In den Sommerferien bin ich zusammen mit meinem Vater Rudi auf einem Klettersteig im Kaunertal gewesen. Dies war mein erster Klettersteig, der außerdem auch ganz besonders war. Am Parkplatz angekommen sahen und vor allem hörten wir schon von Ferne den Wasserfall, an dem und über den der Steig führt. Endlich konnte es auch für mich losgehen, nachdem mein Bruder Paul bereits im letzten Jahr diese Tour gemacht hatte. Die Vorfreude war also groß; der Respekt vor dem tosenden Wasser aber auch. Die Klettersteigausrüstung war mir schon einigermaßen vetraut, denn zu Hause gehen wir öfters klettern; außerdem war ich schon ein paar Mal in einem Hochseilgarten. Am Startpunkt unten am Wasserfall dachte ich, dass ich das doch mit Links schaffe. Es waren zwei Brücken aus Holzbohlen zu sehen, die sich ziemlich weit unten im Zickzack über den Wasserfall befanden. Bis zur ersten Brücke gab es ein paar Bügel, die ich und Papa schnell hochkletterten.
Dann wurde es mir etwas mulmig, oder auch etwas viel mulmig... . Denn nun hieß es, den Fuß auf die wackelige Angelegenheit zu setzen. Ich holte tief Luft. Die Strecke bewegte sich durch die mit Gelenken verbundenen Holzteile. Zügig ging ich voran mit der Sicherung am Drahtseil. In der Mitte umgab mich ein kalter und feuchter Wind von dem unter mir tosenden Wasser. Mit Papa konnte ich mich nicht mehr verständigen. Der Krach verschluckte alles. Durch den kalten Luftzug kühlte ich etwas ab. Bei der zweiten Brücke hatte ich schon etwas Übung. Es lagen Steine im Bach, die größer waren als ich selbst. Nun ging es über Drahtbügel weiter nach oben, manchmal auch über den bloßen Fels. An anderen Stellen wiederum führte der Steig mehr als senkrecht in die Höhe, also überhängend.
Hier kam es mir so vor, als ob ich den Weg doch eher nicht mit Links, sondern nur mit Links und Rechts schaffen konnte. Papa hat mir dann ein paar Tricks verraten, damit der Aufstieg nicht so viel Kraft kostet. Je weiter wir uns vom Wasserfall entfernten, desto leiser wurde es. Unterwegs sah ich schöne Schmetterlinge, Hummeln und Steingewächse. Zwischendurch riskierte ich Blicke nach unten. Dort sah ich Mama, die Fotos machte. Allerdings schien sie mit dem Stativ größere Probleme zu haben als ich mit den Brücken. Man hatte einen schönen Blick auf die umliegenden Gletscherberge, den Bach, die Panoramastraße. Die Leute kamen mir vor wie Ameisen. Manchmal führte der Weg auch ganz ohne Drahseil ebenfalls sicher über einen Pfad. Wenn man das Ziel, das ich immer im Blick hatte, schnellstmöglich hätte erreichen wollen, hätte man eigentlich nur geradeaus klettern müssen. Am Fluss entlang zu gehen war sozusagen Quatsch; aber das machte ja gerade Spaß.
Zum Schluss erwartete uns sogar ein Gipfelbuch, in das ich mich mit viel Freude eingetragen habe. Mama hat uns oben abgeholt und eine große Tafel Schokolade mitgebracht. Praktisch war, dass wir oben wieder auf die Panoramastraße trafen. Auf dem Weg hinunter im Auto merkte ich erst, wie weit zweihundert Höhenmeter sein können. Der Klettersteig kam mir kürzer vor. Die Aufregung, Anstrengung und die Spannung unterwegs nach oben haben sich auf jeden Fall gelohnt. Am Ende war ich richtig glücklich.