Boulderworkshop? -Dazu fiel mir zunächst Manfred Mann ein: "With a boulder on my shoulder, feelin' kinda older..."
Dann aber auch schnell Bilder von Kletterern, die an großen Steinmurmeln, die im Wald verstreut herumliegen, zu schaffen machen. Klettern, das hat immer viel Spaß gemacht, auch wenn ich in den letzten Jahren gerne Jüngeren, auch meinen Kindern den Vortritt gelassen habe. Das Angebot klang interessant.
Fontainebleau liegt etwas südlich von Paris. Die Boulder (engl. für Findling oder Felsblock) sind in einem riesigen Waldgebiet verstreut und so zahlreich, dass es trotz der internationalen Kletterszene, die sich dort einfindet, immer noch ruhige Plätze zum Klettern gibt. Die Aussicht auf einen ruhigen Aufenthalt in einem so berühmten Klettergebiet und die Möglichkeit, das auch noch mit einem Tagesausflug nach Paris zu verbinden, die Ursprünglichkeit des Waldes von Fontainebleau, all das zusammengenommen war Grund genug, die ganze Familie für die Fahrt anzumelden und noch ein paar Tage für das private Programm vorweg einzuplanen.
Ein Ferienhaus am südwestlichen Rand des Waldes von Fontainebleau sollte für eine knappe Woche unser Domizil sein. 25° bei schönstem Sommerwetter Ende April. Welche Freude für die Kinder, dass der Pool am Ferienhaus schon einsatzbereit war.
Am nächsten Morgen, im Frühtau zu Berge wir ziehen.. . Berge ist etwas übertrieben, bei Gipfelhöhen um die 120m über dem Meer. Aber ein einsamer, riesiger Wald mit urigen Pinien, Kiefern, Eichen und Maronen mit zahlreichen Wanderpfaden sind die Reise wert. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Auf dem sandigen Waldboden liegen abertausende von Boulderblöcken. Und hinter jedem der Blöcke gibt es wieder etwas neues zu entdecken. Die Konturen der Blöcke regen die Fantasie an. Der eine sieht aus wie ein Krokodil, der nächste wie eine Schildkröte. Es gibt viele Nischen und Durchschlupfe. Unsere Kinder sind begeistert.
Ein Wald zum Verlaufen, folgt man nicht einem der Wanderwege oder benutzt Hilfsmittel wie Karte, Kompass oder GPS.
Wir nehmen den Weg der "25 Bosses", ein typisch französischer Wanderweg. Etwas sportlich angelegt mit vielen Klettereinlagen über die Felsansammlungen und die 25 Buckel. Den gesamten Weg schaffen nur gut trainierte Wanderer an einem Tag: Zusammen sind das etwa 30km und 1500 Höhenmeter, und das in teilweise alpinem Gelände. Wir begnügen uns mit 5 Buckeln für den ganzen Tag und haben genug damit zu tun, zu schauen und zu staunen.
Nach dem Tagesausflug nach Paris und einem schönen Nachmittag am Strand ohne Meer, wie wir die Sandfläche von Sables du Cul de Chien erlebt haben, und weiteren interessanten Wanderungen durch den Wald, seltsamen Begegnungen mit wilden Tieren wie Minikrokodilen und Schlangen und dem ständigen "Kuckuck" des Vogels im Ohr, der sogar seinen Namen kennt, trafen wir dann auf die Kameraden vom Boulderworkshop.
Kurze Einweisung ins Klettern ohne Seil: Nur mit Crashpad und immer mit Kamerad zum spotten.
Crashpad? So heißt also diese faltbare Matte mit Tragegurten, die man sich auf den Rücken schnallt und damit aussieht wie die Schildkröte unter dem Panzer. Und spotten - das können wir alle nur zu gut. Wer klettert weiß, wie schnell die lieben Kameraden mit doofen Sprüchen ihren Spott zum Ausdruck bringen. Beim Bouldern ist aber mit spotten eine Hilfe im Falle des Sturzes gemeint. Mit den Händen sollte der Sturz des Kletterers auf die Matte gelenkt werden, die schon einige Fallenergie aufnehmen kann und so Verletzungen fast ausschließt.
Dann mal los! Aber halt: Wo anfangen? Hier in den Roches aux Sablots gibt es hunderte von Boulderblöcken, viele Routen an jedem Block, aber auch ein Kennzeichnungssystem, welches uns Tim noch erklärt: Die Blöcke werden von mehreren Parcours, gekennzeichnet mit bestimmten Farben, durchzogen. Jeder Parcours entspricht dabei anderen Anforderungen. Hier sind die einfachsten Routen weiß markeirt, die schwierigsten schwarz und dazwischen gibt es auch noch Abstufungen in Gelb, Blau, Rot usw.
Die Kinder klettern weiß, die Großen fangen bei Gelb an. Schnell trennt sich die Spreu vom Weizen. Von den Gelben schaffe ich nur wenige. Ich lasse drum wieder anderen den Vortritt und spotte lieber etwas.
Am nächsten Bouldertag geht es zu den Felsen 95,2. Die heißen wirklich so. Wahrscheinlich, weil der höchste von Ihnen bis in eine Höhe von 95,2m über dem Meer aufragt.
Eva-Maria und die Mädchen wandern heute nahe des Ferienhauses und ich begleite meinen Sohn zum Bouldern. Das läuft wirklich gut bei ihm, und er hat große Freude daran.
Bevor wir nach Hause fahren geht es noch zum Shoppen. Nicht in de Avenue Montaigne in Paris, sondern in Villers en Bière, wo man preiswert Kletterschuhe bekommen kann. Die werden wir künftig intensiver brauchen.
"With a boulder at my shoulder, never gettin' older..."