel 3392m und schließlich den Freiger 3418m über eine gut zu erkennende Spur im Schnee ersteigen kann.
Für den nächsten Tag steht die Überschreitung des Wilden Pfaff zum Zuckerhütl auf dem Programm, wobei sich schon morgens zeigt, dass die Tage des guten Wetters gezählt sind. Gestern noch alle Gipfel im glänzenden Sonnenlicht - heute alles hinter Nebelschwaden versteckt; die Orientierungsprobleme halten sich in Grenzen, da wir uns über den noch gut erkennbaren Ostgrat zum Wilden Pfaff 3458m hinauf schwingen wollen; Rudi zeigt wieder einmal positive Denkweise: "...da sieht man wenigstens nicht, wie tief man fallen kann...".
Das Zuckerhütl zeigt sich in der bekannten Form mit einem Schneehut, die Spur führt verdächtig nahe an der Schneewechte (tut mir leid, Rechtschreibreform!) vorbei; schließlich stehen wir nach einigen herzhaften Aufschwüngen im Gipfelaufbau auf der höchsten Erhebung des Hochstubais auf 3505m! Nach einigen schnellen Fotos dieses Tourenhighlights mit dem neuen Gipfelkreuz (V2A-Stahl, rostfrei) treten wir bei diesem ungemütlichen Wetter den Abstieg an. Heute scheint ein richtiger "Pfaffentag" zu sein: Ausgehend vom Pfaffennieder über den Wilden Pfaff zum Pfaffensattel, danach über das Pfaffenjoch (den Aperen Pfaff und die Lange Pfaffennieder lassen wir rechts liegen!) und hinab auf den Pfaffenferner erreichen wir beim Höhenpunkt 3000m wieder festen (Fels-) Boden unter den Füßen. Von dort ist die Hildesheimer Hütte 2899m schon gut zu sehen, zumal das Wetter mit jedem Abstiegsmeter immer besser wird und uns bei der Ankunft an der Hütte mit strahlendem Sonnenschein empfängt.
Am Abend wird im Gastraum bei hervorragendem Essen und weingeisthaltigen Getränken wird noch so manches Erlebnis dieses 3-tägigen Kurztrips im Stubai diskutiert; alle sind sehr zufrieden, dass die angestrebten Gipfelbesteigungen und Gletscherbegehungen auch wetterbedingt haben stattfinden können; später im Lager ist noch ausgelassene Stimmung in der Runde. Die Teilnehmer sind sich einig, dass das Training der "Vorbereitungswoche" im Wetterstein sehr gut für die Bewältigung der Stubaitour gewesen ist; keiner hat irgendwelche Konditionsprobleme festgestellt.
Am nächsten Morgen, mittlerweile Dienstag, haben wir also nur noch die Aufgabe, auf schnellstem Wege das Auto zu erreichen. Dazu muss noch eine Übergangsstelle, das Eisjoch 3133m, über den Gaißkarferner erstiegen werden; danach geht es nur noch abwärts über die Dresdner Hütte und die Mutterbergalm und weiter das Unterbergtal hinunter bis zur Höhe 1590m, wo das Auto auf uns wartet und wir uns an einem Waschtrog am Straßenrand wieder "zivilisationsfein" machen für die Heimfahrt. Wichtigste Arbeit ist dabei aber nicht nur das Anlegen frischer Kleidungsstücke, sondern auch die adäquate "Entsorgung", d.h. die luftdichte Verpackung der nach Berg duftenden Stücke, (insbesondere Socken!) sonst heißt es bei der Ankunft zu Hause wieder aus dem hausfraulichen Munde mit dem Quarantäne-Blick auf den Rucksack:
"Wir müssen draußen bleiben!"