Prolog der Kursleiter
Ist Stürzen im Alpinen meist tabu, gehört es zum gut abgesicherten Sportklettern dazu. Weil es aber doch meist vermieden wird, fehlt vielen Kletterern wie Sicherern die Erfahrung, sich im „Falle eines Falles“ richtig zu verhalten. Dies bestätigt auch die jüngste und viel diskutierte Kletterhallenstudie – 75 Prozent der Befragten halten sich für gute Sicherer, aber nur 25 Prozent konnten in unangekündigten Sturzsimulationen „sicher sichern“. Also hat die Sektion Schleiden/Eifel einen Workshop dazu in der Bronx Rock Wesseling angeboten, dessen Hallenbetreiber und Nidegger Erstbegeher im 10. Grad, Markus Zöll, sofort bereit war, seine Wettkampfwand für den Kursus zur Verfügung zu stellen.
Flug der DAV Airline Eifel am 14. Mai 2017 in Wesseling
Von Jo Wildenberg
Bereits ein paar Tage vor unserem Kursus „Sturztraining“ wurden die „Fluggäste“ (Toto, Timo, Tim und ich, also Jo) von den Flugbegleitern Tameer und Armin gebrieft. Fluggäste? Fliegen? Zitat: „... einigen Flugmeilen - äh Flugmeter ...“ würden absolviert werden? Verpflegung muss selber mitgebracht werden? Okeeyyy - das kann ja heiter werden. Hätte ich vielleicht doch besser eine Reiserücktrittversicherung abschließen sollen?
Am Abflugtag wurden wir dann in der Tat von unseren Flugbegleitern auf der Gangway (der Stahltreppe zur Bronx) begrüßt und durften fürs erste die gebuchten Sitzplätze einnehmen. Zuerst erfolgten wie bei jedem Flug die Sicherheitsinstruktionen. Unter anderem wurden uns die Fallhöhe beim überstreckten Clippen und evtl. unsanftes Grounding in Bodennähe sehr anschaulich gezeigt. Nach ein paar weiteren Demonstrationen und Vorbereitungen durften wir dann selbst unseren (Kletter-)Gurt anschnallen und loslegen: Ran an die Wand und rauf - ich will fliegen!
Die ersten Luftlöcher (mit dem Anseilpunkt etwas unterhalb der letzten Exe) waren durch das weiche Sichern von Toto kein Problem. Nach kurzem Fluuuug merkte ich: Das ist „safe“ und macht Spaß. Also wieder rauf, mit dem Anseilpunkt etwas über die letzte, hintersicherte Exe und loslassen: Ein etwas längerer Fluuuuuuuug und wieder - dank Toto: Eine butterweiche Landung. Jetzt wollte ich es wissen: Füße bis zur letzten Exe und loslassen: Huiiiiiiii - da kommt Fahrtwind auf - aber kurz danach kam der Aufprall: Voll mit den Füßen gegen die Wand geknallt, hinter der es mächtig rappelte. Was war los? Wieder unten angekommen, brachte die Videoanlayse von Tameer die Auflösung: Ich ließ zwar meine Hände los - aber die Füße blieben (vielleicht durch die Anspannung?) an der Wand. Dadurch bekam ich wie auf einer Schaukel ungewollt richtig Schwung nach hinten von der Wand weg – um danach mit genauso viel Schwung wieder hineinzupendeln. Was tun? Nach ein paar Versuchen war die Lösung, dass ich beim Loslassen sofort die Beine leicht bewusst anziehen musste. Also noch mal rauf und probiert, - diesmal mit dem Fuß etwa einen Meter über der letzten Exe: Fluuuuuuuuuuuuuuuuug - tap - nichts rappelte hinter der Wand - wohl alles richtig gemacht.
Dann durfte Toto ran: Anfangs bei geringen Fallhöhen sicherte ich ihn statisch - ich blieb also einfach stehen. Das war durch die Seildehnung auch ok - aber bei größeren Fallhöhen meldeten sich Totos Bandscheiben. Jetzt war dynamisches Sichern nach Anleitung unserer Trainer angesagt: In dem Moment, wo das Sicherungsseil beginnt, stramm zu werden, mitgehen oder sogar aus der leichten Hocke hochspringen. Ich hab gedacht: Ok - kurz hochspringen und das war’s dann. Von wegen: Es ging wie im Aufzug nach oben und hörte erst kurz vor der zweiten Exe auf. Wow - damit hatte ich nicht gerechnet! Daher gilt für mich ab sofort: In Kletterhallen bei tief liegenden ersten Exen erst die zweite Exe clippen. Was unsere Flugbegleiter auch empfohlen hatten – jetzt konnten wir erleben, warum. Am Fels ist die Situation ganz anders, dort ist der erste Sicherungspunkt meist nicht nach der Spielplatzverordnung angebracht - aber das könnte Thema eines anderen Kurses sein.
Mein Fazit: Stürzen tut (in den meisten Fällen) nicht weh - wenn man weiß, wie es richtig geht und man beachtet, wo man stürzen darf (Yes Fall Zones) und wo man auf keinen Fall stürzen darf (No Fall Zones), etwa bei Absätzen oder Bodensturzgefahr – im Zweifel immer hart sichern. Und ganz wichtig: Man braucht einen erfahrenen Sicherungspartner, der jederzeit achtsam ist, die jeweilige Situation schon gedanklich vorwegnimmt und sein Sicherungsverhalten dementsprechend anpasst – kurz: der weiß, was er tut.
Die „Flugbegleiter“ Tameer und Armin haben einen tollen Job gemacht - inklusive Austeilen von Zeitschriften und Snacks, hilfreiche Tipps gegeben und uns wieder sicher auf den Boden gebracht. Die DAV Airline Eifel ist sehr zu empfehlen!!
Epilog von Timo, Tim und Toto
Timo meint zum Kursus: „Ich hab wieder eine Menge gelernt. Armin und Tameer haben das wie immer sehr, sehr gut, professionell und ruhig gemacht. Sehr gut war natürlich auch wieder die Videoanalyse. Ich fand das Stürzen nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe, aber auch nicht wirklich angenehm :). Und noch viel wichtiger fand ich die Analyse des Sicherns - ich hatte eigentlich gedacht, dass ich schlechter sichern würde als das Feedback der Trainer war.“ Auch Toto war begeistert: "Motivation zu dem Sturztraining war für mich die sehr übersichtliche Erfahrung im Sichern und Fallen bei weiten Vorstiegsstürzen. Das führte beim Vorsteigen dazu, das ich nicht bis an mein Limit gehen konnte, obwohl die Situation (Höhe über dem Boden und Sicherungspartner des Vertrauens) es zu gelassen hätten. Ich habe mich also umgehend zum Sturztraining angemeldet, als ich den Kurs im Programm für 2017 entdeckte. Meine hohen Erwartungen wurden mal wieder voll und ganz erfüllt. Tameer und Armin, immer auf dem aktuellen Stand von Sicherheitsforschung und Sportwissenschaften, gaben uns einen perfekten Rahmen an Wissen, Sicherheit und Feedback mit Videoanalysen, um an unseren Grenzen zu arbeiten und Schwächen zu beseitigen. So konnten von mir Stürze mit gut über sechs Meter Sturzweite völlig ohne Nervenflattern im vollen Vertrauen auf meinen Sicherungspartner Jo absolviert werden, und dies aus der Klettersituation heraus. Mein Timing beim Weich-Sichern ist deutlich besser geworden, und im Vorstieg werde ich zukünftig ruhiger oberhalb der letzten Exe klettern (wenn kein Bodensturz droht). Alles in allem ein toller Kurs inklusive Synchronspringen :-) Tim: „Das war ein weiterer Höhepunkt des Klettertrainings. Es war wieder einmal ein toller Kurs, bei dem ich viel gelernt habe und der Spaßfaktor auch nicht zu kurz kam.“