Vor einiger Zeit unterhielten Rudi Berners und ich mich darüber, daß wir uns mal erkundigen müßten, wie jeder einzelne von uns zum Bergsteigen gekommen ist und vor allem, wieviel an Erfahrung Die- oder Derjenige dabei gesammelt hat. Für einige von uns dürfte das keine größere Anstrengung sein, da sie ein Tourenbuch, in das sie jede Tour die sie gemacht haben eingetragen haben, besitzen. Ich gehöre zu den Leuten, die jetzt im Gehirn die Schublade mit der Bezeichnung "Bergsteigen" auf machen und fleißig anfangen, alles durchzukramen.
Ich denke, am leichtesten fällt der Anfang. Da erinnere ich mich noch gut dran. Damals standen meine jetzige Frau Birgit und ich vor der Entscheidung, wo es im Urlaub hingeht. Ich wollte ans Meer. Wir entschieden uns für die Berge, weil sie schon öfter da war. Ich bin also von meiner Frau zum Bergwandern gebracht worden. So sind wir also irgendwann 1987 mitten im September zum Sellajoch gefahren, wo wir uns mit meinen beiden Schwägern und meiner Schwägerin getroffen haben. Wir sind von dort aus quer durch das Sella-Massiv gewandert. Die Tour dauerte 6 Tage. Übernachtet haben wir in Hütten, die übrigens sehr gemütlich waren und guten und billigen "Kalterer See" hatten. Als Gipfel bestiegen wir die Pisciardu, Piz Boe. Am vorletzten Tag bin ich schnell nach Canazei getrampt und habe mir ein Paar Steigeisen gekauft. So konnte ich am letzten Tag mit meinem Schwager die Marmolada über den W-Grat (versicherter Klettersteig) besteigen. Abstieg über den Normalweg (Gletscher). Total unerfahren und nur mit einem Pickel und einem Brustgurt sind wir also auf die Marmolada gegangen.
Beim Abstieg über den Gletscher trafen wir noch ein paar Deutsche. Sie fragten uns, von wo wir kommen, und wir antworteten: Aus der Eifel. - Aus der Eifel? Dann kennt ihr ja auch bestimmt Nideggen? antworteten sie. Bei mir ging nur ein schwaches Licht auf. Nideggen kenne ich, aber welchen Zusammenhang hat Nideggen mit den Bergen, dachte ich mir? Ich fragte, als die Leute weiter gingen, meinen Schwager, wieso die gerade Nideggen kennen und er weiß mich auf den Klettergarten hin, den ich, von Italien aus wohlbehalten wieder Zuhause angekommen, am 1.November einige Monate später aufgesucht habe.
Total orientierungslos bin ich dann an der Hirtsley gelandet. Dort habe ich mir das Geschehen aus der ferne angesehen. Ich war gerade wieder am Auto angekommen, da sprach mich ein Fremder an, und fragte mich, wo es zu den Kletterfelsen geht. Ich kannte mich ja nun aus und sagte: "Gleich dort hinten sind sie." Und dann fragte er noch, ob ich nicht Lust hätte, ihn zu sichern, weil er ja allein sei. Er hat mir dann alles erklärt und ich habe ihn im Toprope gesichert, bis er auf ein Mal den Vorschlag machte, daß wir den Spieß umdrehen sollen. Gesagt-getan! Ich bin geklettert. Welche Schwierigkeit das war, weiß ich jetzt nicht mehr, aber für mich war es schwierig genug. Und von dem Augenblick an stand für mich fest, wie mein Weihnachtsgeschenk auszusehen hat. Der Wunsch ging in Erfüllung. Weihnachten hatte ich eine komplette Kletterausrüstung, bestehend aus Komplettgurt, Seilstück zum Einbinden, Bandschlinge 2m, 2 HMS-Karabiner, Seil 10,5mm 45m lang, Prusikschnüre und einer Klettersteigbremse.
Mit dieser Ausrüstung ging ich dann, nach einigen Abseilübungen im Treppenhaus, Ostern zu ersten mal nach Nideggen zum Klettern. Da ich herausgefunden hatte, daß man auch an der Burg klettern kann, bin ich also dorthin gegangen.
Wie der Zufall es will, fand ich auch gleich zwei junge Holländer die mich mit in ihre Seilschaft nahmen. Wir kletterten den ganzen Tag und verabredeten uns am nächsten Tag an der Christinenley, die ich leider oder zum Glück am nächsten Tag nicht gefunden habe. So ging ich also nach einigen Stunden des Suchens wieder zu Burg, wo ich auch am Vortag war. Dort stieß ich dann zu der Jugendgruppe der Sektion Düsseldorf, die mich auch gleich freundlich aufnahm.
Mit dieser Gruppe bin ich dann noch im gleichen Jahr zu verschiedenen Klettergebieten in Deutschland gefahren. Es waren die Bruchhausener Steine, die heute leider gesperrt sind, und der Ith. Während der Zeit habe ich auch noch eine Woche im September einen Fels- und Eiskurs mit der Sportuni Innsbruck, geleitet von zwei erfahrenen Bergführern und einer Führerin, auf der Saarbrücker Hütte belegt.
Bei der Ausbildung handelte es sich um Gehen auf dem Gletscher, Rutschübungen und Spaltenbergung. Es wurden auch zwei Gipfel bestiegen, aber der Höhepunkt war die Groß-Seehorn-Überschreitung, die zu meinem Glück unser Bergführer als einziger machte. Die Felskletterübung fiel ins Wasser und so reiste ich mit meinem Schwager Ferdi, durch den ich den Kurs ermöglicht bekam, wieder nach Innsbruck, um uns fit für die Langkofelbesteigung zu machen.
Die Besteigung mißglückte uns, was aber nicht heißen soll, daß ich sie bis heute aufgegeben habe, und so fuhren wir ein zweites Mal zur Marmolada, die wir dann bestiegen. Im Anschluß ging es zum Ortler, den wir über den Normalweg von der Payerhütte aus bestiegen.
Der Ortler war lange Zeit mein höchster Gipfel. Diese Höhe konnte ich auch 1989 bei einer Fahrt mit der Sektion Düsseldorf ins Zillertal nicht überbieten. Doch blieben bei jeder Tour ein paar Erfahrungen hängen. Die Namen der einzelnen Gipfel, die wir bestiegen haben oder an denen wir gescheitert sind, habe ich in der Schublade nicht mehr gefunden. Um es herauszufinden müßte ich mir eine Karte aus dem Gebiet vornehmen und noch einmal die Tour gedanklich nachgehen. Doch bei allen Touren, die ich bis dorther gemacht habe war immer eine Superstimmung in der Truppe. Die Tour im Zillertal nenne ich übrigens die "Zehn-kleine-Negerlein-Tour" weil jeden Tag einer von der Truppe ausfiel bzw. der 10. erst gar nicht erschienen war.
Im unteren Teil der Schublade war alles ziemlich sortiert. Oben aber, wo alles kreuz und quer liegt, wird es schwierig für mich, das immer größer werdende Tourendurcheinander zu sortieren. Bis hierhin stimmt der Ablauf genau, doch jetzt könnte sich in der Reihenfolge der eine oder andere Fehler einschleichen.
An dieser Stelle müßte irgend wann der Zeitpunkt kommen, wo ich das erste Mal mit dem Bergsteigerverein Eifel in Kontakt kam. Es war in Breitenbenden. Dort war eine Veranstaltung mit Diavortrag, den ich besucht hatte. Der Kontakt brach nicht ab. Sie luden mich zu einem Grillabend ein und kurz darauf bei der Jahreshauptversammlung ging ich in den Verein. Die erste Fahrt zusammen mit den Kollegen des Bergsteigervereins war der Versuch, die Tosarinne zu durchsteigen. Jetzt schwirren mir wieder tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf und es fällt mit schwer, die Jahre auseinander zu halten.
Die nächste Tour, die ich dann sortieren kann ist eine Karwendel-Hüttenwanderung. Diese Tour wurde nach drei Tagen wegen Regen abgebrochen. Es war leider nur ein Gipfel möglich. Das Gipfelglück bedeutet mir sehr viel und um dieses Glück zu erreichen nehme ich gerne alle Anstrengung auf mich, doch lasse ich die Gefahren, die am Berg lauern, nie aus den Augen. Die Sicherheit geht dem Gipfelglück vor.
Da kommt es wieder, dieses Durcheinander. Mir fällt ein, daß ich ja auch noch auf dem Großvenediger und Großglockner war. Den Termin vergesse ich nie. Es war der Tag der deutschen Wiedervereinigung. Dann erinnere ich mich an die Silvrettadurchquerung, wo wir alle namhaften Gipfel bestiegen haben, obwohl das Wetter nicht unbedingt gut war. Nach einiger Überlegung fallen mir sogar die Namen wieder ein. Es waren: Fluchthorn, Drei-Länder-Spitze, Piz Buin, Silvrettahorn, Kl. Seehorn und das beste war die Große Litzner Seehorn Überschreitung.
Da fällt mir ein, ich habe noch im gleichen Jahr die Gran Paradiso Tour vergessen, wo wir Ciarforon N-Wand und Gran Paradiso N-Wand gemacht haben. Der Gran Paradiso hat somit auch meinen neuen Höhenrekord übernommen. Der natürlich, wie bei allen anderen Tourenmitglieder, wo sich auch ein Rekord einstellte, kräftig begossen wurde. Zur Zeit trägt das Aletschhorn den Höhenrekord. Dort war ich mit meinem Schwager. Von dort aus zum Furkapass und dann zum Biancograt, wo wir zuerst Piz Morteratsch und dann Piz Bianco und Piz Bernina über den Biancograt bestiegen haben. Nebenbei erinnert meine Frau mich daran, daß ich die Hüttentour im Stubaital mit der Jugendgruppe Düsseldorf vergessen habe. Es ging über 4 Gipfel und 7 Hütten. Ich habe alles extra so geschrieben, wie es mir aus meiner Schublade entgegenkam, damit mal jeder sehen kann, welch ein Durcheinander dort herrscht. Doch es geht nichts verloren.
Besser sind die dran, die ein Tourenheft haben. Dort steht alles der Reihe nach drin. Irgendwann Mitte Juni sind wir vom Bergsteigerverein aus noch einmal zur Tosarinne gefahren. Ergebnis: wieder gescheitert. Doch diesmal haben wir wenigstens mal den Abstieg sehen können. Nicht alle Touren, die ich hier aufgeführt habe, sind mit dem Bergsteigerverein gemacht worden. Doch alle tragen zu der Erfahrungssammlung bei.
Auf der Hochzeitsreise nach Grindelwald habe ich den Mönch und das Breithorn bestiegen. Alle Routen sind natürlich von einigen Eingehtouren begleitet, die ich nicht alle in Erinnerung habe. Ich glaube jetzt fehlen noch die vor ein paar Wochen durchstiegene Palavicini-Rinne, dann ist die Schublade komplett durchwühlt.
Aber das merke ich ja, wenn ich jetzt den Text noch einmal auf Rechtschreibfehler kontrolliere. Was man noch bemerken muß ist, daß man jede Tour mehrmals macht. Zum ersten Mal, wenn einem der Gedanke kommt, dann, wenn man im Führer alles durch arbeitet und bei der Vollendung, doch später denkt man auch noch oft daran. Nur bei der letzten Tour blieb uns nicht viel Zeit für die Vorbereitung., da das Wetter die schon lange geplante Aktion scheitern ließ. So mußten wir kurzfristig von der Schweiz zum Großglockner wechseln und trotzdem wurde es noch eine gelungene Tour.
Was bei mir eine große Rolle beim Sammeln der Erfahrung spielt, das ist daß die meisten Touren die ich gemacht habe von mir selber geplant und auch ohne fremde Hilfe durchgeführt wurden. Man kann zwar auch bei anderen mitgehen, sollte sich jedoch selbst etwas um den Ablauf der Tour kümmern. Denn die sogenannten Mitläufer kommen sonst nie auf eigene Beine zu stehen. Ich darf natürlich nicht vergessen, daß ich die Grundbegriffe der Spaltenbergung und noch einige andere gute Tricks damals von einem Bergführer gelernt habe.
Zu meinem Gipfelglück gehörte damals noch auf Korsika der Monte Cinto, der höchste Berg auf dieser Insel und jetzt aus der neueren Zeit 3 Zillertaler und 6 Viertausender: der Dom, der Grand Combin mit Nebengipfel und der Mont Blanc mit zwei Nebengipfeln.